Besitzen Schwarze Löcher Haare?

Weekly Science Update – Übersetzt von Harald Horneff

Ein durch einen Computer erzeugtes Bild eines Sternfelds (links), wie es von einem Astronauten nah bei einem Schwarzen Loch im Zentrum des Blickfelds wahrgenommen wird (rechts). Die Schwerkraft des Schwarzen Lochs erzeugt visuelle Verzerrungen, wovon einige recht ungewöhnlich sind. Einer neuen theoretischen Arbeit zufolge gibt es im Prinzip einen Weg, ein Schwarzes Loch ohne Ereignishorizont, eine sogenannte „nackte Singularität“, zu schaffen. Robert Nemiroff, MTU


 
Schwarze Löcher mit Millionen oder gar Milliarden Sonnenmassen scheinen in den Kernen von Galaxien ansässig zu sein. In spektakulären Fällen wie den Quasaren sind sie wahrscheinlich für eindrucksvolle Phänomene wie etwa dem Aussenden eng gebündelter Teilchenjets mit nahezu Lichtgeschwindigkeit verantwortlich. Man vermutet, daß solche Abströmungen durch Materie angetrieben wird, die auf eine heiße Scheibe um das Schwarze Loch herum stürzt. Viel kleinere Schwarze Löcher, größenmäßig näher bei einer Sonnenmasse, entstehen vermutlich als Ergebnis des katastrophalen Endes eines Sterns in einer Supernova.
Ein Schwarzes Loch zeichnet sich in der geläufigen Theorie dadurch aus, daß es „keine Haare“ besitzt; daß heißt, es ist so einfach, daß es durch nur drei Größen gänzlich beschrieben werden kann: seine Masse, sein Drehimpuls und seine elektrische Ladung. Auch wenn es sich aus einem vielschichtigen Durcheinander von Materie und Energie gebildet haben mag, sind alle konkreten Details beim Zusammenbruch in einen singulären Punkt verloren gegangen. Im Standardmodell wird das Schwarze Loch von einem „Horizont“ umgeben und sobald irgendetwas – Materie oder Licht (Energie) – diesen Horizont überschreitet, kann es nicht mehr entkommen. Daraus folgend erscheint die Singularität schwarz. Außerhalb dieses Horizonts kann eine akkretierende Scheibe (falls dort eine existiert) ungehindert strahlen.
Dieses Bild mag verlockend sein, doch es gibt bisher keinen direkten Beweis, daß irgendwelche vermuteten Kandidaten in galaktischen Kernen notwendigerweise Schwarze Löcher mit einem Horizont sind. Die Gleichungen, die in der Allgemeinen Relativitätstheorie den Zusammenbruch von Materie beschreiben, erlauben auch andere Lösungen und verlangen nicht in jedem Fall, daß am Ende ein Schwarzes Loch stehen muß. Wenn zum Beispiel Materie ganz allmählich und nicht, wie in einer Supernova, sich schnell verdichtet, deutet die Theorie darauf hin, daß es für das endgültige punktförmige Gebilde möglich ist, ohne Ereignishorizont zu entstehen. Solch ein Objekt wird „nackte Singularität“ genannt („Singularität, da es, wie bei einem Schwarzen Loch, punktförmige Dimension hat, aber nackt, da ihm ein Ereignishorizont fehlt und so Licht aus seiner Nähe entkommen kann – es ist nicht schwarz).
Ramesh Narayan vom CfA und zwei Kollegen haben sich, zumindest in der Theorie, einen Weg für einen langsam kollabierenden Ablauf ausgedacht, um eine nackte Singularität zu bilden. Zudem haben sie dann Wege untersucht, auf denen es durch Beobachtung möglich sein könnte, eine nackte Singularität von einem Schwarzen Loch dadurch zu unterscheiden, indem man die Eigenschaft der Strahlung nutzt, die von einer umgebenden Scheibe ausgesandt wird. Über die Ergebnisse nachzudenken ist nicht nur Spaß, sie helfen Astronomen gründlich zu untersuchen, wie sich diese ungewöhnlichen Objekte eigentlich gebildet haben könnten.
Literatur:
„Distinguishing Black Holes from Naked Singularities through Their Accretion Disc Properties”
Pankaj S. Joshi, Daniele Malafarina und Ramesh Narayan
Classical and Quantum Gravity 31 (2014) 015002 (22pp)