Was versorgt die leuchtkräftigsten Galaxien mit Energie? (Originalartikel vom 06.07.2018)

Weekly Science Update – Übersetzt von Harald Horneff
(Originalartikel unter www.cfa.harvard.edu)

Das kollidierende Galaxienpaar VV705. Astronomen haben eine Reihe von verschmelzenden Galaxien vermessen, um die relativen Beiträge zur Leuchtkraf
t aus Sternentstehung gegenüber der Akkretion um das supermassereiche Schwarze Loch im Kern zu bestimmen. Für VV705 haben sie gefunden, daß nahezu 75% der Leuchtkraft aus der Sternentstehung herrühren. NASA / Hubble


 
Das kollidierende Galaxienpaar VV705. Astronomen haben eine Reihe von verschmelzenden Galaxien vermessen, um die relativen Beiträge zur Leuchtkraft aus Sternentstehung gegenüber der Akkretion um das supermassereiche Schwarze Loch im Kern zu bestimmen. Für VV705 haben sie gefunden, daß nahezu 75% der Leuchtkraft aus der Sternentstehung herrühren.
NASA / Hubble
Seit langem ist bekannt, daß Wechselwirkungen zwischen Galaxien die Galaxienentwicklung beeinflussen. Es sind weitverbreitete Vorkommnisse und eine große Mehrheit von Galaxien zeigt Anzeichen für Wechselwirkungen, darunter Gezeitenschweife oder andere Verzerrungen ihrer Gestalt. Die spektakulärsten Kollisionen leiten ein Aufleuchten der Galaxien ein, insbesondere im Infraroten, und sie zählen mit zu den leuchtkräftigsten Objekten am Himmel. Ihre Helligkeit erlaubt es, sie in kosmologischen Entfernungen zu untersuchen und dies hilft Astronomen, die Aktivitäten im frühen Universum nachzuvollziehen.
Insbesondere sind zwei Prozesse für die verstärkte Strahlung verantwortlich: Sternentstehungs-ausbrüche oder das Füttern des supermassereichen Schwarzen Lochs im Kern einer Galaxie (ein aktiver galaktischer Kern [Nukleus] – AGN). Auch wenn diese beiden Prozesse im Prinzip sehr unterschiedlich sind und leicht zu unterscheiden sein sollten (beispielsweise erzeugen AGN viel „heißere“ ultraviolette und Röntgenstrahlung), können die Unterscheidungsmerkmale in der Praxis schwach und/oder durch Staub in den Galaxien nicht erkennbar sein. Astronomen nutzen deshalb oft die Form des gesamten Emissionsprofils der Galaxie, vom Ultravioletten bis hin zum fernen Infrarot (ihre spektrale Energieverteilung = SED [spectral energy distribution]), um fest-zustellen, was dort vor sich geht. Der Staub, der viel von dieser Strahlung absorbiert, gibt diese wieder bei längerwelligem Infrarotlicht ab und mit Hilfe von Computerprogrammen können die zahlreichen physikalischen Effekte modelliert und enträtselt werden.
Falls Sternentstehungsausbrüche für die Bereitstellung der Energie bei leuchtkräftigen Galaxien im frühen Universum verantwortlich waren, dann könnten viele der heutigen Sterne bei solchen Ereignissen entstanden sein, aber wenn AGN vorherrschen, dann hätten mehr abströmende Jets und weniger neue Sterne vorhanden sein sollen. Die CfA-Astronomen Jeremy Dietrich, Aaron S. Weiner, Matt Ashby, Rafael Martínez-Galarza, Andrés Ramos-Padilla, Howard Smith, Steve Willner sowie Andreas Zezas untersuchten mit zwei Kollegen vierundzwanzig verhältnismäßig nah gelegene, leuchtkräftige verschmelzende Galaxien, um zu sehen, wie oft und bis zu welchem Grad die Aktivität des AGN die Energieumwandlung antrieb. Die Gruppe extrahierte für diese Galaxien die genauesten SED-Informationen aus dreiunddreißig Spektralbändern von sieben NASA-Missionen und führte Korrekturen für den Hintergrund, Verwechslungen und anderen irrelevanten Signalen durch. Sie setzten dann ein neues Rechenprogramm ein, um die Form der SED anzupassen, den wahrscheinlichsten Wert für den AGN-Beitrag abzuleiten und auch die Sternentstehungsrate, die Staubeigenschaften und zahlreiche andere physikalische Parameter zu messen. Die Forscher testeten die Zuverlässigkeit des Programms durch dessen Einsatz bei Simulationen von Galaxienverschmelzungen und fanden eine ausgezeichnete Übereinstimmung.
Die Astronomen haben festgestellt, daß in ihrer galaktischen Stichprobe der Beitrag des AGN zur Gesamtleuchtkraft bis zu neunzig Prozent erreicht; in anderen Fällen fällt er unter zwanzig Prozent und ist möglicherweise vernachlässigbar. Das Team bemüht sich, die Größenordnung des AGN-Beitrags mit dem Verschmelzungsstadium des Systems zu verknüpfen (vom Beginn bis zu Verschmelzungsstadien), aber ihre geringe Probengröße begrenzt die Allgemeingültigkeit der Folgerungen. Sie dehnen ihre Untersuchung auf mehrere hundert weitere Verschmelzungen aus, um ihre Schlussfolgerungen zu festigen.
Literatur:
“The AGN Luminosity Fraction in Merging Galaxies”
Jeremy Dietrich, Aaron S. Weiner, Matthew L.N. Ashby, Christopher C. Hayward, Juan Rafael Martínez-Galarza, Andrés F. Ramos Padilla, Lee Rosenthal, Howard A. Smith, S.P. Willner, and Andreas Zezas
Monthly Notices of the Royal Astronomical Society 2018 (in press)
oder
arXiv1801.04328v2 [astro-ph.GA] 29 Jun 2018