Originalveröffentlichung am 02.04.2025 zu finden unter: https://webbtelescope.org/news/news-releases
Zusammenfassung: Zwei neue Forschungsstudien untersuchen, wie eine stellare Kinderstube im Herzen der Milchstraße durch die starken Magnetfelder der Region beeinflußt wird
Trotz jahrzehntelanger Studien gibt der Prozeß der Sternentstehung immer noch viele Rätsel auf. Sterne sind die Quelle fast aller chemischen Elemente des Universums, einschließlich Kohlenstoff und Sauerstoff. Zu verstehen, warum und wie sie sich bilden – oder auch nicht – ist daher ein entscheidender erster Schritt, um zu verstehen, wie das Universum funktioniert und wie so ziemlich alles entstanden ist, einschließlich des Lebens auf der Erde.
Im Herzen unserer Milchstraße befindet sich die Sternentstehungsregion Sagittarius C, die trotz einer Fülle von Rohmaterial nicht so viele Sterne hervorbringt, wie Astronomen erwarten würden. Zwei neue Studien haben das James-Webb-Weltraumteleskop der NASA genutzt, um die Sternentstehung in dieser extremen Umgebung zu untersuchen, die sich relativ nah am supermassereichen Schwarzen Loch im Zentrum der Milchstraße in 200 Lichtjahren Entfernung befindet.
Folgeuntersuchungen zu einer aus dem Jahr 2023 stammenden Aufnahme des James-Webb-Weltraumteleskops der NASA von der Sternentstehungsregion Sagittarius C im Herzen unserer Milchstraße haben Auswürfe von sich noch bildenden Protosternen und Einblicke in die Auswirkungen starker Magnetfelder auf interstellares Gas und den Lebenszyklus von Sternen ergeben.
„Eine große Frage für die zentrale molekulare Zone unserer Galaxis war: Wenn es hier so viel dichtes Gas und kosmischen Staub gibt und wir wissen, daß sich in solchen Wolken Sterne bilden, warum werden hier so wenige Sterne geboren“, sagt der Astrophysiker John Bally von der Universität von Colorado Boulder, einer der federführenden Forscher. „Jetzt sehen wir zum ersten Mal direkt, daß starke Magnetfelder eine wichtige Rolle bei der Unterdrückung der Sternentstehung spielen können, selbst auf kleinen Skalen.“
Detaillierte Studien von Sternen in dieser überfüllten, staubhaltigen Region waren bisher nur begrenzt möglich, aber die fortschrittlichen Nahinfrarot-Instrumente von Webb haben es den Astronomen ermöglicht, durch die Wolken hindurch zu sehen und junge Sterne wie nie zuvor zu untersuchen.
„Die extreme Umgebung des galaktischen Zentrums ist ein faszinierender Ort, um Theorien über die Sternentstehung auf den Prüfstand zu stellen, und die Infrarotfähigkeiten von NASA’s James-Webb-Weltraumteleskop bieten die Möglichkeit, auf früheren wichtigen Beobachtungen von bodengestützten Teleskopen wie ALMA und MeerKAT aufzubauen“, sagte Samuel Crowe, ein weiterer wichtiger Mitarbeiter dieser Forschung, und ein leitender Student an der Universität von Virginia sowie ein Rhodes-Stipendiat des Jahres 2025.
Bally und Crowe haben jeweils einen Artikel verfaßt, der im Astrophysical Journal veröffentlicht wurde.
Nutzung von Infrarot, um entstehende Sterne aufzudecken
Im hellsten Sternhaufen von Sagittarius C bestätigten die Forscher den vorläufigen Befund des Atacama Large Millimeter Array (ALMA), daß sich dort zwei massereiche Sterne bilden. Zusammen mit Infrarotdaten des nicht mehr genutzten Spitzer-Weltraumteleskops der NASA und der beendeten SOFIA-Mission (Stratospheric Observatory for Infrared Astronomy) sowie des Herschel-Weltraumobservatoriums stellten sie mit Hilfe von Webb fest, daß jeder der massereichen Protosterne bereits mehr als das Zwanzigfache der Masse der Sonne hat. Webb zeigte auch die hellen Ausströmungen, die von jedem Protostern angetrieben werden.
Noch herausfordernder ist es, massearme Protosterne zu finden, die noch in Kokons aus kosmischem Staub gehüllt sind. Die Forscher verglichen die Daten von Webb mit früheren ALMA-Beobachtungen, um fünf vermutliche massearme Protostern-Kandidaten zu identifizieren.
