Eine Herausforderung für die Kosmologie

Weekly Science Update – Übersetzt von Harald Horneff

Ein neuer Blick auf den kosmischen Mikrowellen-Hintergrund des gesamten Himmels mit dem Satelliten Planck. Obwohl Auswertungen dieses Bildes auf eine vollständige Übereinstimmung mit dem einfachen Modell einer Urknallinflation hinweisen, behauptet eine neue Arbeit, daß die Übereinstimmung so perfekt ist, daß es sehr unwahrscheinlich ist, daß das Inflationsmodell tatsächlich das richtige Modell ist. ESA / Planck


 
Das Universum entstand vor etwa vierzehn Milliarden Jahren in einem Lichterglanz, bekannt als der Urknall. Nach rund 380.000 Jahren, sobald Materie sich für die Bildung neutraler Atome (hauptsächlich Wasserstoffatome) genügend abgekühlt hatte, konnte das Licht sich relativ frei durch den Raum zu bewegen. Heute sehen wir dieses Licht als kosmische Mikrowellen-Hintergrundstrahlung (CMBR = cosmic microwave background radiation). Das Licht ist über den Himmel äußerst gleichmäßig, aber dennoch nicht perfekt verteilt: Astronomen haben entdeckt, daß die Strahlung eigentlich sehr schwache Kräuselungen in einer Größenordnung von nur etwa eins zu zehntausend aufweist. Diese Kräuselungen spiegeln den Aufbau des Universums wieder, als sich das Licht frei bewegen konnte und bilden die kosmischen Samenkörner für nachfolgende himmlisch Strukturen, wie zum Beispiel Galaxien.
Die CMBR wurde 1964 von Penzias und Wilson entdeckt. Die schwachen Kräuselungen wurden erstmals 1991 durch den NASA-Satelliten COBE erkannt und sind mit wachsender Genauigkeit während des vergangenen Jahrzehnts mit dem Satelliten WMAP der NASA (als auch mit erdgebundenen Teleskopen für Millimeter-Wellenlängen) untersucht worden. Im März 2013 gab die Europäische Weltraumorganisation die ersten Ergebnisse ihres Satelliten Planck bekannt, der 2009 gestartet wurde, um die CMBR mit größerer Genauigkeit als jemals zuvor zu untersuchen. Die beteiligten Forscher berichteten von hervorragender Übereinstimmung mit gegenwärtigen Modellen und brachten einige der wichtigsten Werte auf den neuesten Stand – zum Beispiel das Alter des Universums: 13.82 Milliarden Jahre. Aber die Präzision von WMAP und insbesondere Planck erlaubt es Astronomen, über mehr als nur die Frage nachzudenken, wie sich Galaxien entwickelten, nachdem sich die Materie abgekühlt hatte. Sie ermöglicht Überlegungen, was sich im dunklen Zeitalter abspielte, bevor die Materie sich abgekühlt hatte. Das zentrale Ereignis dieser Epoche ist vermutlich ganz zu Beginn aufgetreten, innerhalb weniger als dem Bruchteil der ersten Sekunde: Inflation.
Nach den in den 1980er-Jahren vorgeschlagenen Modellen der Inflation, die auf Konzepten aus der Elementarteilchenphysik beruhen, durchlief das frühe Universum einen dramatischen und exponentiellen Wachstumsschub und blähte sich eine Billion Billion Billion Mal in seiner Größe auf. Die Stärke dieser Theorie liegt darin, daß sie viele ansonsten rätselhafte Eigenschaften des Universums erklärt; warum zum Beispiel scheinen entfernte Regionen, die in entgegengesetzten Richtungen des Raums lokalisiert sind, sich so ähnlich zu sein (und gleichermaßen, warum sehen die CMBR-Kräuselungen untereinander so extrem gleich aus)? Im Grunde genommen wären die Gebiete so weit auseinander gelegen (sowohl damals als auch heute), daß sie auf vollständig unabhängigem Wege hätten gealtert sein sollen? Inflation liefert eine Lösung, denn alles beginnt in extremer Dichte und dann erst, einen winzigen Augenblick später, treibt sie alles schnell sehr weit auseinander. Der Inflationsgedanke ist über die Jahrzehnte hinweg ständig verbessert und zahlreiche Varianten sorgfältig ausgearbeitet worden. Die neuen Planck-Messungen scheinen den Vorstellungen über die Inflation Rückhalt zu verleihen.
Oder vielleicht auch nicht. Die Astronomen Anna Ijjas, Paul Steinhardt und Avi Loeb vom CfA haben jetzt eine Arbeit veröffentlicht, in der sie diskutieren, daß die neuen Planck-Ergebnisse den Ideen der Inflation keineswegs Glaubwürdigkeit geben, sondern diese vielmehr untergraben. Sie argumentieren sogar, daß die Planck-Ergebnisse eine Herausforderung für die Kosmologie insgesamt darstellen. Die Forscher heben hervor, daß die Ergebnisse von Planck im Grunde zu gut sind, denn sie verwerfen die einfachsten Varianten der Inflation und begünstigen mit hoher Genauigkeit nur eine ganz besondere Spielart. Doch wenn man, so ihre Begründung, die Grundgedanken des inflationären Modells anerkennt, dann ist diese besondere Variante im Vergleich mit den einfachsten Deutungen eigentlich sehr unwahrscheinlich. Dieser und andere Gründe, die alle mit den neuen Planck-Daten in Beziehung stehen, könnten das ganze Gebäude der Inflation in Schwierigkeiten bringen. Es gibt zur Inflation alternative Ideen, die im Lauf der Jahre vorgeschlagen worden sind. Vielleicht werden die neuen Planck-Ergebnisse und die Kritik in dieser Arbeit zu einigen provokanten, neuen Überlegungen in der modernen Kosmologie führen.