Ein gewaltiger Galaxien-Supercluster im frühen Universum

Weekly Science Update – Übersetzt von Harald Horneff

Originalartikel unter https://pweb.cfa.harvard.edu/news)

Ein Falschfarbenbild der Ferninfrarot-Strahlung eines massiven Protoclusters von Galaxien (im Kreis) aus der Zeit von rund 1,4 Milliarden Jahre nach dem Urknall. Astronomen haben tiefe optische und infrarote Beobachtungen des Komplexes durchgeführt und sind zu dem Schluß gekommen, daß die Sternentstehungsprozesse, die hier ablaufen, zwar außergewöhnlich aktiv sind, aber im Allgemeinen den gleichen Prozessen zu folgen scheinen wie in unserer Galaxis.
NASA/ESA/Herschel; Miller et al.

Die Struktur des Universums wird oft als kosmisches Netz aus Fäden, Knoten und Leerräumen beschrieben, wobei die Knoten Galaxiencluster sind, die größten bekannten gravitativ gebundenen Objekte. Es wird angenommen, daß diese Knoten durch Dichtefluktuationen mit geringer Amplitude, wie sie im kosmischen Mikrowellenhintergrund (cosmic microwave background = CMB) beobachtet werden, entstanden und dann gewachsen sind, bis sie zu den heute sichtbaren Strukturen kollabierten. Während der CMB gut verstanden ist und die Details der heutigen Galaxiencluster gut beschrieben sind, fehlen für die Zwischenphasen der Entwicklung ausreichende Beobachtungen, um die Modelle zu stützen. Bei der traditionellen Suche nach Galaxienclustern wird davon ausgegangen, daß diese Objekte genügend Zeit hatten, sich ins Gleichgewicht zu bringen, so daß sich das intergalaktische Gas genügend aufgeheizt hat, um mit seiner Röntgenstrahlung nachgewiesen zu werden. Um die weiter entfernten Galaxien und Protocluster aufzuspüren, die zu schwach sind, um im Röntgenlicht erkannt zu werden, nutzen die Astronomen stattdessen deren helle Infrarot- oder Submillimeterstrahlung.

Der vom Südpol-Teleskop im Submillimeterbereich entdeckte Supercluster SPT2349-56 ist so weit entfernt, daß sein Licht seit über zwölf Milliarden Jahren unterwegs ist. Er beherbergt über dreißig im Submillimeterbereich helle Galaxien und Dutzende anderer leuchtender und/oder spektroskopisch nachgewiesener sternbildender Galaxien. Er ist einer der aktivsten bekannten Sterne bildenden Komplexe und bringt über zehntausend Sterne pro Jahr hervor. Eine seiner hellen Quellen scheint die Verschmelzung von über zwanzig Galaxien zu sein. Die Sternmasse des Systems war jedoch nicht bekannt, so daß beispielsweise nicht festgestellt werden konnte, ob der gewaltige Ausbruch an Sternentstehung das Ergebnis einer außer-gewöhnlichen Effizienz war oder einfach dadurch entstand, daß es sich um ein so extrem großes System handelte.

CfA-Astronom Matthew Ashby war Mitglied eines Teams, das nun sehr tiefe Beobachtungen bei optischen und infraroten Wellenlängen beendet hat, um die Sternmassen durch Auswertung der spektralen Energieverteilung (spectral energy distribution = SED) zu ermitteln. Sie nutzten die Weltraumteleskope Gemini und Hubble zur Messung des optischen und Nahinfrarotflusses und die IRAC-Kamera von Spitzer zur Messung des Infrarotflusses. Um die SEDs modellieren zu können, müssen die vielen entdeckten Punktquellen bei allen Wellenlängen aneinander angepaßt werden. Dies ist ein komplexes Unterfangen, und die Forscher beschreiben die entsprechenden Verfahren, wobei sie auch auf die schwerwiegenden Über-lagerungen eingehen, die aufgrund der unzureichenden räumlichen Auflösung im Infraroten auftreten können.

Die Astronomen stellen fest, daß die stellare Masse in diesem primordialen Cluster im Vergleich zu seiner Sternent-stehungsrate nahe an den Werten liegt, die in nahegelegenen („normalen“) Galaxien gemessen werden, was darauf hindeutet, daß die Sternentstehungsprozesse, die hier ablaufen, denen im lokalen Universum ähneln. Der Cluster weist aber ein Defizit an molekularem Gas auf, ein Hinweis darauf, daß sich die Aktivität dem Ende dieser turbulenten Phase nähert, in der das gas-förmige Rohmaterial für Sterne verbraucht wird.

Literatur:

„Rapid Build-up of the Stellar Content in the Protocluster Core SPT2349 −56 at Z = 4.3“

Ryley Hill, Scott Chapman, Kedar A. Phadke, Manuel Aravena, Melanie Archipley, Matthew L. N. Ashby, Matthieu Bethermin, Rebecca E. A. Canning, Anthony Gonzalez, Thomas R. Greve, Gayathri Gururajan, Christopher C. Hayward, Yashar Hezaveh, Sreevani Jarugula, Duncan MacIntyre, Daniel P. Marrone, Tim Miller, Douglas Rennehan, Cassie Reuter, Kaja M. Rotermund, Douglas Scott, Justin Spilker, Joaquin D. Vieira, George Wang and Axel Weiß

Monthly Notices of the Royal Astronomical Society 512, 4352–4376 (2022)

oder

arXiv:2109.04534v2 [astro-ph.GA] 7 Apr 2022