Das Team identifizierte zudem 88 Merkmale, bei denen es sich um geschocktes Wasserstoffgas zu handeln scheint, das in Jets von jungen Sternen auf die umgebende Gaswolke trifft. Die Auswertung dieser Merkmale führte zur Entdeckung einer neuen Sternentstehungswolke, die sich von der Sagittarius-C-Hauptwolke unterscheidet und mindestens zwei Protosterne beherbergt, die ihre eigenen Jets antreiben.
„Ausströmungen von sich bildenden Sternen in Sagittarius C haben sich in früheren Beobachtungen angedeutet, aber dies ist das erste Mal, daß wir sie im Infrarotlicht bestätigen konnten. Das ist sehr aufregend zu sehen, denn wir wissen immer noch viel zu wenig über die Sternentstehung, vor allem in der zentralen molekularen Zone, welche so wichtig für die Funktionsweise des Universums ist“, sagt Crowe.
Magnetische Felder und Sternentstehung
Die Webb-Aufnahme von Sagittarius C aus dem Jahr 2023 zeigte Dutzende von markanten Filamenten in einer Region aus heißem Wasserstoffplasma, die die Hauptsternentstehungswolke umgibt. Neue Analysen von Bally und seinem Team haben sie zu der Hypothese geführt, daß die Filamente durch Magnetfelder geformt werden, die in der Vergangenheit auch von den bodengestützten Observatorien MeerKAT (ehemals Karoo Array Telescope) und ALMA beobachtet worden sind.
„Die Bewegung von Gas, das durch die extremen Gezeitenkräfte des supermassereichen Schwarzen Lochs Sagittarius A* in der Milchstraße verwirbelt wird, kann die umgebenden Magnetfelder dehnen und verstärken. Diese Felder wiederum formen das Plasma in Sagittarius C“, sagt Bally.
Die Forscher vermuten, daß die magnetischen Kräfte im Zentrum der Galaxis stark genug sind, um das Plasma daran zu hindern, sich auszubreiten, und es stattdessen in den konzentrierten Filamenten einzuschließen, die auf dem Webb-Bild zu sehen sind. Diese starken Magnetfelder könnten auch der Schwerkraft widerstehen, die normalerweise dichte Gas- und Staubwolken zum Kollaps und zur Sternentstehung veranlassen würde, was die geringer als erwartete Sternentstehungsrate von Sagittarius C erklären würde.
„Dies ist ein spannendes Gebiet für zukünftige Forschungen, da der Einfluß starker Magnetfelder im Zentrum unserer Galaxis oder in anderen Galaxien auf die stellare Ökologie noch nicht vollständig untersucht wurde“, so Crowe.
Das James-Webb-Weltraumteleskop ist das weltweit führende Observatorium für Weltraumforschung. Webb wird Rätsel in unserem Sonnensystem lösen, einen Blick auf ferne Welten um andere Sterne werfen und die geheimnisvollen Strukturen und Ursprünge unseres Universums und unseren Platz darin erforschen. Webb ist ein internationales Programm unter der Leitung der NASA und ihrer Partner ESA (Europäische Weltraumorganisation) und CSA (Kanadische Weltraumorganisation).
Milchstraßenzentrum (MeerKAT und Webb)

Ruben Fedriani (IAA-CSIC), Ian Heywood (Oxford)


- Fast Facts
- Objekt
- Objektname(n): Sagittarius A* und Sagittarius C
- Objektbeschreibung: Galaktisches Zentrum
- Rektaszension: 17:44:40.30
- Deklination: -29:28:14.93
- Sternbild: Sagittarius
- Entfernung: 26.000 Lichtjahre
- Abmessung: Dieses Bild hat einen Durchmesser von etwa 2,25 Grad (1.000 Lichtjahre)
- Daten
- Instrument: Webb>NIRCam
- Instrument: SARAO>MeerKAT
- Filter: NIRCam> F162M, F360M, F405N, F470N
- Filter: MeerKAT> 1,28 GHz
- Bild
- Farbinformation: Die Webb-Ansicht ist ein Komposit aus Einzelbelichtungen, die mit dem NIRCam-Instrument aufgenommen wurden. Es wurden mehrere Filter verwendet, um bestimmte Wellenlängenbereiche zu erfassen. Die Farbe ergibt sich aus der Zuweisung verschiedener Farbtöne (Farben) zu jedem monochromatischen (Graustufen-)Bild, das einem einzelnen Filter zugeordnet ist. In diesem Fall sind die zugewiesenen Farben:
- Blau: F162M Cyan: F405N Orange: F360M Rot: F470N
- Das MeerKAT-Bild verwendet den Spektralindex zur Einfärbung des Radiokontinuumsbildes, das bei 1,28 GHz zentriert ist.
