Astronomie ohne Teleskop – Hintergrundstrahlung

Von Steve Nerlich in Universe Today – Übersetzt von Harald Horneff

Das Herschel-Weltraum-Teleskop sieht Tausende von Galaxien durch das Lockman-Loch. Quelle: ESA


 
Sie haben sicherlich schon von der kosmischen Mikrowellen-Hintergrundstrahlung gehört, aber mit dieser Strahlung endet das Ganze nicht. Der bislang nicht meßbare kosmische Neutrino-Hintergrund wartet da draußen, um uns einen Blick auf die ersten Sekunden nach dem Urknall zu erlauben. Und zusätzlich gibt es noch weitere Hintergrundstrahlung im elektromagnetischen Spektrum – die alle zum extragalaktischen Hintergrundlicht (extragalactic background light oder EBL) beitragen.
Das EBL ist die Summe allen Lichts, das jemals von allen Galaxien zu allen Zeiten abgestrahlt wurde. Es ist zumindest das Licht ab dem Zeitpunkt, ab dem Sterne und Galaxien erstmals existierten – also nach dem dunklen Zeitalter, das der Freisetzung der kosmischen Mikrowellen-Hintergrundstrahlung folgte.
Die kosmische Mikrowellen-Hintergrundstrahlung wurde etwa 380.000 Jahre nach dem Urknall freigesetzt. Das sich anschließende dunkle Zeitalter könnte 750 Millionen Jahre gewährt haben, bis sich die ersten Sterne und Galaxien bildeten.
Für das gegenwärtige Zeitalter schätzt man, das die kosmische Mikrowellen-Hintergrundstrahlung in etwa 60 Prozent der Photonendichte der gesamten Hintergrundstrahlung im sichtbaren Universum ausmacht. Die verbleibenden 40 Prozent bildet die EBL, Strahlung, die von Sternen und Galaxien beigesteuert wurde, welche seither existieren.
Dies gibt über den gewaltigen Lichtausbruch, den die kosmische Mikrowellen-Hintergrundstrahlung darstellt, Aufschluß, auch wenn sie über die nachfolgenden 13.7 Milliarden Jahre ins fast Unsichtbare rotverschoben wurde. Das EBL wird von optischer und infraroter Hintergrundstrahlung beherrscht; ersteres ist Sternenlicht, letzteres stammt von Staub, welcher durch dieses Sternenlicht aufgeheizt und in Form infraroter Strahlung wieder abgestrahlt wurde.
So wie uns die kosmische Mikrowellen-Hintergrundstrahlung etwas über die Entwicklung des frühen Universums erzählen kann, so kann uns auch der kosmische Infrarot-Hintergrund etwas über die nachfolgende Entwicklung des Weltalls offenbaren – besonders über die Bildung der ersten Galaxien.

Die Leistungsdichte der universellen Hintergrundstrahlung, aufgetragen über die Wellenlänge. Der kosmische Mikrowellen-Hintergrund, der wegen seines Alters beträchtlich rotverschoben ist, spielt noch immer die beherrschende Rolle. Der Rest, die extragalaktische Hintergrundstrahlung, wird von optischer und infraroter Strahlung beherrscht. Diese besitzt eine Leistungsdichte, die um mehrere Größenordnungen über der verbleibenden Strahlung liegt.


 
Die Photodetector Array Camera and Spectrometer (PACS) Evolutionary Probe ist ein Vorhaben am Herschel-Weltraum-Teleskop mit garantierter Beobachtungszeit. Garantiert bedeutet, daß immer ein bestimmter Anteil an Teleskopzeit für dieses Projekt bereitgestellt wird, ungeachtet anderer Schwerpunkte. Das PACS Evolutionary Sonden(=Probe)projekt, kurz PEP, hat zum Ziel, den kosmischen Infrarothintergrund in ziemlich staubfreien Gebieten des Himmels zu untersuchen. Zu diesen Bereichen am Himmel gehören: das Lockman-Loch, die Great Observatories Origins Deep Survey (GOODS) Felder und das Cosmic Evolution Survey (COSMOS) Feld.
Das Herschel-PEP-Projekt sammelt Daten zur Bestimmung der Strahlung im Ruhebezugssystem der Galaxien bis zu einer Rotverschiebung von etwa z = 3. Bei diesem Wert beobachtet man Galaxien, als das Universum etwa 3 Milliarden Jahre alt war. Strahlung im Ruhebezugssystem bedeutet, daß man eine Abschätzung der Eigenschaft der Strahlung, die von diesen frühen Galaxien emittiert wurde, vornimmt, bevor die Strahlung durch die erfolgte Ausdehnung des Universums rotverschoben wurde.
Die Daten deuten darauf hin, daß infrarotes Licht etwa die Hälfte zum gesamten extragalaktischen Hintergrundlicht beisteuert. Betrachtet man sich aber die gegenwärtige Ära des lokalen Universums, so trägt das infrarote Licht nur etwa ⅓ bei. Dies läßt vermuten, daß in der fernen Vergangenheit mehr infrarote Strahlung erzeugt wurde als in der heutigen Zeit.
Ursache dafür könnte sein, daß frühere Galaxien mehr Staub enthielten – während jüngere Galaxien weniger davon enthalten. So haben z. Bsp. elliptische Galaxien nahezu keinen Staub und geben fast kein infrarotes Licht ab. Dagegen strahlen leuchtkräftige infrarote Galaxien (LIRGs) sehr kräftig im Infrarot, aber nicht so stark im Optischen. LIRGs besitzen, vermutlich einen hohen Staubanteil.
LIRGs in der heutigen Zeit könnten das Ergebnis galaktischer Verschmelzungen sein. Dabei wird ein neuer Vorrat an ungebundenem Staub in das Verschmelzungsprodukt eintragen und dadurch neue Sternentstehung angetrieben. Das Verschmelzungsprodukt könnte in seinem Aussehen annähernd den Galaxien im frühen Universum vergleichbar sein.
Staubfreie, elliptische Galaxien sind vermutlich der evolutionäre Schlußpunkt einer galaktischen Verschmelzung und durch das Fehlen jedweden neuen Materials enthalten diese Galaxien nur alternde Sterne.
So scheint es, daß eine wachsende Zahl an elliptischen Galaxien in unserem Hinterhof ein Zeichen dafür ist, daß wir in einem Universum leben, das die frische, infrarote Blüte seiner Jugend verliert.
Weiterführende Literatur (im Internet zu finden):
arXiv:1106.3070v1
S. Berta et al.
Building the cosmic infrared background brick by brick with Herschel / PEP (2011)