Das supermassereiche Schwarze Loch in unserer Galaxis

Weekly Science Update – Übersetzt von Harald Horneff

Originalartikel unter https://pweb.cfa.harvard.edu/news)

Eine bildliche Darstellung simulierter Fackelaktivität und Materialwolken um das supermasse-reiche Schwarze Loch im galaktischen Zentrum, Sgr A*. Astronomen, die diese Fackelereignisse gleichzeitig vom Röntgen- bis zum Submillimeterlicht beobachten, berichten, daß das Flackern im Röntgen- und/oder Infrarotbereich etwa 10-30 Minuten vor dem Flackern im Submillimeterbereich auftreten kann, was mit einer Klasse von theoretischen Modellen übereinstimmt
ESO, Gfycat

Das supermassereiche Schwarze Loch (supermassive black hole = SMBH) im Zentrum unserer Galaxis, Sagittarius A*, ist mit nur 4.15 Millionen Sonnenmassen bescheiden groß. Das Event Horizon Telescope (EHT) hat vor kurzem ein spektakuläres Submillimeterbild veröffentlicht, das es im Licht seiner leuchtenden Umgebung zeigt. Viele Galaxien besitzen SMBHs in ihrem Zentrum, die tausendmal größer sind, zum Beispiel der Kern von M87, dessen Bild vom EHT im Jahr 2020 aufgenommen wurde. Aber Sgr A* ist uns mit nur ungefähr fünfundzwanzigtausend Lichtjahren relativ nah, und seine Nähe bietet den Astronomen eine einzigartige Gelegenheit, die Eigenschaften von SMBHs zu untersuchen.

Wenn Gas und Staub langsam in die heiße, scheibenförmige Umgebung eines Schwarzen Lochs eindringen, strahlen sie über das ganze elektromagnetische Spektrum. Die episodische Akkretion und die veränderlichen Strahlungsausbrüche geben Aufschluß über die Art der Akkretion, die Dimensionen und Orte jedes Ereignisses in der komplexen Umgebung des Schwarzen Lochs (im oder in der Nähe des Torus? In einem Teil des Windes?) und darüber, wie die Ereignisse miteinander und mit den Eigenschaften des Schwarzen Lochs, z. B. seinem Spin, zusammenhängen könnten. Jede Wellenlänge enthält eigene Informationen, und eines der wichtigsten Diagnoseinstrumente ist die Zeitdifferenz zwischen Flares bei verschiedenen Wellenlängen, die Aufschluß darüber gibt, an welcher Stelle des Ausbruchs die verschiedenen Produktionsmechanismen auftreten. Sgr A* ist nahe genug, um seit seiner Entdeckung in den 1950er Jahren bei Radiowellenlängen beobachtet zu werden; im Durchschnitt akkretiert Sgr A* Material in sehr geringer Rate, ein paar Hundertstel einer Erdmasse pro Jahr, die jedoch ausreicht, um sowohl Schwankungen als auch dramatischere Flares zu erzeugen.

Die CfA-Astronomen Steve Willner, Giovani Fazio, Mark Gurwell, Joe Hora und Howard Smith und ihre Kollegen haben eine Zeitauswertung der koordinierten, gleichzeitigen Nahinfrarot-, Röntgen- und Submillimeter-Beobachtungen von Sgr A* mit der IRAC-Kamera auf Spitzer, dem Chandra-Röntgen-Observatorium, der NuSTAR-Mission, ALMA und dem GRAVITY-Instrument auf dem Very Large Telescope Interferometer abgeschlossen; die Aktion erforderte eine komplexe Missions-planung und die Reduktion mehrerer Arten von Datensätzen. Flaring-Ereignisse wurden zwischen dem 17. und 26. Juli 2019 beobachtet (leider war das SMA zu dieser Zeit aufgrund von Protesten auf dem Berg abgeschaltet). Das Team stellt fest, dass die Aktivität im Jahr 2019 eine ungewöhnlich hohe Akkretionsrate widerzuspiegeln scheint. Während einige der Ereignisse gleichzeitig beobachtet wurden, erschien das Submillimeter-Flare (ALMA) etwa 20 Minuten nach den Infrarot- und Röntgen-flares (Chandra).

Die Wissenschaftler ziehen drei Szenarien in Betracht: Die Infrarot- und Röntgenstrahlung in diesen Flares entstand durch geladene Teilchen, die sich in starken Magnetfeldern spiralförmig bewegten; die Infrarot- und Submillimeterstrahlung stammte aus diesem ersten Prozeß, aber die Röntgenstrahlung wurde erzeugt, als Infrarotphotonen mit geladenen Teilchen kollidierten, die sich nahe der Lichtgeschwindigkeit bewegten; und schließlich, daß nur die Submillimeterstrahlung aus dem ersten Prozeß stammte und alle anderen Banden durch den zweiten erzeugt wurden. Leider können bodengestützte Beobachtungen nicht kontinuierlich erfolgen, so daß der Zeitpunkt des Strahlungshöhepunkts des Flares im Submillimeter-bereich nicht beobachtet werden konnte, was es schwierig macht, eine Zeitverzögerung zwischen diesem und der Röntgen-strahlung näher zu bestimmen, die auf eine Entstehung an einem anderen Ort oder durch einen anderen Prozeß hinweisen könnte. Das Team, seine Ergebnisse mit früheren Untersuchungen zur Variabilität kombinierend, kommt zu einem wider-spruchsfreien Bild, bei dem die Infrarot- und Röntgenstrahlung durch den zweiten Prozess entstehen, gefolgt von der Submillimeterstrahlung des ersten Prozesses in einem expandierenden, sich abkühlenden magnetisierten Plasma.

Literatur:

„Multiwavelength Variability of Sagittarius A* in 2019 July“

H. Boyce, D. Haggard, G. Witzel, S. von Fellenberg, S. P. Willner, E. E. Becklin, T. Do, A. Eckart, G. G. Fazio, M. A. Gurwell, J. L. Hora, S. Markoff, M. R. Morris, J. Neilsen, M. Nowak, H. A. Smith, and S. Zhang

The Astrophysical Journal 931, 7, 2022

oder

arXiv:2203.13311v1 [astro-ph.HE] 24 Mar 2022