Das Gammastrahlen-Doppelsternsystem HESS J0632+057

Weekly Science Update – Übersetzt von Harald Horneff

(Originalartikel unter https://pweb.cfa.harvard.edu/news)

Eines der vier 12-Meter-Teleskope des Gammastrahlen-Observatoriums VERITAS. VERITAS befindet sich im Fred Lawrence Whipple Observatorium der SAO in Arizona. Astronomen, die die Gammastrahlenteleskope VERITAS, HESS und MAGIC nutzen, haben in Verbindung mit Röntgenergebnissen entdeckt, daß die Gammastrahlung der Quelle HESS J0632+057 periodisch schwankt und in einem Doppelsternsystem entsteht.
CfA/Rick Peterson

Gammastrahlen sind die energiereichste bekannte Form der elektromagnetischen Strahlung, wobei jede Gammastrahlung mindestens hunderttausendmal energiereicher ist als ein optisches Photon. Gammastrahlung mit sehr hoher Energie (very high energy = VHE) besitzt sogar die milliardenfache Energie, wenn nicht sogar noch mehr. Astronomen vermuten, daß die VHE-Gammastrahlen in der Umgebung der Winde oder Jets der kompakten, ultradichten Überreste von massereichen Sternen entstehen, die bei Supernovaexplosionen zurückbleiben. Es gibt zwei Arten von kompakten Überresten: Schwarze Löcher und Neutronensterne (Sterne, die überwiegend aus Neutronen bestehen und eine Dichte aufweisen, die der Masse der Sonne in einem Volumen von etwa 10 km Radius entspricht). Die Winde oder Jets aus der Umgebung solcher Objekte können geladene Teilchen bis nahe an die Lichtgeschwindigkeit beschleunigen, und die Strahlung, die an solchen energie-geladenen Teilchen gestreut wird, kann ebenfalls energiereich und manchmal zu VHE-Gammastrahlung werden.

Neun bekannte oder vermutete Gammastrahlenquellen gehören zu Doppelsternsystemen, also zu kompakten Objekten, die einen Stern umkreisen und dabei periodisch Energie freisetzen. Jedes Mitglied dieser Klasse hat seine eigenen Merkmale, aber mit einer Ausnahme ist in allen Fällen bekannt, daß die stellare Komponente ein massereicher heißer Stern ist, der oft von einer äquatorialen Scheibe umgeben ist. Im Gegensatz dazu ist die Natur der kompakten Objekte in diesen Doppelsternsystemen meist nicht bekannt. Der Gammastrahlen-Doppelstern HESS J0632+057, der sich in unserer Galaxis in etwa fünftausend Lichtjahren Entfernung befindet, fällt mit dem heißen optischen Stern MWC 148 und einer damit verbundenen Röntgenquelle zusammen. 2007 entdeckte HESS (das High Energy Stereoscopic System), daß diese Quelle Gammastrahlung aussendet, aber 2009 konnte VERITAS (das Very Energetic Radiation Imaging Telescope Array System, das sich am Fred L. Whipple Observatorium der SAO in Arizona befindet) diese nicht nachweisen und legte eine Grenze fest, die zeigte, daß die Quelle bei Gammastrahlenenergien variabel ist. Im Jahr 2009 entdeckten dann die Gammateleskope VERITAS und MAGIC die Quelle mit verstärkter Strahlung wieder. Etwa zur gleichen Zeit ergaben Beobachtungen mit der Mission Swift-XRT, daß die Quelle in der Röntgenemission eine Periode von ungefähr 321 Tagen hatte, was die binäre Natur des Objekts bestätigte; Radiobeobachtungen ergaben, daß die Quelle einen Jet in der Länge von einigen Astronomischen Einheiten besitzt.

CfA-Astronom Wystan Benbow und ein großes internationales Team untersuchten die Natur des kompakten Objekts in diesem Doppelsternsystem. Sie haben eine Analyse von fünfzehn Jahren Gammastrahlenbeobachtung sowie den Röntgen-beobachtungen mehrerer Einrichtungen durchgeführt. Erstmals konnten sie die Umlaufzeit in der VHE-Emission bestimmen: 316,7 Tage (mit einer Unsicherheit von etwa 1,4%), die mit der bei anderen Wellenlängen gemessenen Zeit übereinstimmt. Die starke Korrelation zwischen dem Verhalten der Röntgen- und Gammastrahlung deutet darauf hin, daß eine einzige Population sich schnell bewegender, geladener Teilchen für Röntgen- wie Gammastrahlung verantwortlich ist, während das Fehlen einer Korrelation zu den Emissionslinien von atomarem Wasserstoff darauf hinweist, daß jegliche Änderungen im heißen Stern eine vernachlässigbare Rolle spielen. Die Astronomen planen nun vertiefte, mehrjährige simultane Beobachtungen bei mehreren Wellenlängen, um die Strahlung und die Struktur der Quelle weiter zu charakterisieren.

Literatur:

„Observation of the Gamma-Ray Binary HESS J0632+057 with the H.E.S.S., MAGIC, and VERITAS Telescopes“

C. B. Adams et al.

The Astrophysical Journal 923, 241, 2021

oder

arXiv:2109.11894v1 [astro-ph.HE] 24 Sep 2021