Weekly Science Update – Übersetzt von Harald Horneff
(Originalartikel unter www.cfa.harvard.edu)
Das Gas und der Staub in riesigen Molekülwolken vereinigen sich allmählich unter dem Einfluß der Schwerkraft, um Sterne zu bilden. Wie dies aber genau abläuft, ist nur teilweise verstanden. Die Masse eines Sterns zum Beispiel ist mit Abstand der wichtigste Faktor, der seine zukünftige Entwicklung beschränkt, doch Astronomen verstehen nicht wirklich, was die genaue Masse eines neu gebildeten Sterns festlegt. Eine Seite des Problems ist, einfach zu wissen, wie viele Sterne von jeder Größe es gibt, also die Aufteilung der stellaren Massen in einem großen Sternhaufen zu kennen. Die anfängliche Massenfunktion, englisch Initial Mass Function (IMF), beschreibt diese Aufteilung und gründet sich derzeit auf einen Durchschnitt aus Beobachtungen von Sternen in unserer Milchstraße.
Die beobachtete IMF hat relativ wenig massereiche Sterne (also solche, die massereicher als die Sonne sind). Sterne von der Masse der Sonne sind vergleichsweise häufig. Etwas kleinere Sterne als die Sonne sind sogar häufiger, aber dann sinkt die Zahl der Sterne mit abnehmender Masse (herab bis zu einem Zehntel der Sonnenmasse oder sogar noch weniger). Die genaue Statistik für Sterne mit geringer Masse ist, da sie lichtschwach und schwer zu entdecken sind, etwas unsicher. Überdies wird die theoretische Annahme für die IMF diskutiert, ob die IMF der Milchstraße in der vorliegenden Form für die IMF anderswo im Universum typisch ist. Man hat beispielsweise vorgeschlagen, die IMF über die relative Häufigkeit von Elementen (die „Metallizität“) in der kollabierenden Wolke abzuändern. Allerdings ist die Idee einer universellen IMF für Jahrzehnte ein Grundpfeiler der stellaren Theorie gewesen, doch hat es jüngst beträchtliche Bemühungen gegeben, diese Annahme zu testen und zu hinterfragen – teils ermöglicht durch empfindlichere Instrumente, die in der Lage sind, Sterne zu messen, die kleiner und/oder lichtschwächer sind. Da Atmosphären von Sternen mit verschiedenen Massen unterschiedliche spektrale Merkmale aufweisen, kann die spektroskopische Untersuchung eines fernen Sternhaufens, dessen einzelne Sterne durch ein Teleskop nicht aufgelöst werden können, dennoch die Anteile an Sternen mit unterschiedlichen Massen darin aus den Anteilen dieser Merkmale aufdecken.
CfA-Astronom Charlie Conroy und vier Kollegen führten mit dem Keck-Teleskop und dessen Spektrometer eine Untersuchung der IMF durch. Sie glauben, einige Abweichungen in der IMF gefunden zu haben, und im Gegensatz zu manchen Vermutungen folgern sie, daß Metallizität nicht der einzige Grund für diese Abweichungen ist. Sie kommen vielmehr zu dem Schluß, daß die Geschwindigkeiten des Materials in den Sternhaufen ein triftiger Faktor zu sein scheint. Das Ergebnis, dem jetzt weitere Messungen folgen werden, ist wichtig, da es darauf hindeutet, daß ein abweichender theoretischer Rahmen benötigt wird, um den Ursprung der IMF zu erklären.
Literatur:
“Initial Mass Function Variability (or Not) among Low-velocity Dispersion, Compact Stellar Systems”
Alexa Villaume, Jean Brodie, Charlie Conroy, Aaron J. Romanowsky, and Pieter van Dokkum
The Astrophysical Journal Letters, 850, L14, 2017