Originalveröffentlichung am 10.10.2023 zu finden unter: https://webbtelescope.org/news/news-releases
Zusammenfassung: Flocken aus Siliziumdioxid-“Schnee” füllen den Himmel des aufgeblähten, glühend heißen Exoplaneten WASP-17 b
Ein Blick auf eines der häufigsten und bekanntesten Mineralien der Erde ist selten eine Schlagzeile wert. Quarz ist in Strandsand, Bausteinen, Geoden (Steine mit runder, erdähnlicher Form) und Edelsteinläden auf der ganzen Welt zu finden. Er wird geschmolzen, um Glas herzustellen, für Silizium-Mikrochips veredelt und in Uhren verwendet, um im Takt zu bleiben.
Was ist also so besonders an der neuesten Entdeckung des James-Webb-Weltraumteleskops der NASA? Stellen Sie sich Quarzkristalle vor, die buchstäblich aus dem Nichts auftauchen. Ein Nebel aus glitzernden Körnern, die so klein sind, daß 10.000 davon nebeneinander auf ein menschliches Haar passen könnten. Schwärme von spitzen, glasigen Nanopartikeln, die mit Tausenden von Kilometern pro Stunde durch die schwüle Atmosphäre eines aufgeblähten exoplanetaren Gasriesen (WASP-17 b) rasen.
Die einzigartige Fähigkeit von Webb, die äußerst subtilen Effekte dieser Kristalle auf das Sternenlicht zu messen – und das aus einer Entfernung von mehr als sieben Millionen Milliarden Kilometern – liefert entscheidende Informationen über die Zusammensetzung der Atmosphären von Exoplaneten und neue Erkenntnisse über deren Wetter.
Forscher, die das James-Webb-Weltraumteleskop der NASA nutzen, haben in den hoch gelegenen Wolken von WASP-17 b, einem 1.300 Lichtjahre von der Erde entfernten heißen Exoplaneten vom Typ Jupiter, Quarz-Nanokristalle nachge-wiesen. Die Entdeckung, die mit MIRI (Mid-Infrared Instrument) in einzigartiger Weise möglich war, ist das erste Mal, daß Siliziumdioxid (SiO2)-Partikel in der Atmosphäre eines Exoplaneten entdeckt wurden.
“Wir waren begeistert”, sagt David Grant, Forscher an der Universität von Bristol in Großbritannien und Erstautor eines Artikels, der heute im Astrophysical Journal Letters veröffentlicht wird. “Wir wußten aus den Hubble-Beobachtungen, daß es in der Atmosphäre von WASP-17 b Aerosole geben muß – winzige Partikel, die Wolken oder Dunst bilden – aber wir hatten nicht erwartet, daß sie aus Quarz bestehen würden.”
Silikate (Mineralien, die reich an Silizium und Sauerstoff sind) machen den Großteil der Erde und des Mondes sowie ande-rer felsiger Objekte in unserem Sonnensystem aus und sind in der gesamten Galaxis weit verbreitet. Die Silikatkörner, die in den Atmosphären von Exoplaneten und Braunen Zwergen bisher entdeckt wurden, scheinen jedoch aus magnesium-reichen Silikaten wie Olivin und Pyroxen zu bestehen und nicht aus Quarz allein – der aus reinem SiO2 besteht.
Das Ergebnis dieses Teams, dem auch Forscher des Ames Research Center der NASA und des Goddard Space Flight Center der NASA angehören, gibt unserem Verständnis der Entstehung und Entwicklung von Wolken auf Exoplaneten eine neue Richtung. “Wir hatten eigentlich erwartet, Magnesiumsilikate zu sehen”, sagt Mitautorin Hannah Wakeford, ebenfalls von der University of Bristol. Aber was wir stattdessen sehen, sind wahrscheinlich die Bausteine dieser Silikate, die winzigen “Keim”-Partikel, die zur Bildung der größeren Silikatkörner benötigt werden, die wir in kühleren Exoplaneten und Braunen Zwergen finden.
