Astronomie ohne Teleskop – Exoplaneten, Wetterbericht

Eine ausführliche, von Showman et al. zusammengestellte Literaturübersicht fasst die dürftigen Beobachtungsdaten zusammen, die über Atmosphären von Exoplaneten vorhanden sind. Basierend auf Beispielen aus dem Sonnensystem und den dazugehörigen Theorien untersucht der Artikel dann im Detail, wie Atmosphären von Exoplaneten aufgebaut sein könnten.
Wichtige Größen eines Exoplaneten wie dessen solarer Strahlungsfluß, seine Eigenrotation oder seine Größe sind alle mit derzeitigen oder absehbaren Technologien (wie dem James Webb Raumteleskop) potentiell meßbar. Dies erlaubt einige zuverlässige Abschätzungen über das Verhalten der äußeren Atmosphäre eines Exoplaneten – und wir können mit fortschreitenden Technologien erwarten, solche Abschätzungen durch Beobachtung zu bestätigen oder zu widerlegen.
Der Versuch, das Verhalten der Atmosphäre eines heißen Jupiters zu bestimmen ist angesichts der Tatsache, daß wir in unserem Sonnensystem keinen Präzedenzfall zur Hand haben, äußerst knifflig. Ein heißer Jupiter ist ein Gasriese, der seinen Stern so nah umkreist, daß er entweder gebunden oder in einer niedrigen Bahnresonanz rotiert.
Doch mit Venus haben wir ein Modell, das zwar nicht gebunden rotiert, aber dennoch eine so kleine Rotationsrate (einmal alle 243 Erdentage) aufweist, daß ihre Dynamik praktisch der Dynamik eines gebunden rotierenden Planeten entspricht.
Interessanterweise ist die obere Atmosphäre der Venus superrotierend. Das bedeutet, die Atmosphäre dreht sich in die gleiche Richtung wie der Planet, aber sehr viel schneller – im Falle der Venus mit der 60-fachen Geschwindigkeit, mit der der Planet rotiert. Denkbar ist, daß diese Winde von dem großen Temperaturgefälle angetrieben werden, das zwischen der Tag- und Nachtseite des Planeten herrscht.
Im Gegensatz dazu weist die Erde mit ihrer schnellen Rotation eine wesentlich geringere Differenz zwischen den Tag- und Nachttemperaturen auf. Als Folge davon werden die Wettersysteme der Erde viel stärker sowohl von der tatsächlichen Planetenrotation als auch von dem Temperaturunterschied zwischen Äquator und Pol beeinflußt. Hieraus folgen viele, sich drehende Wettersysteme, deren Drehrichtung vom Corioliseffekt bestimmt wird – auf der nördlichen Hemisphäre gegen den Uhrzeigersinn und auf der südlichen Hemisphäre im Uhrzeigersinn.
Nun gibt es im Sonnensystem auch Gasriesen, auch wenn diese nicht heiß sind. Deren Entfernung zur Sonne ist aber so groß, daß die Temperaturunterschiede zwischen Tag- und Nachtseite und zwischen Äquator und Pol wenig Einfluß auf die Zirkulation der Atmosphäre unserer Gasriesen nehmen. Viel bedeutsamer ist die Wirkung, die der jeweilige Planet durch Rotationsgeschwindigkeit und Größe auf seine Atmosphäre ausübt.
Der größere Radius von Jupiter und Saturn übertrifft deren Rhines-Kennzahl (eine nach Prof. Rhines benannte Größe in der Fluid-Mechanik) und zwingt so den größten Teil ihrer Atmosphären, sich in ausgeprägte Bänder aufzulösen, zwischen denen turbulente Wirbel bestehen. Die kleineren Radien von Uranus und Neptun erlauben dem Hauptteil der Atmosphäre als Ganzes zu rotieren und sind nur an jedem Pol in zwei kleinere Bänder aufgebrochen.
Teilweise weil er kälter, aber hauptsächlich weil er kleiner ist, weist die Atmosphäre des Neptun eine wesentlich geringere turbulente Strömung als Jupiter auf – dies erklärt zum Teil, warum Neptun von allen Planeten im Sonnensystem die höchsten Windgeschwindigkeiten in der Stratosphäre hat.
Bild: Rhines-Zahl
Die Rhines-Zahl, angewandt auf die Gasriesen des Sonnensystems, sagt voraus, daß die rotierende Atmosphäre auf Planeten mit großem Radius (Jupiter und Saturn) in einzelne Bänder aufbricht, dies aber nicht bei Planeten mit kleinerem Radius (Uranus und Neptun) eintritt. Quelle: Showman et al. 2010
Versucht man zu bestimmen, wie sich die Atmosphäre eines heißen Jupiters verhalten könnte, sind all diese Einzelheiten nützlich. Da sie sehr dicht bei ihrem Mutterstern stehen, ist es wahrscheinlich, daß diese Planeten teilweise oder sogar völlig gebunden rotieren – sodaß die Hauptantriebsfeder für deren atmosphärische Zirkulation wie bei der Venus die Temperaturdifferenz von Tag- zur Nachtseite sein wird. Zudem ist eine superrotierende Stratosphäre, die sich viel schneller als die inneren Bereiche des Planeten dreht, durchaus plausibel.
Zudem lassen Modelle darauf schließen, daß die Kombination aus großer Windgeschwindigkeit und niedriger Rotation die Rhines-Zahl größer werden läßt als dies bei einem Planetenradius von der Größe des Jupiter der Fall wäre. Deshalb treten weniger turbulente Bewegungen auf und die obere Atmosphäre könnte als Ganzes zirkulieren, ohne in die vielen Bänder zu zerfallen, die wir bei Jupiter beobachten.
Von Steve Nerlich in Universe Today – Übersetzt von Harald Horneff