Magnetfelder in gewaltigen Radiojets

Weekly Science Update – Übersetzt von Harald Horneff
 

Röntgenstrahlenjets aus der Galaxie Pictoris A. Das Graustufenbild entstand mit dem Chandra-Röntgen-Observatorium und enthüllt die genaue Röntgenstruktur der Jets, die sich über nahezu eine Million Lichtjahre erstrecken. Überlagert sind rote Konturlinien, die Radioemission zeigen. Die Untersuchung dieser und weiterer Daten haben Astronomen zu dem Schluß geführt, daß die Röntgenstrahlung durch schnell bewegte, geladene Teilchen in Magnetfeldern erzeugt wird.
NASA / Chandra, Hardcastle et al.


 
Supermassereiche Schwarze Löcher in den Zentren von Galaxien können gigantische bipolare Jets hervorbringen, wenn in der Umgebung dieser Löcher die Materie eine heiße, akkretierende Scheibe formt. Die sich schnell bewegenden geladenen Teilchen in den Jets geben Strahlung ab, wenn sie durch Magnetfelder abgelenkt werden; diese Jets wurden vor einigen Jahrzehnten im Radiowellenbereich entdeckt. In den spektakulärsten Fällen bewegen sich die energiegeladenen Teilchen fast mit Lichtgeschwindigkeit und dehnen sich über Hunderttausende von Lichtjahren, weit über die sichtbaren Grenzen der Galaxie, aus. Die physikalischen Prozesse, welche die Jets antreiben und zum Strahlen bringen, gehören zu den wichtigsten offenen Fragen der modernen Astrophysik.
Eine der wichtigsten, aber unerwarteten Entdeckungen des Chandra-Röntgen-Observatoriums war, daß diese Jets auch helle Röntgenstrahlung aussenden. Auch die Röntgenstrahlung wird durch die Beschleunigung von geladenen Teilchen erzeugt, zumindest nach Aussage von einigen Modellen, aber es gibt noch andere mögliche Mechanismen. Sich schnell bewegende Teilchen können Licht aus dem Hintergrund streuen und es in das Röntgenband anheben. Auch können Schockwellen Röntgenstrahlung erzeugen (oder zumindest einen beträchtlichen Teil davon), da die Jets mit stellaren Winden und interstellarem Material in Wechselwirkung treten. Auch kann die Röntgenstrahlung innerhalb der Jets als Folge von Variabilität, Instabilität, Turbulenz oder anderer Phänomene des Jets entstehen.
Ein Team von Astronomen, zu der auch Aneta Siemiginowska vom CfA gehörte, hat die hellen Radiojets der nahezu 500 Millionen Lichtjahre entfernt gelegenen Galaxie Pictoris A mittels sehr genauer Messungen durch Chandra untersucht – die ausgewerteten Beobachtungen beliefen sich auf insgesamt mehr als vier Tage, verteilt über einen Zeitraum von vierzehn Jahren. Diese Daten ermöglichten die erste genaue Untersuchung der spektralen Merkmale der Strahlung über die gesamte Länge der Jets. Die Strahlung stellt sich überall als bemerkenswert einheitlich heraus; falls Streuung für die Röntgenstrahlung verantwortlich war, ist dies höchst unwahrscheinlich, aber sie wäre eine natürliche Folge der Prozesse um das Magnetfeld. Die Gruppe verwirft daher das Streuungsmodell zugunsten des letzteren. Jedoch finden sich innerhalb der Jets viele kleine Verdichtungen, Strukturen und Schleifen. Schockwellen und/oder Streuung sind vorstellbare Erklärungen für die Strahlung in einigen dieser Strukturen. Auch wenn diese neuen Ergebnisse einige bedeutende Fortschritte in unserem Verständnis von Pic A darstellen, benötigt man jetzt hochaufgelöste Radiomessungen von einer großen Stichprobe ähnlicher Jets, um die Modelle zu verbessern und zu erweitern. Ausgedehnte Röntgenjets sind beispielsweise auch in weit entfernt gelegenen Quasaren entdeckt worden. Die jetzigen Resultate von Pic A, zusammen mit künftigen Chandra-Beobachtungen, werden Astronomen zu ermitteln helfen, inwieweit diese fernen Jets sich ebenfalls auf die gleichen Prozesse stützen oder ob andere Vorgänge ablaufen.
Literatur:
„Deep Chandra Observations of Pictor A“
M. J. Hardcastle, E. Lenc, M. Birkinshaw, J. H. Croston, J. L. Goodger, H. L. Marshall, E. S. Perlman, A. Siemiginowska, Ł. Stawarz, and D. M. Worrall
Monthly Notices of the Royal Astronomical Society 455, 3526–3545 (2016)