Die Signatur der Vernichtung von Dunkler Materie entdeckt?

Weekly Science Update – Übersetzt von Harald Horneff

Falschfarbenbild der ungewöhnlichen Gammastrahlung aus der Zentralregion der Milchstraße; diese Strahlung steht im Verdacht, aus der Vernichtung Dunkler Materie zu stammen. In diesem Bild ist die Gammastrahlung gewöhnlicher Quellen von der Gesamtgammastrahlung abgezogen worden. Die Region umfaßt etwa fünf Grad; die intensivste Strahlung ist in rot, die schwächste in blau wiedergegeben.
Daylan et al.


 
Wir leben in einem phantastischen Zeitalter der Astrophysik. Bahnbrechende Entdeckungen wie Exoplaneten, Gravitationswellen verschmelzender Schwarzer Löcher oder die Beschleunigung der Ausdehnung des Kosmos scheinen in jedem Jahrzehnt oder sogar noch öfter aufzutauchen. Aber vermutlich war keine Entdeckung unerwarteter, rätselhafter und herausfordernder für unser Verständnis des „bekannten Universums“ als die Feststellung, daß der größte Teil der Materie im Universum nicht direkt beobachtet werden kann. Diese Materie hat man „Dunkle Materie“ genannt und ihre Natur ist unbekannt. Den letzten Ergebnissen des Satelliten Planck zufolge ist das Universum zu nur 4.9% aus gewöhnlicher Materie aufgebaut (daß heißt, Materie, die aus Atomen und ihren Bausteinen besteht). Der Rest ist Dunkle Materie und durch ihren gravitativen Einfluß auf Sterne und andere normale Materie entdeckt worden. Dunkle Energie ist ein davon unabhängiger Bestandteil des Kosmos.
Dieses allgegenwärtige, doch rätselhafte Etwas zu verstehen ist ein wichtiges Ziel der modernen Astrophysik. Einige Astronomen haben spekuliert, daß Dunkle Materie neben der Gravitation eine weitere Eigenschaft mit der normalen Materie gemein haben könnte: sie könnte als Materie und Antimaterie vorkommen, die sich bei Kontakt gegenseitig vernichten und hochenergetische Strahlung aussenden. Die Hauptrolle bei dieser Vorstellung spielen Teilchen, die man „schwach wechselwirkende massereiche Teilchen“ (weakly interacting massive particles = WIMPS) nennt. Wenn Annihilation von Dunkler Materie vorkommt, würde die Bandbreite an Möglichkeiten für theoretisch denkbare Teilchen der Dunklen Materie beträchtlich eingeengt sein.
CfA-Astronom Doug Finkbeiner gehörte einem Team von Astronomen an, das behauptet, genau solch ein Signal der Annihilation Dunkler Materie identifiziert zu haben. Sie untersuchten die räumliche Verteilung der Gammastrahlung in der Milchstraße, besonders die Gammastrahlung aus dem Gebiet des galaktischen Zentrums. Dieses Gebiet liegt recht nah und hat auch eine hohe Materiedichte (und nominell auch eine hohe Dichte an Dunkler Materie). Wenn Annihilation der Dunklen Materie stattfand, sollte der Ort in Gammastrahlung hell aufleuchten. Tatsächlich ist ein starkes Signal im Gammalicht aus dem Gebiet beobachtet worden, daß sich über Hunderte von Lichtjahren erstreckt (es gibt dort auch eine schwächere Strahlung, die sich über Tausende Lichtjahre nach außen ausdehnt). Allerdings gibt es andere mögliche Erklärungen, von denen eine besonders gern angeführt wird – die Gammastrahlung stammt von einer großen Zahl an schnell rotierenden Pulsaren, den Überresten bestimmter Supernovae.
Die Forscher haben die Reihe an bereits veröffentlichten Beobachtungen der Gammastrahlung wieder aufgegriffen und wendeten sorgfältig neue Datenreduktionsmethoden an, um die Lage der Strahlung genauer einzugrenzen. Dies führten sie für jeden beobachteten Energiebereich der Gammastrahlung durch. Pulsare haben eine augenfällige räumliche Verteilung: sie sind dort, wo Sterne gefunden werden, hauptsächlich in der galaktischen Ebene. Das Team konnte mit großer Aussagekraft zeigen, daß die Verteilung der Gammastrahlung in guter Übereinstimmung mit den Vorhersagen einfacher Modelle zur Vernichtung Dunkler Materie steht, eine Erklärung mit Hilfe von Pulsaren aber weniger wahrscheinlich ist. Ihr Ergebnis wäre, wenn es bestätigt werden sollte, ein bedeutender Durchbruch im Verständnis der Natur der Dunklen Materie, die der vorherrschende materielle Bestandteil des Kosmos ist.
Literatur:
“The Characterization of the Gamma-Ray Signal from the Central Milky Way: A Compelling Case for Annihilating Dark Matter”
Tansu Daylan, Douglas P. Finkbeiner, Dan Hooper, Tim Linden, Stephen K. N. Portillo, Nicholas L. Rodd, and Tracy R. Slatyer
Physics of the Dark Universe Volume 12, June 2016, Pages 1-23