Erkennen von subtilen Schwankungen
Mit einem Volumen von mehr als dem Siebenfachen des Jupiters und einer Masse von weniger als der Hälfte des Jupiters ist WASP-17 b einer der größten und bauschigsten bekannten Exoplaneten. Dies und seine kurze Umlaufzeit von nur 3,7 Erdtagen machen den Planeten ideal für die Transmissionsspektroskopie: Eine Technik, bei der die Filter- und Streuungs-effekte der Planetenatmosphäre auf das Sternenlicht gemessen werden.
Webb beobachtete das WASP-17-System fast 10 Stunden lang und sammelte mehr als 1.275 Helligkeitsmessungen von Licht im mittleren Infrarotbereich bei 5 bis 12 Mikrometern, während der Planet seinen Stern kreuzte. Durch Abzug der Helligkeit einzelner Wellenlängen, die das Teleskop erreichten, wenn sich der Planet vor dem Stern befand, von denen des Sterns selbst, konnte das Team den Anteil jeder Wellenlänge berechnen, der von der Atmosphäre des Planeten blockiert wurde.
Dabei zeigte sich eine unerwartete “Beule” bei 8,6 Mikrometern, ein Merkmal, das nicht zu erwarten wäre, wenn die Wolken aus Magnesiumsilikaten oder anderen möglichen Hochtemperatur-Aerosolen wie Aluminiumoxid bestünden, das aber durchaus Sinn macht, wenn sie aus Quarz bestehen.
Kristalle, Wolken und Winde
Diese Kristalle haben wahrscheinlich eine ähnliche Form wie die spitzen sechseckigen Prismen, die man in Geoden und Edelsteinläden auf der Erde findet, aber jeder von ihnen hat nur einen Durchmesser von etwa 10 Nanometern – ein Millionstel eines Zentimeters.
“Hubble-Daten spielten eine Schlüsselrolle bei der Bestimmung der Größe dieser Partikel”, erklärte Mitautorin Nikole Lewis von der Cornell University, die das Webb Guaranteed Time Observation (GTO)-Program leitet, das dazu gedacht ist, bei der Erstellung eines dreidimensionales Bild der Atmosphäre eines heißen Jupiters zu helfen. “Wir wissen, daß allein auf Grund der MIRI-Daten von Webb Siliziumdioxid gibt, aber wir brauchten die optischen und nahinfraroten Beobachtungen von Hubble, um herauszufinden, wie groß die Kristalle sind.”
Im Gegensatz zu Mineralpartikeln, die in Wolken auf der Erde zu finden sind, werden die in den Wolken von WASP-17 b entdeckten Quarzkristalle nicht von einer felsigen Oberfläche aufgewirbelt. Stattdessen stammen sie aus der Atmosphäre selbst. “WASP-17 b ist extrem heiß – rund 1.500 Grad Celsius – und der Druck, unter dem sich die Quarzkristalle hoch in der Atmosphäre bilden, beträgt nur etwa ein Tausendstel dessen, was wir auf der Erdoberfläche erleben”, erklärt Grant. “Unter diesen Bedingungen können sich feste Kristalle direkt aus Gas bilden, ohne vorher eine flüssige Phase zu durch-laufen.”
Zu verstehen, woraus die Wolken bestehen, ist ausschlaggebend für das Verständnis des Planeten als Ganzes. Heiße Jupiter wie WASP-17 b bestehen hauptsächlich aus Wasserstoff und Helium, mit geringen Mengen anderer Gase wie Wasserdampf (H2O) und Kohlendioxid (CO2). “Wenn wir nur den Sauerstoff berücksichtigen, der in diesen Gasen enthalten ist, und den in Mineralien wie Quarz (SiO2) eingeschlossenen Sauerstoff vernachlässigen, unterschätzen wir die Gesamthäufigkeit erheblich”, erklärt Wakeford. “Diese wunderschönen Quarzkristalle geben uns Aufschluß über den Bestand an verschiedenen Materialien und darüber, wie sie alle zusammen die Umwelt dieses Planeten gestalten.”
