Astronomie ohne Teleskop – Warum der LHC die Erde nicht zerstört

Von Steve Nerlich in Universe Today – Übersetzt von Harald Horneff
Überraschenderweise kursieren im Internet noch immer Gerüchte, daß der Large Hadron Collider (LHC) im Begriff sei, die Erde zu zerstören – obwohl nahezu drei Jahre seit seinem Anschalten vergangen sind. Vielleicht liegt es daran, daß er 2014 noch auf volle Leistung gebracht werden soll – auch wenn es sich dabei vermutlich um den Versuch handelt, Daten aus einer früheren und da schon falschen Vorhersage nunmehr willkürlich an ein neues Ereignis anzupassen. Denn die gleichen Untergangspropheten behaupteten auch zu Betriebsbeginn des LHC unerschütterlich, daß die Erde in dem Moment zerstört wird, wenn der LHC im September 2008 angefahren würde.
Es wird verbreitet, daß die vom LHC erzeugten, sehr hohen Energien die Teilchen bei den Kollisionen mit solch einer Kraft zusammenquetschen, daß ihre Masse in ein Volumen gepreßt werden könnte, das kleiner als der für diese Masse notwendige Schwarzschild-Radius ist. Mit anderen Worten: es würde sich ein mikroskopisch kleines Schwarzes Loch bilden und dann durch das Verschlingen von Materie anwachsen, bis es am Ende die ganze Erde verschluckt hat.
Hier nun eine kurze Zusammenstellung, warum all dies nicht geschehen kann.

  1. Mikroskopisch kleine Schwarze Löcher sind höchst unwahrscheinlich

Ein Teelöffel voll Neutronenstern-Materie würde mehrere Millionen Tonnen wiegen. Könnte man solch einen Teelöffel voll Materie von einem Neutronenstern fortschaffen, würde diese sich sofort auf ein Volumen ausdehnen, daß man von einer Masse mit mehreren Millionen Tonnen erwartet, so wie sie es normalerweise einnimmt.
Ungeachtet der Tatsache, daß man physikalisch keinen Teelöffel voll Materie eines Schwarzen Lochs fortschaffen kann – könnte man es, ist es vernünftig anzunehmen, daß auch diese Materie sich sofort ausdehnt. Man kann solche extremen Materiedichten außerhalb eines Gebiets außerordentlicher Anziehungskraft nicht aufrechterhalten, da die Gravitation durch die gesamte Masse des sterngroßen Objekts hervorgerufen wird.
Die hypothetische Physik, die die Bildung von mikroskopischen Schwarzen Löchern erlauben würde, regt an, daß die Gravitation eine größere Stärke unterhalb der Planck-Dimensionen aufweist. Es gibt aber keinerlei stichhaltige Belege, die diese Theorie stützen – es ist sogar so, daß es eine wachsende Zahl gegenteiliger Hinweise gibt, die von verschiedenen Quellen, einschließlich dem LHC, kommen.
Hochenergetische Teilchenzusammenstöße umfassen sowohl die Umwandlung von Impulsenergie in Wärmeenergie als auch die Überwindung der elektrischen Abstoßung, die normallerweise elektrisch geladene Teilchen vor einem Zusammenstoß bewahrt. Die erzeugte Wärmeenergie wird sehr schnell abgeführt und die kollidierenden Teilchen brechen eher in subatomare Teilchen auf als das sie sich vereinen. Teilchenbeschleuniger versuchen die Bedingungen ähnlich dem Big Bang nachzuahmen und nicht das Innere von massereichen Sternen.

