Radiogalaxien im fernen Universum

Weekly Science Update – Übersetzt von Harald Horneff

Ein kleiner Ausschnitt einer Hubble-Aufnahme entfernter Galaxien. Eine neue Arbeit hat zu all den Galaxien mit starker Radioemission in der ursprünglichen Aufnahme infrarote Gegenstücke gemessen und untersucht; das erste Mal, daß solch eine vollständige Stichprobe erhalten wurde. NASA / Hubble


Für mehr als ein Jahrzehnt haben Astronomen eine Region am nördlichen Himmel untersucht, nicht weit entfernt von der Deichsel des Großen Wagens, die fast keine hellen Sterne enthält und vom diffusen Leuchten der Milchstraße ziemlich frei ist. Die Wissenschaftler wollten durch den ungetrübten Himmel die Gelegenheit nutzen, jenseits unserer Milchstraße entlegene Galaxien im fernen Universum zu suchen und zu erforschen. Diese Region, etwa halb so groß wie die Winkelausdehnung des Vollmonds, enthält, wie heute bekannt ist, über 50.000 Galaxien.
Steve Willner, Matt Ashby und Jia-Sheng Huang untersuchten mit vierzehn Kollegen die Region mit Hilfe der vom SAO federführend betriebenen Infrared Array Camera (IRAC) an Bord des Spitzer-Weltraum-Teleskops. Bei Durchmusterungen wurden in dieser Region 1.122 Galaxien entdeckt, die bei Radiowellenlängen stark strahlen, ein Ergebnis der in ihnen vor sich gehenden, heftigen Sternentstehung oder Heimstätte aktiver supermassereicher Schwarzer Löcher in ihren Kernen. Da nur mit Radiobeobachtungen die Entfernungen zu den Galaxien nicht abgeschätzt oder die genauen Mechanismen, die deren Emission antreiben, nicht zu enträtseln sind, nutzte das Team Infrarotdaten, um an diese Informationen zu gelangen.
In einer im Astrophysical Journal erscheinenden Arbeit* berichtet das Team, daß es im Grunde 100% der Radiogalaxien in ihren infraroten Aufnahmen ausgemacht hat. Dies ist die erste Stichprobe in den Tiefen des Alls, für die es möglich gewesen ist, Radiogalaxien mit infraroten Gegenstücken komplett in Verbindung zu bringen mit der Folge, daß die von der Gruppe gezogenen Schlußfolgerungen viel zuverlässiger sein werden. Das Team hat herausgefunden, daß 10 – 15% der Galaxien, die meisten von ihnen innerhalb weniger Milliarden Lichtjahre um uns herum, Sternentstehungsausbrüche durchlaufen. Etwa ein weiteres Viertel der Galaxien besitzt supermassereiche Schwarze Löcher, die lebhaft Materie akkretieren; diese Gruppe liegt bei größeren Entfernungen (Licht der entferntesten Galaxien war über elf Milliarden Jahre unterwegs). Die verbleibenden Galaxien sind weiterhin von unbestimmter Natur, aber da jetzt sowohl Radio- als auch Infrarot-Beobachtungen für sie alle vorhanden sind, werden zukünftige Untersuchungen eine stabile Grundlage für das weitere Vorgehen besitzen.
*Der Artikel erschien am 20.03.2013 in der Ausgabe 766 des Astrophysical Journal