Dr. Ilka Petermann
In der Antike galt er als König oder gleich als Gott (Abb.1), Modebewussten fällt er wegen seiner eleganten Streifen auf, Sammlernaturen schätzen seine Mondkollektion – und auch all jene, die sich beim Spaghetti-Essen gleich beim ersten Bissen mit roter Tomatensauce bekleckert haben, können mit Finger und Teleskop auf den Riesen verweisen: Jupiter, der größte Planet unseres Sonnensystem und einer, der wirklich immer ganz ‘cool’ bleibt.
Fast zweieinhalb mal so schwer wie alle anderen Planeten unseres Sonnensystem zusammengenommen, rund 143.000 Kilometer im Durchmesser, 79 Monde und ein Magnetfeld, das bis zu 20-mal so stark wie das Erdmagnetfeld ist: das Königskrönchen unseres Planetensystems hat sich der Gasriese Jupiter, nach dem römischen Hauptgott benannt, wahrlich verdient. Und dann strahlt er auch noch so weißgelb und so hell, dass er schon den Babyloniern als ‘Königsstern’ galt.
Richtig prachtvoll geht es auch bei der Beobachtung mit einem Teleskop weiter: man erkennt vielfarbige, fast parallele Streifen – Wirbel und Wolkenbänder in der Atmosphäre des Planeten. Der ‘große rote Fleck’ (von dem man bis heute nicht ganz genau weiß, welche Elemente ihn so auffällig einfärben) ist der größte Wirbelsturm des Sonnensystems, der seit mindestens 200 Jahren, mal etwas größer und mal etwas kleiner, tobt (Abb.2). Vier von Jupiters 79 Monden wurden von Galileo Galilei und Simon Marius im Jahr 1610 beschrieben und ebneten auch den Weg zum Kopernikanischen Weltbild – sah man doch ganz offensichtlich Himmelskörper, die nicht um die so-gerne-im-Zentrum-angenommene Erde, sondern um einen ganz anderen Himmelskörper kreisten. Dass jenes Mondquartett auch als ‘Galileische Monde’ bekannt ist, war übrigens ein astronomisch knappes Ergebnis: so publizierte Galilei seine Beobachtung am 7. Januar 1610 des Gregorianisches Kalenders, Marius am 29. Dezember 1609… allerdings nach dem alten julianischen Kalender. Nach dem Gregorianischen Kalender fiel das Marius’sche Manuskript damit auf den 8. Januar 1610…
Während nun dem mythologischen Jupiter, neben dem ganzen Kompetenzgerangel, das das Hauptgottsein nun mal so mit sich bringt, die Herzen nur so zuflogen, flogen dem Planten Jupiter ganz andere Objekte zu: irdische Raumsonden, die den Gasriesen auf Kern und Hülle untersuchten. Den Anfang machten, noch ziemlich unaufdringlich, die Raumsonden Pioneer 10 und 11, die in den Jahren 1973 und 1974 am Jupiter vorbeiflogen und aus 130.000 bzw. 43.000 Kilometern Entfernung die ersten Nahaufnahmen des Riesenplaneten an die kleine Erde übermittelten. Auch wurden erste Daten über das Magnetfeld des Jupiter gewonnen. Es folgten Vorbeiflüge von Voyager 1 und 2, die Sonnensonde Ulysses kam auf eine Stippvisite vorbei, bevor sie sich Schwung für ihren Weg zu unserem Stern holte. 1995 war es dann mit der Zurückhaltung vorbei: die NASA-Sonde Galileo schwenkte in eine Umlaufbahn um den Planeten ein und nahm die gravitative Gastfreundschaft ganze sieben Jahre in Anspruch. Immerhin hatte Galileo ein ‘Gastgeschenk’ in Form einer Kapsel mitgebracht, die in die Jupiteratmosphäre eintrat und wertvolle Daten zu Temperatur, Druck, Windgeschwindigkeit und chemischer Zusammensetzung lieferte (nach 57,6 Minuten hatte Jupiter genug und das irdische Mitbringsel fand durch 22 bar und 152 °C ein gequetschtes Ende). 2003 suchte sich Galileo dann ein schönes Plätzchen auf dem Jupiter, wo die Sonde kontrolliert zum Absturz gebracht wurde – auch um zu verhindern dass die zunehmend schwieriger zu steuernde Sonde auf den Jupitermond Europa stürzen und diesen womöglich mit irdischen Mikroorganismen ‘verunreinigen’ könnte. Und auch aktuell sitzen wir mal wieder in Jupiters guter Umlaufbahn-Stube: die NASA-Raumsonde Juno /Abb.3) erforscht das Magnetfeld, die Vorgänge in und die Zusammensetzung der Atmosphäre – und ob Jupiter hartherzig ist oder nicht. Oder genauer: bis heute ist nicht genau bekannt, ob Jupiter im Zentrum einen festen Kern besitzt oder ob der Zentralbereich ‘nur’ aus stark verdichtetem flüssigen Wasserstoff besteht.