Wie viel Quarz genau vorhanden ist und wie weit verbreitet die Wolken sind, ist schwer zu bestimmen. “Die Wolken sind wahrscheinlich entlang des Tag-Nacht-Übergangs (des Terminators) vorhanden, also in der Region, die wir mit unseren Beobachtungen untersuchen”, so Grant. Da der Planet gebunden rotiert und damit eine sehr heiße Tagseite und eine kühlere Nachtseite hat, ist es wahrscheinlich, daß die Wolken um den Planeten zirkulieren, aber verdampfen, wenn sie die heißere Tagseite erreichen. “Die Winde könnten diese winzigen glasartigen Partikel mit Tausenden von Kilometern/Stunde umher wirbeln.”
WASP-17 b ist einer der drei Planeten, die von dem JWST Telescope Scientist Team im Rahmen seiner Deep Reconnais-sance of Exoplanet Atmospheres using Multi-Instrument Spectroscopy (DREAMS) Untersuchungen ins Visier genommen wird. Mit diesen Untersuchungen soll ein umfassender Satz von Beobachtungen eines Vertreters jeder wichtigen Klasse von Exoplaneten gesammelt werden: ein heißer Jupiter, ein warmer Neptun und ein gemäßigter Gesteinsplanet. Die MIRI-Beobachtungen des heißen Jupiters WASP-17 b wurden im Rahmen des GTO-Programms 1353 durchgeführt.
Das James-Webb-Weltraumteleskop ist das weltweit führende Observatorium für Weltraumforschung. Webb wird Rätsel in unserem Sonnensystem lösen, einen Blick auf ferne Welten um andere Sterne werfen und die geheimnisvollen Strukturen und Ursprünge unseres Universums und unseren Platz darin erforschen. Webb ist ein internationales Programm unter der Leitung der NASA und ihrer Partner ESA (Europäische Weltraumorganisation) und CSA (Kanadische Weltraum-organisation).
Exoplanet WASP-17 b (Künstlerischer Entwurf)
- Fast Facts
- Objekt
- Objektname(n): WASP-17 b (auch Ditsö̀ genannt)
- Objektbeschreibung: Heißer Jupiter-Exoplanet
- Rektaszension: 15:59:50.94
- Deklination: -28:03:42.46
- Sternbild: Scorpius
- Entfernung: 1.300 Lichtjahre (400 Parsecs)
- Abmessung: Durchmesser = 1,9 × Jupiter; Masse = 0,48 × Jupiter
Über das Bild: Dieser künstlerische Entwurf zeigt, wie der Exoplanet WASP-17 b aussehen könnte.
WASP-17 b, auch Ditsö̀ genannt, ist ein heißer Gasriese, der seinen Stern in einem Abstand von nur 0,051 AE (ungefähr 7,6 Millionen Kilometer oder ein Achtel der Entfernung zwischen Merkur und Sonne) umkreist und dabei eine volle Umrundung in etwa 3,7 Erdtagen absolviert. Das System liegt innerhalb der Milchstraße, etwa 1.300 Lichtjahre von der Erde entfernt, im Sternbild Skorpion.
Mit einem Volumen, das mehr als siebenmal so groß ist wie das des Jupiters, und einer Masse, die weniger als die Hälfte des Jupiters beträgt, ist WASP-17 b ein extrem aufgeblähter Planet. Seine kurze Umlaufzeit, seine Größe und seine dicke, ausgedehnte Atmosphäre machen ihn ideal für die Beobachtung mit Hilfe der Transmissionsspektroskopie, bei der die Auswirkungen der Planetenatmosphäre auf das Sternenlicht gemessen werden, das durch die Atmosphäre läuft.
