Weekly Science Update – Übersetzt von Harald Horneff
(Originalartikel unter www.cfa.harvard.edu)
Die meisten Galaxien finden sich in Clustern, die wenige bis viele tausend Objekten enthalten. Unsere Milchstraße beispielsweise gehört zur Lokalen Gruppe, einem Cluster von circa fünfzig Galaxien, dessen anderes großes Mitglied die rund 2.3 Millionen Lichtjahre entfernt gelegene Andromeda-Galaxie ist. Galaxiencluster sind die massereichsten gravitativ gebundenen Objekte im Universum und bilden sich (gemäß gegenwärtiger Vorstellungen) „von unten nach oben“, wobei sich kleinere Strukturen zuerst entwickeln und größere Gruppierungen sich später in der kosmischen Geschichte zusammenfügen.
Astronomen haben massereiche Galaxiencluster entdeckt, von denen einige mehr Masse besitzen als hundert Milchstraßen zusammen, die aus einer Zeit von nur ungefähr drei Milliarden Jahren nach dem Urknall stammen und deren Sterne sich zu noch früheren Zeiten bilden mußten. Im heutigen Universum entstehen Cluster noch immer durch hierarchische Prozesse, etwa durch Verschmelzungen mit benachbarten Clustern. Astronomen arbeiten daran, Clusterbildung und Clusterentwicklung besser zu verstehen, zum Teil deshalb, da Einzelheiten hierzu auch helfen werden, kosmologische Parameter und die Eigenschaften der Dunklen Materie einzuschränken.
CfA-Astronom Felipe Andrade-Santos war Mitglied in einem Team, das Abell 959 untersuchte, ein Galaxiencluster, dessen Masse in etwa der Masse von 3000 Milchstraßen entspricht und der gut drei Milliarden Lichtjahre entfernt liegt. Sämtliche Prozesse, die zur Bildung von Clustern wie Abell 959 wichtig sind, führen Energie durch Schockwellen ab. Zu diesen Prozessen zählen zum Beispiel Verschmelzungen, Akkretion von Masse und Phänomene, die in Zusammenhang mit supermassereichen Schwarzen Löchern in galaktischen Kernen stehen. Solche Schockwellen wiederum erzeugen großräumige, diffuse Strahlungsstrukturen, wenn Elektronen in dem heißen Gas beschleunigt werden und strahlen; diese Strukturen (Radiorelikte genannt) können mit Radioteleskopen untersucht werden. Gasturbulenz im Cluster nach der Verschmelzung erzeugt ebenfalls Radiostrukturen – die man als Riesen-Radiohalos bezeichnet. Abell 959 offenbart ein Radiorelikt mit einer Länge von zwölfhundert und einer Breite von fünfhundert Lichtjahren als auch einen Riesen-Radiohalo.
Die Forscher analysierten die Strukturen von Abell 959 und verglichen sie mit einer Auswertung von ungefähr achtzig anderen bekannten Radiohalosystemen, um konkurrierende Theorien der Clusterentwicklung zu testen und zu verfeinern. Das Team hat festgestellt, daß das gegenwärtige Modell turbulenter Wiederbeschleunigung von Elektronen mit ihren Ergebnissen in Einklang steht und zudem neue Simulationen der Clusterbildung sich in guter Übereinstimmung mit ihren Beobachtungen befinden. Insgesamt festigen ihre Ergebnisse das Vertrauen in Modelle, wie sich massereiche Galaxiencluster bilden.
Literatur:
“A Massive Cluster at z = 0.288 Caught in the Process of Formation: The Case of Abell 959”
L. Bîrzan, D. A. Rafferty, R. Cassano, G. Brunetti, R. J. van Weeren, M. Brüggen, H. T. Intema, F. de Gasperin, F. Andrade-Santos, A. Botteon, H. J. A. Rottgering, and T. W. Shimwell
Monthly Notices of the Royal Astronomical Society 487, 4775, 2019
oder
arXiv:1905.10156v1 [astro-ph.CO] 24 May 2019