Das ist nicht nur für das Verständnis von Jupiters Eigenschaften von großem Interesse, sondern führt auf eine ganz grundsätzliche Frage in der Astrophysik: wie entstehen Planeten? Beginnt ein Planet als ‘Staubklötzchen’ das im Laufe der Zeit zu einem so schweren Gesteinsbrocken wird, dass jener schließlich mehr und mehr Gas aufsammelt (‘akkretiert’) bis ein Gasriese entsteht – oder kollabiert in der frühen, sehr gasreichen protoplanetaren Scheibe ein Gebiet unter der eigenen Gravitation und formt so ‘direkt’ einen Gasplaneten. In ersterem Fall wären Gasplaneten dann irgendwie ein ‘Steinobst’, in letzterem eher ein fluffiger Zuckerwatteball ganz ohne festes Zentrum – eine Frage, zu der Juno und Jupiter sicher noch einige astrophysikalisch-appetitliche Erklärungsansätze liefern werden.
Bis zum Jahr 1612 (oder sagen wir 1846) hatten Himmelsbeobachter unser Sonnensystem in vollem Glanz beisammen: die Venus strahlt als (astrophysikalisch natürlich nicht richtig) ‘Morgen- oder Abendstern’ und ist nach dem Mond das hellste Gestirn am Nachthimmel, gefolgt von Jupiter und Mars, der uns mit seinem roten Licht stets grünes Licht für gute Beobachtungen liefert. Merkur und Uranus fordern uns ein bisschen mehr heraus: der sonnennächste Planet ist freiäugig nur für rund eine Stunde am Morgen- oder Abendhimmel zu entdecken und Uranus mischt sich unter die nicht allzu hellen Sterne 6. Größe. Da seine Bahnbewegung auch eher langsam ist, fällt er nicht gleich als ‘Wandelstern’ ins Beobachterauge wie die anderen Planeten des Sonnensystems. Nur Neptun hält sich noch bedeckter: so geht aus Aufzeichnungen von Galileo Galilei zwar hervor, dass er unseren äußersten Planeten am 28. Dezember 1612 beobachtete – doch hielt er das Objekt für einen Jupitermond oder einen Fixstern. Erst 1846 entdeckte der Astronom Johann Gottfried Galle, nach Berechnungen durch Urbain Le Verrier, den Neptun dann als echten Planeten-Mitfahrer des Sonnensystems.
Für die nächsten knapp 150 Jahre blieb unser ordentlich sortiertes Planetensystem das einzig bekannte – und damit auch der Standard beim Verständnis und dem astrophysikalischen Modellieren von Sternsystemen mit Planeten: die kleinen Gesteins-planeten innen, dann die kalten Gasriesen, gefolgt von großen, kühlen Eisriesen. Die Entdeckung der allerersten Exoplaneten (Planeten, die um einen anderen Stern als die Sonne kreisen) um den Pulsar ‘Lich’, einem schnell rotierenden Neutronenstern, im Jahr 1992 ließ dann schon einmal aufhorchen und mit der spektakulären Entdeckung des ersten Exoplaneten um den sonnenähnlichen Stern 51 Pegasi im Jahr 1995 wurde die Diskussion um die Entstehung von Planetensystemen dann richtig heiß.
