Pluto und seine Monde

Weekly Science Update – Übersetzt von Harald Horneff

Eine mit Hubble gewonnene Aufnahme des Pluto-Systems, die fünf Monde (Charon plus vier viel kleinere Körper) zeigt, die den entfernten, eisigen Zwergplaneten Pluto umkreisen; eingetragene Linien zeigen die Umlaufbahnen der äußeren vier Monde. Eine neue numerische Simulation des Systems läßt den Schluß zu, daß die kleineren Monde wahrscheinlich aus einer Scheibe um das Pluto-Charon-Paar entstanden sind. NASA, ESA, and L. Frattare


 
1978 wurde entdeckt, daß der Zwergplanet Pluto einen Begleiter besitzt, den man Charon nennt. Mit etwa 12% der Masse des Pluto umkreist Charon seinen Partner in einem Abstand von rund siebzehn Plutoradien (zum Vergleich: unser Mond besitzt weniger als 2% der Erdmasse und umkreist die Erde in einem Abstand von circa sechzig Erdradien). Doch das ist noch nicht alles. 2012 hatten Astronomen vier weitere Monde der Plutofamilie hinzugefügt: Styx, Nix, Kerberos und Hydra. Deren Massen sind noch immer sehr zweifelhaft, aber ihre Gesamtmasse wird auf einige Millionstel der Plutomasse geschätzt.
Astronomen fragen sich, woher diese kleinen Begleiter kommen, wie sie zu ihrer stabilen Anordnung gelangten, ohne schon am Anfang auseinanderzudriften, als sie sich durch ihre Gravitation gegenseitig störten und wie die Antworten auf solche Fragen helfen können, die Bildungs- und Entwicklungsprozesse von Planetensystemen im Allgemeinen zu klären. Aktuelle Theorien gehen davon aus, daß das System bei einem gewaltigen Zusammenstoß zweier eisiger Objekte entstand, deren Gesamtmasse etwa 30% über der heutigen Masse des Pluto lag. Unmittelbar nach dem Zusammenstoß war Charon viel näher bei Pluto, driftete dann aber über einen Zeitraum von ein bis zehn Millionen Jahren ab. Einige Varianten des Models sagen voraus, daß sich die anderen vier Monde ebenfalls während des ursprünglichen Zusammenpralls bildeten und sich ebenfalls entfernten – aber mit so vielen Objekten in diesem System ist es nicht leicht, die beobachteten regelmäßigen Muster aufrecht zu erhalten. Eine konkurrierende Theorie hält dagegen, daß das Pluto-Charon-Paar nach dem Zusammenprall eine zirkumbinäre Scheibe aus kleinen Objekten besaß, die sich allmählich zu den vier Monden verbanden.
CfA-Astronom Scott Kenyon und sein Kollege Ben Bromley von der University of Utah führten numerische Simulationen durch (unter Verwendung der von ihnen entwickelten Programme), um diese Möglichkeiten zu testen. Sie zeigen, daß das vernünftigste Szenario darin besteht, daß die Vorläufer von Pluto und Charon sich aus Partikel bildeten, die in der die Sonne umgebenden Scheibe zusammenwuchsen – derselbe Vorgang, der die Erde entstehen ließ. Später gab es einen Zusammenstoß, der Pluto und Charon mit ihren heutigen Größen als ein gravitativ gebundenes, binäres Paar zurückließ. Diese Kollision ließ Trümmer zurück, die sich in einer zirkumbinären Scheibe ansammelten. Später bildeten sich dann gemeinsam mit vermutlich noch mehr bislang unentdeckt gebliebenen Geschwistern die vier kleineren Monde aus dem Zusammenwachsen der Partikel in der zirkumbinären Scheibe. Es bleibt ungeklärt, ob die Satelliten nach außen auf ihre heutigen Bahnen drifteten, nachdem sie sich gebildet hatten oder während sie sich bildeten; künftige Simulationen sollten diese Ungewißheit jedoch klären. Folgerungen aus dieser neuen Arbeit werden bald zu testen sein: die Mission der NASA-Sonde „New Horizons“ wird im Juli 2015 an dem System vorbeifliegen.
Literatur:
„The Formation of Pluto’s Low-Mass Satellites“
Scott J. Kenyon und Benjamin C. Bromley
The Astronomical Journal, 147:8 (17pp), 2014 January