Von Steve Nerlich in Universe Today – Übersetzt von Harald Horneff
Beim Konzept der beschleunigten Expansion kann man sich nur wundern, wie schnell das Universum durch diese Expansion zu einem Ende kommen kann. Theoretiker vermuten, daß die Expansionsrate so groß werden kann, um einen Big Rip (= zerreißt das Raum-Zeit-Gewebe) zu erzeugen. Oder könnte es, nach ein bißchen Trickserei mit der Mathematik, nur ein Little Rip werden? Quelle: NASA
Eine von vielen scheinbar unglaubwürdigen Eigenschaften der Dunklen Energie ist die, daß man ihre Dichte über die Zeit als konstant vermutet. Obwohl das Universum sich mit der Zeit ausdehnt, dünnt sich die Dunkle Energie anders als die restlichen Bestandteile des Universums nicht aus.
Während sich das Universum ausdehnt, scheint immer mehr Dunkle Energie aus dem Nichts aufzutauchen, um die Dichte der Dunklen Energie im Universum konstant zu halten. Und so wird mit fortschreitender Zeit die Dunkle Energie zu einem zunehmend dominanteren Anteil im beobachtbaren Universum werden – wobei man sich erinnern sollte, daß sie bereits jetzt auf 73% geschätzt wird.
Man könnte einfach voraussetzen, daß die Dunkle Energie ein schon dem Gewebe der Raumzeit innewohnender Bestandteil ist. Wenn also das Universum expandiert und die Ausdehnung der Raumzeit anwächst, so wächst automatisch die Dunkle Energie an und ihre Dichte bleibt konstant. Dies geht so lange gut, solange wir zur Kenntnis nehmen, daß die Dunkle Energie keine wirkliche Energie ist – da unsere andererseits höchst zuverlässigen drei Gesetze der Thermodynamik es offensichtlich nicht gestatten, daß sich Energie in dieser Form verhält.
Eine einfache Lösung, um die gleichförmige Beschleunigung der Ausdehnung des Universums zu erklären ist anzunehmen, daß Dunkle Energie die Eigenschaft eines negativen Drucks besitzt – wobei der negative Druck eine der Expansion innewohnende Eigenschaft ist.
Wendet man diese obskure Logik auf die Ausführungen an, weist die beobachtete, offensichtliche Flachheit der Geometrie des Universums darauf hin, daß das Verhältnis aus Druck und Dichte der Dunklen Energie näherungsweise 1, richtiger vielmehr -1 ist, da wir von einem negativen Druck ausgehen. Diese Beziehung ist als Zustandsgleichung der Dunklen Energie bekannt.
Spekuliert man darüber, was in der Zukunft des Universums geschehen könnte, ist es am einfachsten anzunehmen, daß die Dunkle Energie gerade das ist, was sie ist und das das Verhältnis von Druck zu Dichte für immer bei -1 aufrechterhalten wird; was auch immer das bedeuten mag.
Kosmologen sind selten dabei glücklich, Dinge einfach nur so auf sich beruhen zu lassen und haben deshalb darüber spekuliert, was passieren könnte, wenn die Zustandsgleichung nicht bei -1 verbleibt.
Drei Zukunftsszenarien, angetrieben von der Dunklen Energie – ihre Dichte nimmt mit der Zeit ab, sie bleibt gleich oder die Dichte nimmt zu und zerreißt die Bestandteile des Universums. Versteht man aber die Dunkle Energie nur als mathematisches Konstrukt, das wächst, wenn die Ausdehnung der Raumzeit zunimmt, dann ist die kosmologische Konstante eine Alternative.
Wenn die Dichte der Dunklen Energie mit der Zeit abnimmt, würde sich die Beschleunigungsrate der universellen Ausdehnung verringern und womöglich zum Stillstand kommen, wenn das Verhältnis von Druck zu Dichte den Wert – ⅓ erreicht. Wenn andererseits die Dichte der Dunklen Energie anwächst und das Druck/Dichte-Verhältnis unter -1 fällt (also in Richtung -2 oder -3 u.s.w.), dann erhält man Phantomenergieszenarien. Phantomenergie ist eine Dunkle Energie, deren Dichte mit der Zeit an wächst. Erinnern wir uns aber, daß das Phantom eine erfundene Eigenschaft ist.
Wenn das Universum expandiert und wir ein Anwachsen der Phantomenergiedichte zulassen, nähert sie sich möglicherweise innerhalb endlicher Zeit dem Wert unendlich und verursacht einen Big Rip, während das Universum unendlich groß wird und alle gebundenen Strukturen werden, bis hinab zu den subatomaren Teilchen, auseinandergerissen. Bei einem Druck/Dichte-Verhältnis von knapp -1.5 könnte sich dieses Szenario über einen Zeitraum von kaum mehr als 22 Milliarden Jahre abspielen.
Frampton et al. schlagen ein alternatives Little Rip Szenario vor, bei dem das Verhältnis von Druck zu Dichte über die Zeit veränderlich ist, so daß gebundene Strukturen trotzdem auseinandergerissen werden, aber das Universum nicht unendlich groß wird.
Der Vorschlag könnte das Modell eines zyklischen Universums stützen, denn es umgeht Probleme mit der Entropie. Ein hypothetisches, im Big Bang / Big Crunch-Zyklus (= Urknall / Großes Zermalmen) wiederkehrendes Universum hat ein Entropieproblem, da Freie Energie verloren geht, wenn alles gravitativ gebunden wird – so daß man am Ende des Crunch bei einem gigantischen Schwarzen Loch ankommt.
Ein Little Rip gibt uns vielleicht die Möglichkeit für einen Neuanfang der Entropie, da durch den Rip alles zerrissen wurde und die Entropie kann sich so aus dem Nichts durch den langen Prozeß der gravitativen Bindung ganz von Anfang an entwickeln – und bei diesem Ablauf neue Sterne und Galaxien hervorbringen.
Wie auch immer, es ist Sonntagmorgen – Zeit für einen Big Brunch.
Weiterführende Literatur (im Internet zu finden unter):
arXiv:1106.4996v1
Paul H. Frampton, Kevin J. Ludwick and Robert J. Scherrer
The Little Rip (2011)