Bei ihrer Auswertung der Beobachtungsdaten des Sterns 51 Pegasi stießen die Astronomen Michel Mayor und Didier Queloz (beide Nobelpreisträger des Jahres 2019) auf ein Signal, das darauf hindeutete, dass ein Planet sehr großer Masse in einem sehr engen Orbit seinen Zentralstern umrundete. Nun schien das mit dem damaligen Modellen zur Planetensystem-entstehung als eigentlich überhaupt nicht vereinbar: jupiterähnliche Planeten hatten die kühlen, weit entfernten (so um die 5 Astronomischen Einheiten von ihrem Stern) und damit langsamen Joggingrunden (Jupiter braucht für einen Umlauf fast 12 Erdjahre) zugewiesen bekommen, während die schnellen Sprintstrecken ausschließlich den kleinen Gesteinsplaneten vorbehalten blieben. Doch diese bisher gültige Annahme musste tatsächlich etwas erweitert werden: Exoplanet 51 Pegasi b, knapp die Hälfte der Jupitermasse, 0,052 AE von seinem Zentralstern entfernt, braucht gerade einmal 4,2 Tage für eine Umrundung und lässt mit einer Oberflächentemperatur von etwa 980 °C Astronomen (und so ziemlich alles andere auch…) dahinschmelzen. Und so hat er dann auch seine eigene Unterklasse bekommen, jene der ‘Hot Jupiters’, die es in unserem Sonnensystem nicht gibt und auf die man erst einmal verwundert mit Finger und Teleskop zeigte.
Doch schnell wurde klar: andere Sternsysteme, andere Sitten, Hot Jupiters sind gar nicht so selten! Wobei natürlich auch eine Rolle spielt, dass sie durch ihre recht hohe Masse und eine enge Umlaufbahn verhältnismäßig ‘einfach’ entdeckt werden können (z.B. über die Radialgeschwindigkeits- oder die Transitmethode). Von den heute rund 5.000 verifizierten Exoplaneten gehören rund 400 zu Jupiters heißen Cousins – von denen einige über ‘Hot Jupiter Nr. 1’ ein bisschen schmunzeln. So etwa TOI-2109b, der im Rahmen der TESS Mission (Transition Exoplanet Survey Satellite) entdeckt wurde, und dessen bemerkenswerte Eigenschaften auch ganz, ganz schnell aufgezählt werden wollen: fünfmal mehr Masse als Jupiter und 35 Prozent größer als dieser rast TOI-2109b (Abb.4) in nur 16 Stunden um seinen Stern (in einem 20-mal geringeren Abstand als die Distanz Sonne-Merkur!) und heizt sich dabei auf 3000 °C auf (zum Vergleich: die höchsten Temperaturen von Lava bei irdischen Vulkanausbrüchen erreichen 1200 Grad; auf der sonnenzugewandten Seite des Merkur herrschen wohlige 430 °C).
Das geht dann auch nicht spurlos an dem ‘ultraheißen Gasriesen’ vorbei: durch die starke gravitative Wechselwirkung verringert sich die Umlaufzeit jedes Jahr um rund eine Sekunde – bis er in zehn Millionen Jahren schließlich in seinen Zentral-stern stürzt. Und da trumpft dann unser Jupiter wieder auf: langsam und kühl zieht er seine Bahnen, mit 79 Monden im Schlepptau und von ganz feinen Staubringen umgeben. Mit oder ohne Gesteinsherz, mit rotem Knutschfleck oder vielleicht auch irgendwann mal wieder ohne – aber immer mit irdischem Fanclub, der den strahlenden Riesen von einem kleinen, blauen Gesteinsplaneten aus beobachtet.