Astronomie ohne Teleskop – Färbung der Oort’schen Wolke

Von Steve Nerlich in Universe Today – Übersetzt von Harald Horneff

Eine sehr weit entfernte und sehr rote Sedna. Quelle: NASA, JPL, Caltech

Vermutlich wird man irgendwann die hypothetischen Objekte der hypothetischen Oort’schen Wolke beobachten und feststellen, daß diese alle tief rot gefärbt sein werden. Die rote Färbung wird vielleicht durch eine Mischung aus Eis und etwas organischem Material entstehen – und könnte die Überreste des ursprünglichen Baustoffs darstellen, aus dem sich das Sonnensystem bildete.

Zusätzlich kann die große Bandbreite an Farben bei den unterschiedlichen Klassen an Trans-Neptun-Objekten helfen, deren Ursprung zu bestimmen.

Die gegenwärtig beobachtbaren Klassen an Trans-Neptun-Objekten umfassen Pluto und verwandte Objekte, Plutinos genannt, die sich in einer 2:3 Bahnresonanz mit Neptun befinden und im inneren Grenzbereich des Kuiper-Gürtels gefangen sind. Es gibt weitere Kuiper-Gürtel-Objekte, die mit unterschiedlichen Bahnresonanzwerten gefangen sind, einschließlich der Zwei-tinos – welche in einer 1:2 Resonanz um Neptun gefangen sind und die an der äußeren Grenze des Kuiper-Gürtels gefunden werden.

Im Übrigen besteht die Mehrzahl an Kuiper-Gürtel-Objekten (KGOs) aus QB-wanos (benannt nach dem ersten entdeckten, QB1 genannten Objekt), die auch als „klassische“ KGOs bekannt sind. Diese stehen augenscheinlich nicht in einer Bahnresonanz mit Neptun und ihre Bahnen um die Sonne sind fast kreisförmig und befinden sich weit außerhalb der Umlaufbahn des Neptuns. Es gibt zwei einiger-maßen unterschiedliche Populationen von QB-wanos – solche, die eine kleine Bahnneigung haben und solche, die mehr als 12 Grad gegen die Hauptbahnebene des Sonnensystems geneigt sind.

Jenseits des Kuiper-Gürtels liegen die sogenannten gestreuten Kuiper-Gürtel-Objekte – eine Scheibe aus Objekten mit sehr langgezogenen elliptischen Bahnen. Obwohl es viele hundert Jahre dauern kann, den sonnennächsten Punkt auf der Umlaufbahn zu erreichen, liegt aber das Perihelion für viele dieser Objekte dennoch näher an der Sonne als der von den klassischen oder bahnresonanten KGOs, ein Hinweis darauf, daß dieses Gebiet die Hauptquelle der kurzperiodischen Kometen ist.

Die trans-Neptunsche Landschaft. Klassische Kuiper-Gürtel-Objekte besitzen ziemlich kreisförmige Umlaufbahnen und die nie innerhalb der Umlaufbahn des Neptuns zu finden sind (gelber Kreis) – während Plutinos und gestreute Scheibenobjekte langgestreckte Umlaufbahnen haben. Klassische Objekte mit geringer Bahnneigung (siehe ecliptic view) tendieren zur tiefsten Rotfärbung. Objekte mit größerer Bahnneigung – und solche mit langgestreckten solaren Umlaufbahnen, die sie näher an die Sonne bringen – sind blaß dargestellt.

Es gibt eine riesige Zahl an Trans-Neptun-Objekten und nicht alle sind im Detail beobachtet worden, aber bis heute erfolgte Durchmusterungen legen folgende Trends nahe:

  • QB-wanos mit geringer Neigung oder Exzentrizität sind von tiefroter Farbe, und

  • Plutinos, gestreute Scheibenobjekte und stark geneigte QB-wanos sind von geringerem rot.

Hinter der gestreuten Scheibe bewegen sich Objekte, die von den großen Planeten eindeutig nicht mehr beeinflußt werden. Das bekannteste Beispiel ist Sedna – die… tiefrot ist (oder ultrarot, wie die Wissenschaftler bevorzugt sagen).

Sedna und andere sehr weit außen liegende Trans-Neptun-Objekte sind manchmal spekulativ als Objekte der inneren Oort’schen Wolke bezeichnet worden. Wenn wir bereitwillig als gegeben hinneh-men, daß wenige dürftige Datenpunkte eine größere (und hypothetische) Anzahl von Objekten der Oort’schen Wolke wiedergeben – dann haben sie alle vielleicht, wie Sedna, eine tiefrote Farbe.

Und schaut man in die entgegengesetzte Richtung, so steht die “viel weniger rote” Farbe der stark geneigten und zudem sehr exzentrischen Trans-Neptun-Objekte in Übereinstimmung mit der Farbe von Kometen; sowohl bei solchen, die es noch werden und ebenso bei solchen, die es waren.

Auf dieser Grundlage ist es verlockend anzunehmen, daß das ursprüngliche Material des Sonnen-systems eine tiefrote Farbe hat, die aber verblaßt, sobald sie mäßigem Sonnenlicht ausgesetzt wird – und dies ist wohl bei Objekten geschehen, die innerhalb der Neptunbahn herumtrieben. So dürften all diese ausgebleichten Objekte mit geneigten Umlaufbahnen sich einst näher an der Sonne aufgehalten haben, sind aber während der frühen Wanderbewegungen der Gasriesen nach außen geschleudert worden.

Und das ursprünglich rote Material? Vielleicht sind es gefrorene Tholine – stickstoffreiche organische Verbindungen, durch Bestrahlung aus Stickstoff und Methan erzeugt. Und wenn dieses ursprüngliche Material nie von unserer Sonne beschienen wurde, ist es vielleicht ein Überrest der strahlenden Gas-wolke, die einst die Kinderstube unserer Sonne war.

Welch tolle Geschichten man doch mit dürftigen Daten weben kann.

Weiterführende Literatur (im Internet zu finden unter):

arXiv:1001.3674v1
Scott S. Sheppard
The Colors of Extreme Outer Solar System Objects (2010)