Ein Springbrunnen von galaktischem Maßstab aus kaltem molekularem Gas, angetrieben von einem Schwarzen Loch (Originalartikel vom 09.11.2018)

Weekly Science Update – Übersetzt von Harald Horneff
(Originalartikel unter www.cfa.harvard.edu)

Ein Bild der hellen Clustergalaxie in Abell 2597: Röntgenlicht (blau), Wasserstoff-Emissionslinie (rot) und optisches Licht (gelb). Astronomen haben aus Multiwellenlängen-Beobachtungen im Millimeter- bis zum Röntgenbereich gefolgert, daß, in Übereinstimmung mit Vorhersagen, diese Galaxie sowohl Gas aus ihrer Umgebung akkretiert als auch Material durch ihr supermassereiches Schwarzes Loch ausstößt und so wie ein kosmischer Springbrunnen wirkt.
X-ray: NASA / CXC / Michigan State University / G. Voit et al Optical: NASA / STScI & DSS
H-alpha: Carnegie Obs. / Magellan / W. Baade Telescope / U. Maryland / M. McDonald


 
Die meisten Galaxien befinden sich in einem Cluster, der aus wenigen bis hin zu Tausenden von Galaxien besteht. Unsere Milchstraße beispielsweise gehört zur Lokalen Gruppe, einem Cluster von ungefähr fünfzig Galaxien, dessen anderes großes Mitglied, die Andromeda-Galaxie, rund 2.3 Millionen Lichtjahre entfernt ist. Cluster sind die massereichsten, gravitativ aneinander gebundenen Objekte im Universum und bilden sich (nach gegenwärtiger Ansicht) „von unten nach oben“, wobei sich kleinere Strukturen zuerst entwickeln und die Dunkle Materie eine wichtige Rolle spielt. Wie Cluster genau wachsen und sich weiterentwickeln, hängt jedoch von mehreren miteinander konkurrierenden physikalischen Prozessen ab, die auch das Verhalten des heißen Gases zwischen den Galaxien des Clusters (Intraclustergas) mit einschließen.
Die hellste Galaxie von Abell 2597 befindet sich unweit des Clusterzentrums, etwa eine Milliarde Lichtjahre entfernt inmitten eines zig Millionen Grad heißen Nebels aus Clustergas. Astronomen haben lange theoretische Überlegungen angestellt, das intergalaktische Materie wie das Plasma um Abell 2597 in Galaxien fallen, abkühlen und neues Material für die Sternentstehung einer Galaxie liefern kann. Doch haben sie auch die entgegengesetzte Aktivität entdeckt: im Zentrum von Galaxien gelegene, supermassereiche Schwarze Löcher schießen Jets aus Material zurück in das heiße Intraclustermedium. Die CfA-Astronomen Grant Tremblay, Paul Nulsen, Esra Bulbul, Laurence David, Bill Forman, Christine Jones, Ralph Kraft, Scott Randall und John ZuHone untersuchten gemeinsam mit einem großen Kreis von Kollegen das Verhalten des heißen Gases und diese miteinander rivalisierenden Prozesse in Abell 2597 mit Hilfe einer breiten Palette von Beobachtungen, zu denen neue und archivierte Millimeter-Beobachtungen von ALMA, optische Spektroskopie und detailreiche Aufnahmen des Chandra-Röntgen-Observatoriums gehörten.
Die sorgfältig gewonnenen und umfangreichen Datensätze ermöglichten den Wissenschaftlern, die thermodynamische Eigenschaft sowie die Bewegungen des heißen Gases (sowohl einfallende als auch abfließende Gasströme), die kalten, sternbildenden Staubwolken in der Galaxie und die relative räumliche Anordnung all dieser Bestandteile zu untersuchen. Die Wissenschaftler haben umfassende Unterstützung für die Modelle gefunden, darunter sowohl den Einfall von heißem Material in die Galaxie und dessen nachfolgende Umwandlung in neue Sterne als auch den Gasabfluß, angetrieben durch vom zentralen supermassereichen Schwarzen Loch kommende Jets. Die Gruppe zeigte, daß tatsächlich warmes und kaltes Material (wenn auch in unterschiedlichen Dichten) in dieser Galaxie Hand in Hand gehen, mit Wolken aus kaltem Gas, die vermutlich das Schwarze Loch füttern und offenbar an die energiereichen Jets, die aus dem Kern ausgestoßen werden, gebunden sind. Im Ergebnis ist der molekulare und ionisierte Nebel im Herzen von Abell 2597 etwas, das die Wissenschaftler als „Fontäne“ von galaktischem Maßstab bezeichnen: kaltes Gas strömt in das Sammelbecken, das durch die Anwesenheit des Schwarzen Lochs im Zentrum gebildet wird und das Schwarze Loch selbst treibt die nach außen gerichteten Jets an, die, im Gegenzug, später abkühlen und absinken, also auf die Galaxie herabregnen. Da das nach außen strömende Material sich nicht schnell genug bewegt, um der Gravitation der Galaxie zu entkommen, zieht das Team den Schluß, daß dieser spektakuläre galaktische Springbrunnen wahrscheinlich von langer Dauer ist. Es könnte sich sogar um eine verbreitete Erscheinung in massereichen Clustern handeln und dabei helfen, die kosmische Entwicklung von Galaxien zu erklären.
Literatur:
„A Galaxy-scale Fountain of Cold Molecular Gas Pumped by a Black Hole“
G. R. Tremblay et al.
The Astrophysical Journal, 865, 13, 2018
oder
arXiv1808.00473v1 [astro-ph.GA] 1 Aug 2018