Riesige, magnetisierte Abströmungen aus unserem galaktischen Zentrum

Weekly Science Update – Übersetzt von Harald Horneff

Ein Falschfarbenbild unserer Milchstraße. Es ist eine Projektion mit dem galaktischen Zentrum in der Bildmitte; die Ebene der Galaxis erstreckt sich entlang des zentralen Bands und die zwei bogenförmigen, durch Emission entstandenen Radiokeulen sieht man sich aus der Ebene heraus nach Norden und Süden ausdehnen. Einige der neu entdeckten magnetischen Strukturen sind beschriftet. Carretti et al. und Nature


 
Vor zwei Jahren berichteten Astronomen des CfA von der Entdeckung riesiger, durch Gammastrahlung verursachter Zwillingskeulen, die etwa 50.000 Lichtjahre nach oben und unten aus der Ebene unserer Milchstraße herausragen und auf das supermassereiche Schwarze Loch im Kern unserer Galaxis ausgerichtet sind. Die Wissenschaftler kamen damals zu dem Schluß, daß die Blasen entweder durch einen Ausbruch irgendwann in der Vergangenheit des Schwarzen Lochs oder aber durch einen Sternentstehungsausbruch in dessen Nachbarschaft erzeugt wurden.
Es zeigt sich nun, daß diese riesigen Blasen aus heißem Gas auch bei Radiowellenlängen gesehen werden können. Neun Astronomen, darunter Gianni Bernardi vom CfA, beschreiben im Journal Nature #493 ihre Entdeckung von gigantischen Keulen aus Radiostrahlung, die vom galaktischen Zentrum ausgehen. Dazu kommt, daß die Strahlung polarisiert ist, eine verbreitete Eigenschaft, die elektromagnetische Strahlung zeigen kann; einige Sonnenbrillen ziehen aus der Polarisation von reflektiertem Sonnenlicht einen Vorteil. Im Fall der Radiowellen liegt die Erklärung für die Polarisation in der Anwesenheit von starken Magnetfeldern.
Die Wissenschaftler berechnen, daß die Radiokeulen, die den Keulen aus Gammastrahlung in ihrer gesamten Ausdehnung fast entsprechen, aber zusätzlich drei gratähnliche Unterstrukturen besitzen, vermutlich durch die Anwesenheit starker Magnetfelder polarisiert sind, Magnetfelder, die sich zu beiden Seiten der galaktischen Ebene über zehntausende von Lichtjahren erstrecken; sie enthalten eine Energiemenge, die nahezu dem gesamten heutigen Energieausstoß der Sonne über einen Zeitraum gleichkommt, der der Lebensdauer des Universums entspricht. Sie liefern Gründe dafür, daß die Aktivitäten eher durch lebhafte Sternentstehungsprozesse als durch die Tätigkeit des Schwarzen Lochs angetrieben werden und daß diese Aktivitäten auf eine Region mit einer Ausdehnung von ungefähr 650 Lichtjahren um das galaktische Zentrum zurückgehen. Schließlich bringen die Forscher vor, daß die Grate oder Rillen, die in der durch das Magnetfeld geformten Abströmung zu sehen sind, das Ergebnis mehrerer Schübe an Sternentstehung sind, die analog einer Schallplatte eine Aufzeichnung der Sternentstehung in dieser Region zumindest über die vergangenen zehn Millionen Jahre darstellt.