  1. Ein hypothetisches, mikroskopisch kleines Schwarzes Loch kann die Erde nicht verschlingen

Was auch immer sich hinter dem Ereignishorizont eines Schwarzen Lochs abspielt – es ist seltsam und unbekannt – die Physik außerhalb arbeitet nach herkömmlicher Art und Weise. Der gravitative Einfluß, der durch die Masse eines Schwarzen Lochs auf seine Umgebung ausgeübt wird, fällt mit dem inversen Quadrat der Entfernung (1/r2) ab, so wie bei jedem anderen Himmelskörper auch.
Der Einfluß, den die Schwerkraft eines mikroskopischen Schwarzen Lochs auf seine Umgebung ausübt (z. Bsp. ein Schwarzes Loch aus 1.000 hyperverdichteten Protonen), wäre bei einer Entfernung, die über seinen Schwarzschild-Radius (vielleicht 10-18 Meter) hinausgeht, lächerlich klein. Es wäre nicht in der Lage, weitere Materie zu verschlingen, es sei denn, es könnte die Kräfte überwinden, die die Materie zusammenhalten – dabei muß man sich aber in Erinnerung rufen, daß in der Quantenphysik die Gravitation die schwächste Kraft ist.
Man hat folgendes Szenario berechnet: wenn die Erde die Dichte von Eisen besäße, wäre es unwahrscheinlich, daß ein hypothetisches, mikroskopisch kleines Schwarzes Loch bei geradliniger Bewegung einen Atomkern mehr als einmal auf 200 km treffen würde – und wenn es geschieht, dann würde es einen Kern treffen, der im Durchmesser mindestens 1.000 mal größer ist.
Somit könnte das Schwarze Loch kaum einen ganzen Kern auf einmal verschlucken, bestenfalls könnte es beim Vorbeifliegen ein Stück des Kerns an sich reißen – und müßte dabei irgendwie die starke Kernkraft überwinden. Das mikroskopische Schwarze Loch könnte 100 solcher Begegnungen haben, bis sein Impuls es durch die ganze Erde bis zur anderen Seite getragen hat und dort würde es in seiner Ausdehnung noch um gut eine ganze Größenordnung kleiner sein als ein Proton.
Und das Ganze zieht die elektrische Ladung bei der Betrachtung noch nicht mit ein. Wenn man viele positiv geladene Protonen in solch ein winziges Volumen zusammenpressen könnte, würde das sich daraus ergebende Objekt sofort explodieren, da die elektromagnetische Kraft auf dieser Größenskala die Schwerkraft bei weitem übertrifft. Man könnte dies umgehen, wenn man genau dieselbe Zahl an Elektronen hinzufügen könnte, aber dies fordert die Annahme eines unglaubwürdigen technischen  Niveaus für solch eine Feinabstimmung.

  1. Was die Untergangspropheten sagen

Wenn mit dem Standardargument konfrontiert, daß Zusammenstöße bei höheren Energien als im LHC auf natürliche Art und häufig auftreten, da Teilchen der kosmischen Strahlung mit der oberen Erdatmosphäre zusammenprallen, verweisen die LHC-Verschwörungstheoretiker auf den Physikunterricht in der Oberstufe: dort lernt man, daß der Frontalzusammenstoß zweier Kraftfahrzeuge ein energiereicheres Ereignis ´darstellt als der Aufprall eines Kraftfahrzeugs auf eine Ziegelmauer. Dies ist insoweit richtig, als der Zusammenstoß zweier Autos die doppelte kinetische Energie besitzt wie die Auto-Mauer-Kollision. Doch hat man Kollisionen kosmischer Teilchen mit der Atmosphäre gemessen, die das 50-fache der Energie besaßen, als durch Zusammenstöße im LHC je erzeugt werden.
In Erwiderung auf das Argument, daß ein mikroskopisches Schwarzes Loch die Erde passieren würde, bevor es irgendeine merkliche Massenzunahme erreicht, erklären die LHC-Verschwörungstheoretiker, daß ein Zusammenprall im LHC die Teilchen zum Stillstand bringen würde und sie dann passiv auf den Erdmittelpunkt zufallen, ohne ausreichenden Impuls, um auf die andere Seite der Erde zu gelangen.
Auch das ist unglaubwürdig. Der den LHC-Kollisionsfragmenten mitgegebene, senkrecht zum Stoß verlaufende Impuls sollte, nach einem Frontalzusammenstoß zweier Teilchen, die mit annähernd 300.000 km/s fliegen, den Fragmenten leicht die irdische Fluchtgeschwindigkeit (knapp 11.2 km/s auf Meereshöhe) verleihen.