Weekly Science Update – Übersetzt von Harald Horneff
(Originalartikel unter https://pweb.cfa.harvard.edu/news)
Vor über dreißig Jahren entdeckte der Infrared Astronomy Satellite, daß das Universum viele, fast unsichtbare, aber enorm leuchtkräftige Galaxien enthält – einige von ihnen sind mehr als tausend Mal heller als unsere eigene Milchstraße. Diese Galaxien leuchten vor allem im Infraroten, angetrieben von dramatischen Ausbrüchen der Sternentstehung, die tief in Wolken aus Staub und molekularem Gas verborgen sind. Der Staub absorbiert das von den heißen jungen Sternen ausgesandte ultra-violette Licht, verdunkelt das optische Licht und strahlt die Energie im fernen Infrarot wieder ab. Diese Wellenlängen sind etwa hundertmal länger als die optischen Wellenlängen und sind durch kühle Temperaturen von etwa 40 Kelvin gekenn-zeichnet. Astronomen vermuten, daß die Hyperaktivität zumindest in einigen Fällen durch Kollisionen zwischen Galaxien ausgelöst wird, die den Kollaps ihrer Gaswolken zu neuen Sternen auslösen.
Kollisionen zwischen Galaxien sind weit verbreitet. Tatsächlich waren die meisten Galaxien im Laufe ihres Lebens wahrscheinlich in eine oder mehrere Begegnungen verwickelt, so daß diese Wechselwirkungen eine wichtige Phase in der Entwicklung der Galaxien und der Entstehung von Sternen im Universum darstellen. (Die Milchstraße zum Beispiel ist durch ihre Schwerkraft an die Andromeda-Galaxie gebunden. Wir nähern uns einander mit einer Geschwindigkeit von etwa 50 Kilometern pro Sekunde und werden uns voraussichtlich in etwa einer Milliarde Jahren begegnen). Man geht davon aus, daß Kollisionen vor etwa zehn Milliarden Jahren sogar noch häufiger vorkamen. Diese Epoche wird manchmal als kosmischer Mittag bezeichnet, weil das Universum in dieser Zeit eine massive Phase der Sternproduktion durchlief – mehr als das Zehnfache der heutigen Rate, wie man nur anhand der starken Infrarotstrahlung dieser Galaxien feststellen kann.
Es gibt jedoch noch andere Möglichkeiten, den Staub zu erwärmen, zusätzlich zum Ultraviolett der Sternentstehung, und eine sorgfältige Berechnung der Heizmechanismen ist erforderlich, um sich der Sternentstehungsraten sicher sein zu können, besonders für Galaxien in der kosmischen Mittagszeit, die so weit entfernt sind, daß die meisten alternativen Bestimmungen der Sternentstehungsrate unpraktisch sind. Eine mögliche alternative Energiequelle ist das supermassereiche Schwarze Loch im Zentrum der Galaxie. Wenn Gas und Staub stürmisch in die Umgebung eines supermassereichen Schwarzen Lochs fällt, können starke Jets geladener Teilchen ausgestoßen werden, und der staubhaltige Torus um das Loch kann sich aufheizen. Diese Objekte werden als aktive galaktische Kerne (engl.: active galactic nucleus = AGN) bezeichnet. Astronomen wissen seit langem, daß die heiße, Röntgenstrahlung aussendende Region um einen AGN Staub enthält, der selbst im Infraroten strahlt. Sie haben jedoch argumentiert, daß das Infrarot durch so hohe Temperaturen gekennzeichnet ist und aus so kleinen Regionen stammt, daß sein Beitrag zur gesamten Ferninfrarot-Emission vernachlässigbar sein sollte.
Die CfA-Astronomen Juan Rafael Martínez-Galarza und Howard Smith sowie ihre Kollegen haben nun gezeigt, daß ein heller AGN unter bestimmten Umständen die Staubstrahlung im fernen Infrarot beherrschen kann. Mittels Simulationen verschmelzender Galaxien zeigen die Astronomen, daß die Strahlung eines hellen AGN in die Galaxie eindringen und den Staub erwärmen kann, obwohl sie in heißem Material entsteht, das sich über nur einige hundert Lichtjahre ausdehnt und im fernen Infrarot strahlt. Indem sie die simulierte Aktivität des AGN künstlich ein- und ausschalten, um die Auswirkungen zu quantifizieren, zeigen die Wissenschaftler, daß die Verschmelzung massereicher Galaxien dazu führen kann, daß der vom AGN erwärmte Staub die kühle Emission im fernen Infrarot in der Galaxie um einen Faktor von vier dominiert. Die anhand der Leuchtkraft im fernen Infrarot geschätzten Sternentstehungsraten dieser Objekte sind falsch, wenn sie nicht um diesen großen Faktor korrigiert werden. Das Team schlägt spektroskopische und bildgebende Methoden vor, um diese Fälle anhand von Signaturen ionisierter Atomlinien und räumlicher Morphologien zu identifizieren.
Literatur:
“Dust-enshrouded AGNs Can Dominate Host-galaxy-scale Cold Dust Emission”
Jed McKinney, Christopher C. Hayward, Lee J. Rosenthal, Juan Rafael Martínez-Galarza, Alexandra Pope, Anna Sajina, and Howard A. Smith
The Astrophysical Journal 921, 55, 2021
oder
arXiv:2103.12747v2 [astro-ph.GA] 26 Jul 2021