Außergewöhnliche Flares aus dem galaktischen Zentrum (Originalartikel vom 05.10.2018)

Weekly Science Update – Übersetzt von Harald Horneff
(Originalartikel unter www.cfa.harvard.edu)

Ein Blick auf die Region rund um das galaktische Zentrum der Milchstraße – vom Röntgenlicht (blau) bis zum infraroten Licht (rot). Astronomen haben Flare-Ereignisse bei mehreren Wellenlängen gemessen, die von dem genau im Zentrum gelegenen supermassereichen Schwarzen Loch kommen. X-ray: NASA / CXC / UMass / D. Wang et al. Optical: NASA / ESA / STScI / D. Wang et al. IR: NASA / JPL-Caltech / SSC / S. Stolovy


 
Sagittarius A* (Sgr A*), das supermassereiche Schwarze Loch im Zentrum unserer Milchstraße, liegt uns 100 Mal näher als jedes andere supermassereiche Schwarze Loch und ist deshalb ein erstklassiger Kandidat für Untersuchungen, wie Materie während der Akkretion auf Schwarze Löcher strahlt. Jahrzehntelang ist Sgr A* beobachtet worden und über schnelle Veränderungen vom Röntgenlicht bis zum nahen Infrarot (Staub zwischen dem Zentrum der Milchstraße und uns schwächt Signale des optischen Lichts um einen Faktor von über einer Billiarde) sowie bei Submillimeter- als auch Radiowellenlängen wurde berichtet. Die für diese Lichtfluktuation verantwortlichen Mechanismen zu modellieren ist eine unmittelbare Herausforderung für unser Verständnis von Akkretion auf supermassereiche Schwarze Löcher, aber es läßt sich vermuten, daß Wechselbeziehungen zwischen zeitlich dicht beieinander liegenden Flares von verschiedenen Wellenlängen Informationen zur räumlichen Struktur liefern könnten, beispielweise, ob heißeres Material in einer kleineren Zone näher am Schwarzen Loch gelegen ist. Einer der wesentlichsten Hindernisse, um voranzukommen, liegt im Mangel an gleichzeitig stattfindenden Beobachtungen bei verschiedenen Wellenlängen.
Die CfA-Astronomen Giovanni Fazio, Joe Hora, Steve Willner, Matt Ashby, Mark Gurwell und Howard Smith haben mit einem Kollegenteam eine Serie von Beobachtungskampagnen bei einer Reihe von Wellenlängen durchgeführt, bei denen an Bord des Spitzer-Weltraum-Teleskops die IRAC-Kamera sowie das Chandra-Röntgen-Observatorium als auch das bodengebundene Keck-Teleskop und das Submillimeter Array zum Einsatz kamen. Spitzer konnte die Änderungen des Schwarzen Lochs ohne Unterbrechung für 23.4 Stunden während jeder Beobachtungsperiode aufzeichnen, etwas, daß kein erdgebundenes Observatorium durchzuführen in der Lage ist und etwas, daß Wissenschaftler zuverlässig ermöglicht, langsame Veränderungen zu entdecken (im Unterschied zu kurzen Ausbrüchen).
Rechenmodelle für die Strahlung aus der Umgebung eines Schwarzen Lochs zu erstellen ist ein komplexes Unterfangen, das unter anderem Simulationen erfordert, wie das Material akkretiert, aufgeheizt und strahlen wird, und (da all dies in der Nähe eines vielleicht rotierenden Schwarzen Lochs geschieht) was die Allgemeine Relativitätstheorie darüber voraussagt, wie die Strahlung für entfernte Beobachter aussehen wird. Theoretiker vermuten, daß Strahlung kürzerer Wellenlänge näher am Loch entsteht und zuerst erzeugt wird, kühlere Strahlung hingegen weiter außen und danach gebildet wird. Daher könnte eine Zeitverzögerung die Entfernung zwischen diesen Zonen wiedergeben und tatsächlich fanden frühere Beobachtungskampagnen, einige von diesem Team organisiert, Hinweise, daß heißes, nahinfrarotes Flackern den vom Submillimeter Array beobachteten Submillimeter-Flares vorausgingen. In ihrer neuen Arbeit berichten die Forscher von zwei Flares, die offenbar diese und andere vorangegangene Verhaltensmuster verletzen: das erste Ereignis trat bei allen Wellenlängen gleichzeitig auf; im zweiten Fall folgten die Röntgen-, nahinfraroten und Submillimeter-Flares einander innerhalb einer Stunde, nicht ganz zeitgleich, aber immerhin unerwartet dicht beieinander. Die neuen Beobachtungen werden mit zukünftigen zeitgleich stattfindenden Kampagnen ausgeweitet und werden Theoretikern helfen, ihren immer noch auf Vermutung beruhenden Satz an Auswahlmöglichkeiten weiterzuentwickeln.
Literatur:
„Multiwavelength Light Curves of Two Remarkable Sagittarius A* Flares“
G. G. Fazio, J. L. Hora, G. Witzel, S. P. Willner, M. L. N. Ashby, F. Baganoff, E. Becklin, S. Carey, D. Haggard, C. Gammie, A. Ghez, M. A. Gurwell, J. Ingalls, D. Marrone, M. R. Morris, and H. A. Smith
The Astrophysical Journal 864, 58, 2018
oder
arXiv:1807.07599v1 [astro-ph.HE] 19 Jul 2018