Die Atmosphäre von WASP-17 b besteht hauptsächlich aus Wasserstoff und Helium sowie geringen Mengen Wasser-dampf und Andeutungen von Kohlendioxid und anderen Molekülen. Beobachtungen im Infrarotlicht mit Webb’s Mid-Infrared Instrument (MIRI) bei 5 bis 12 Mikron zeigen, daß die Atmosphäre von WASP-17 b auch Wolken von Nano-kristallen aus Quarz (SiO2) enthält.
WASP-17 b rotiert gebunden und hat eine retrograde Umlaufbahn. Seine Temperatur reicht von ungefähr 1.000 Kelvin (725 Grad C) auf der kühleren Nachtseite bis fast 2.000 Kelvin (1.725 Grad C) auf der Seite, auf der ständig Tageslicht herrscht.
WASP-17 (auch Dìwö genannt) ist ein Stern vom Typ F: geringfügig größer, massereicher, heißer und weißer als die Sonne.
Diese künstlerische Darstellung basiert auf neuen, von MIRI gesammelten Daten, sowie auf früheren Beobachtungen anderer boden- und weltraumgestützter Teleskope, einschließlich des Hubble-Teleskops der NASA und des abgeschal-teten Spitzer-Teleskops. Webb hat noch keine Bilder des Planeten aufgenommen.
Exoplanet WASP-17 b (MIRI Transmissionsspektrum)
- Fast Facts
- Objekt
- Objektname(n): WASP-17 b (auch Ditsö̀ genannt)
- Objektbeschreibung: Heißer Jupiter-Exoplanet
- Rektaszension: 15:59:50.94
- Deklination: -28:03:42.46
- Sternbild: Scorpius
- Entfernung: 1.300 Lichtjahre (400 Parsecs)
- Abmessung: Durchmesser = 1,9 × Jupiter; Masse = 0,48 × Jupiter
- Daten
- Instrument: MIRI
Über das Bild: Ein Transmissionsspektrum des heißen Gasriesen WASP-17 b, das von MIRI (Webb’s Mid-Infrared Instrument) am 12. und 13. März 2023 aufgenommen wurde, zeigt in den Wolken des Exoplaneten den ersten Nachweis von Quarz (kristallines Siliziumdioxid, SiO2).
Das Spektrum wurde durch Messung der Helligkeitsveränderung von 28 Wellenlängenbändern des mittleren Infrarotlichts während des Transits des Planeten vor seinem Stern erstellt. Webb beobachtete das WASP-17-System mit dem niedrig auflösenden MIRI-Spektrographen fast 10 Stunden lang und sammelte mehr als 1.275 Messungen vor, während und nach dem Transit.
Für jede Wellenlänge wurde die durch die Planetenatmosphäre blockierte Lichtmenge (weiße Kreise) berechnet, indem die durch die Atmosphäre hindurch gelassene Lichtmenge von der ursprünglich vom Stern abgestrahlten Menge abgezogen wurde.
Die durchgezogene lila Linie ist das am besten angepaßte Modell für die Webb- (MIRI), Hubble- und Spitzer-Daten. (Die Hubble- und Spitzer-Daten decken Wellenlängen von 0,34 bis 4,5 Mikrometer ab und sind in der Grafik nicht dargestellt). Das Spektrum zeigt ein deutliches Signal bei 8,6 Mikrometer, von dem die Astronomen annehmen, daß es durch Siliziumdioxidteilchen verursacht wird, die einen Teil des Sternenlichts absorbieren, das durch die Atmosphäre dringt.
Die gestrichelte gelbe Linie zeigt, wie dieser Teil des Transmissionsspektrums aussehen würde, wenn die Wolken in der Atmosphäre von WASP-17 b kein SiO2 enthalten würden.
Dies ist das erste Mal, daß SiO2 auf einem Exoplaneten identifiziert wurde, und das erste Mal, daß eine bestimmte Wolkenart bei einem transitierenden Exoplaneten identifiziert wurde.