Von Steve Nerlich in Universe Today – Übersetzt von Harald Horneff
Wollen sie auch einmal himmlische Objekte zusammenbauen? Es klingt eigentlich ganz einfach – man nehme eine große Wolke aus Staub und verpasse ihr einen Stoß, so daß sie zu rotieren und Material aufzusammeln beginnt. Man endet schließlich bei einem Stern, in dessen Umlaufbahn sich ein paar Verdichtungen aus Staub befinden, die weiter Material aufsammeln, um letztlich Planeten zu bilden.
Es gibt leider nur ein Problem. Ein solcher Prozeß scheint physikalisch nicht möglich zu sein – oder zumindest können die gebräuchlichen theoretischen Modelle und Laborsimulationen diesen Ablauf nicht nachbilden. Das Problem sind die anfänglich auftretenden kleinskaligen Akkretionsschritte.
Staubteilchen scheinen, wenn sie sehr klein sind, auf Grund der elektrostatischen und van-der-Waals-Kräfte leicht aneinander zu kleben und sich stetig auf bis zu mm und sogar cm große Körnchen auf-zubauen. Aber mit Erreichen dieser Größe verlieren diese zusammenhaltenden Kräfte an Einfluß und die Körnchen sind noch zu klein, um eine wirksame gravitative Anziehung hervorzubringen. Ihre Wechselwirkung entspricht mehr einer Stoßkollision, die meist darin endet, daß Teilchen von den Stoßpartnern absplittern und diese so eher beginnen, wieder kleiner zu werden.
Dieses astrophysikalische Problem ist als „Meter-Barriere“ bekannt.
Aber zunehmend finden Theoretiker Wege, die Meter-Barriere zu umgehen. Zunächst kann es schon ein Fehler sein, mit einer gleichförmigen Staubwolke zu beginnen, in der sich gleichmäßig über die ganze Wolke hinweg spontane Akkretion einstellt.
Gegenwärtig glaubt man, daß eine nah gelegenen Supernova oder ein nah vorbeiziehender Stern die Entwicklung einer Staubwolke zu einer stellaren Kinderstube auslöst. Dies unterstützt die Bildung von Turbulenzen, die in einer Staubwolke Strudel und Wirbel hervorrufen, die die örtliche Akkretion kleiner Teilchen zu größeren Teilchen begünstigen. Anstatt von einer einheitlichen Staubwolke aus zu einer gleichmäßigen Ansammlung von sehr kleinen Körnchen zu kommen, gibt es eher die Chance, daß sich hier und da zusammengewachsene Objekte formen.
Man kann aber auch annehmen, daß alles, was sich ereignen kann, auch unvermeidlich geschieht. Innerhalb einer riesigen Staubwolke, die mehrere Hundert Astronomische Einheiten im Durchmesser haben könnte, wird über mehrere Millionen Jahre eine große Variationsbreite an Wechselwirkungen möglich werden. Wenn auch mit einer 99.99 %gen Wahrscheinlichkeit kein Objekt zu einer Größe von mehr als einem Meter anwachsen kann, so gibt es doch irgendwo in der riesigen Staubscheibe ein Gebiet, in dem genau das geschehen kann.
So oder so: hat man erste Keimlinge, übernimmt, so die Vermutung, der Schneeballeffekt die weitere Entwicklung. Wenn ein angewachsenes Objekt eine gewisse Masse erlangt, wird seine Trägheit dazu führen, schwächer in den turbulenten Fluß der Wolke eingebunden zu sein. Mit anderen Worten, das Objekt wird beginnen, sich durch und weniger mit dem turbulenten Staub zu bewegen. Unter diesen Umständen wird sich das Staubkorn wie ein Schneeball verhalten, der einen schneebedeckten Hügel hinab rollt, und während es durch die Staubwolke pflügt, Staubschicht um Staubschicht anlagern – und seinen Durchmesser vergrößern (daher die Bezeichnung Schneeballeffekt).
Die Zeitspanne, um einen solchen schneeballartigen Planetesimal mit einem Radius von 100 m bis zu 1000 km aufzubauen, ist lang. Die Rechenmodelle besagen, daß eine Zeitspanne Tsnow zwischen 1 und 10 Millionen Jahre für den Aufbau solcher Planetenbausteine benötigt wird.
Es ist auch gelungen, Planetenbildung in einem Binärsystem nachzustellen. Unter Verwendung von Bahnparametern, die denen des Binärsystem Alpha Centauri A und B entsprechen, kommt man zu dem Ergebnis, daß der Schneeballeffekt effizienter arbeitet. Tsnow beträgt vermutlich nicht mehr als eine Million Jahre.
Wenn sich erst einmal 100 km große Planetesimale geformt haben, würden diese bei Kollisionen nicht zerstört. Bei dieser Größe erzeugen die Objekte beträchtliche Eigengravitation und Zusammenstöße werden wahrscheinlich eher konstruktiv ablaufen – letztendlich ergeben sich Planeten, die von einer eigenen Trümmerscheibe umkreist werden, aus der sich dann Ringe oder Monde bilden.
Es gibt Hinweise, daß einige Sterne, wie GM Aurigae, Planeten (zumindest Gasriesen) innerhalb von einer Million Jahre formen können, während unser Sonnensystem gemächliche 100 Millionen Jahre von der Geburt der Sonne bis zur vollständigen Bildung der heutigen Gesteins-, Gas- und Eisplaneten aus der Staubscheibe gebraucht hat.
Die Chance, daß die Schneeballtheorie zu einem besseren Verständnis der Planetenbildung beiträgt ist größer, als die Chance für einen Schneeball in der Hölle zu überleben.
Weiterführende Literatur (im Internet zu finden unter):
Ji-Wei Xie, Matthew J. Payne, Philippe Thebault, Ji-Lin Zhou & Jian Ge