Über das Bild: Ein Bild der Milchstraße, das vom MeerKAT-Radioteleskop-Array aufgenommen wurde, setzt die Ansicht des James-Webb-Weltraumteleskops von der Region Sagittarius C in einen Zusammenhang. Das MeerKAT-Bild erstreckt sich über 1.000 Lichtjahre, während das Webb-Bild 44 Lichtjahre abdeckt.
Im Zentrum des MeerKAT-Bildes leuchtet die Region um das supermassereiche Schwarze Loch der Milchstraße hell auf. Riesige vertikale fadenförmige Strukturen ähneln denen, die Webb in kleinerem Maßstab in der blaugrünen Wasserstoffwolke von Sagittarius C eingefangen hat. Wie eine superlang belichtete Photographie zeigt MeerKAT die blasenartigen Überreste von Supernovae, die über Jahrtausende hinweg explodiert sind, und fängt so die dynamische Natur des chaotischen Kerns der Milchstraße ein.
Astronomen vermuten, daß die starken Magnetfelder im Herzen der Galaxis die von MeerKAT und Webb beobachteten Filamente formen und möglicherweise auch eine Rolle bei der Unterdrückung der Sternentstehung in dieser Region spielen. Obwohl es in Sagittarius C eine reichhaltige Wolke mit Rohmaterial für Sterne gibt, sind die Sternentstehungsraten nicht so hoch, wie die Astronomen erwarten. Stattdessen könnten die Magnetfelder stark genug sein, um der Schwerkraft zu widerstehen, die normalerweise dichte Gas- und Staubwolken zum Kollabieren und zur Sternentstehung bringen würde.
Milchstraßenzentrum – beschriftet (MeerKAT und Webb)

Ruben Fedriani (IAA-CSIC), Ian Heywood (Oxford)
- Fast Facts
- Objekt
- Objektname(n): Sagittarius A* und Sagittarius C
- Objektbeschreibung: Galaktisches Zentrum
- Rektaszension: 17:44:40.30
- Deklination: -29:28:14.93
- Sternbild: Sagittarius
- Entfernung: 26.000 Lichtjahre
- Abmessung: Dieses Bild hat einen Durchmesser von etwa 2,25 Grad (1.000 Lichtjahre)
- Daten
- Instrument: Webb>NIRCam
- Instrument: SARAO>MeerKAT
- Filter: NIRCam> F162M, F360M, F405N, F470N
- Filter: MeerKAT> 1,28 GHz
- Bild
- Farbinformation: Die Webb-Ansicht ist ein Komposit aus Einzelbelichtungen, die mit dem NIRCam-Instrument aufgenommen wurden. Es wurden mehrere Filter verwendet, um bestimmte Wellenlängenbereiche zu erfassen. Die Farbe ergibt sich aus der Zuweisung verschiedener Farbtöne (Farben) zu jedem monochromatischen (Graustufen-)Bild, das einem einzelnen Filter zugeordnet ist. In diesem Fall sind die zugewiesenen Farben:
- Blau: F162M Cyan: F405N Orange: F360M Rot: F470N
- Das MeerKAT-Bild verwendet den Spektralindex zur Einfärbung des Radiokontinuumsbildes, das bei 1,28 GHz zentriert ist.
Über das Bild: Beschriftung, Kompasspfeile und Maßstabsbalken bieten einen Kontext für diese Ansichten von MeerKAT und dem James-Webb-Weltraumteleskop. Die Sternentstehungsregion Sagittarius C, die vom James-Webb-Weltraumteleskop aufgenommen wurde, ist etwa 200 Lichtjahre vom zentralen supermassereichen Schwarzen Loch der Milchstraße, Sagittarius A*, entfernt.
Die riesigen vertikalen fadenförmigen Strukturen in den Radiodaten von MeerKAT ähneln denen, die Webb in kleinerem Maßstab im Infraroten in einer blaugrünen Wasserstoffwolke aufgenommen hat. Die Astronomen vermuten, daß die starken Magnetfelder im Herzen der Galaxis die Filamente formen.
Der Spektralindex unten links zeigt, wie den Radiodaten Farben zugewiesen wurden, um das Bild zu erstellen. Am negativen Ende befindet sich die nicht-thermische Strahlung, die durch Elektronen angeregt wird, die sich um Magnetfeldlinien winden. Am positiven Ende steht die thermische Emission, die von heißem, ionisiertem Plasma stammt.
Bei Webb wird die Farbe durch Verschiebung des Infrarotspektrums Farben des sichtbaren Lichts zugeordnet. Die kürzesten Infrarot-Wellenlängen sind blauer und die längeren Wellenlängen erscheinen eher rot.