Webb’s Wetterprognose für Titan: Teilweise bewölkt mit gelegentlichen Methanschauern

Originalveröffentlichung am 14.05.2025 zu finden unter: https://webbtelescope.org/news/news-releases

Zusammenfassung: Astronomen sehen Anzeichen für Wolken, die über der nördlichen Hemisphäre des Titan brodeln

Der Saturnmond Titan ist der einzige Mond des Sonnensystems mit einer nennenswerten Atmosphäre. Sie enthält zudem eine Suppe aus kohlenstoffhaltigen Molekülen, was ihn trotz seiner kalten Temperatur von etwa -180 Grad Celsius zu einem interessanten Ziel für astrobiologische Studien macht.

Astronomen haben sowohl Sonden wie Cassini/Huygens als auch bodengestützte Teleskope wie die W.M. Keck Observatorien genutzt, um das Wetter auf Titan zu beobachten. Jetzt hat ein Team die Daten von NASA’s James-Webb-Weltraumteleskop und des Keck II Teleskops kombiniert, um zum ersten Mal Beweise für Wolkenkonvektion in der nördlichen Hemisphäre des Titans zu finden. Die meisten Seen und Meere des Titans befinden sich in dieser Hemisphäre und werden wahrscheinlich durch einen gelegentlichen Regen aus Methan und Ethan aufgefüllt.

Der Saturnmond Titan ist eine faszinierende Welt, die in einen gelblichen, dunstigen Schleier gehüllt ist. Ähnlich wie auf der Erde besteht die Atmosphäre größtenteils aus Stickstoff und es gibt Wetter, einschließlich Wolken und Regen. Im Gegensatz zur Erde, deren Wetter durch verdampfendes und kondensierendes Wasser angetrieben wird, besitzt der eisige Titan einen Methankreislauf.

Das James-Webb-Weltraumteleskop der NASA, ergänzt durch Bilder des Keck-II-Teleskops, hat zum ersten Mal Beweise für Wolkenkonvektion in der nördlichen Hemisphäre des Titan gefunden, über einer Region mit Seen und Meeren. Webb hat auch ein wichtiges kohlenstoffhaltiges Molekül entdeckt, das Aufschluß über die chemischen Prozesse in der komplexen Atmosphäre des Titan gibt.

Das Wetter des Titan

Auf Titan spielt Methan eine ähnliche Rolle wie Wasser auf der Erde, wenn es um das Wetter geht. Es verdunstet von der Oberfläche und steigt in die Atmosphäre auf, wo es kondensiert und Methanwolken bildet. Gelegentlich fällt es als kühler, öliger Regen auf eine feste Oberfläche, deren Wassereis hart wie Stein ist.

„Titan ist der einzige andere Ort in unserem Sonnensystem, an dem es ein Wetter wie auf der Erde gibt, in dem Sinne, daß es Wolken und Regen auf eine Oberfläche gibt“, erklärte der Hauptautor Conor Nixon vom Goddard Space Flight Center der NASA in Greenbelt, Maryland.

Das Team beobachtete Titan im November 2022 und im Juli 2023 sowohl mit dem Webb-Teleskop als auch mit einem der Zwillingsteleskope des W.M. Keck Observatoriums am Boden. Diese Beobachtungen zeigten nicht nur Wolken in den mittleren und hohen nördlichen Breiten auf Titan – der Hemisphäre, in der es derzeit Sommer ist – sondern auch, daß diese Wolken im Laufe der Zeit offenbar in größere Höhen aufsteigen. Während in früheren Studien Wolkenkonvektion in südlichen Breiten beobachtet wurde, ist dies das erste Mal, daß eine solche Konvektion im Norden nachgewiesen wurde. Dies ist insofern von Bedeutung, als sich die meisten Seen und Meere des Titan in seiner nördlichen Hemisphäre befinden und die Verdunstung aus Seen eine wichtige potenzielle Methanquelle darstellt. Ihre Gesamtfläche ist vergleichbar mit der der Großen Seen in Nordamerika.

Auf der Erde reicht die unterste Schicht der Atmosphäre, die Troposphäre, bis zu einer Höhe von etwa 12 Kilometern. Auf Titan jedoch, dessen geringere Schwerkraft eine Ausdehnung der Atmosphärenschichten ermöglicht, erstreckt sich die Troposphäre bis zu einer Höhe von ungefähr 45 Kilometern. Webb und Keck benutzten verschiedene Infrarotfilter, um in unterschiedliche Tiefen der Titanatmosphäre vorzudringen, so daß die Astronomen die Höhe der Wolken abschätzen konnten. Das Wissenschaftsteam beobachtete Wolken, die sich über einen Zeitraum von mehreren Tagen in größere Höhen zu bewegen schienen, obgleich sie nicht in der Lage waren, direkt zu sehen, ob es zu Niederschlägen kam.

Die Chemie des Titan

Titan ist ein Objekt von großem astrobiologischen Interesse aufgrund seiner komplexen organischen (kohlenstoffhaltigen) Chemie. Organische Moleküle bilden die Grundlage allen Lebens auf der Erde, und ihre Untersuchung auf einer Welt wie Titan kann den Wissenschaftlern helfen, die Prozesse zu verstehen, die zur Entstehung des Lebens auf der Erde geführt haben.

Das einen Großteil der Chemie auf Titan bestimmende Molekül ist Methan oder CH4. Das Methan in der Titanatmosphäre wird durch Sonnenlicht oder energiereiche Elektronen aus der Saturnmagnetosphäre aufgespalten und verbindet sich dann mit anderen Molekülen zu Substanzen wie Ethan (C2H6) und komplexeren kohlenstoffhaltigen Molekülen.

Die Daten von Webb lieferten ein wichtiges fehlendes Element für unser Verständnis der chemischen Prozesse: den definitiven Nachweis des Methylradikals CH3. Dieses Molekül (das „Radikal“ genannt wird, weil es ein „freies“ Elektron hat, das nicht in einer chemischen Bindung steckt) bildet sich, wenn Methan aufgespalten wird. Der Nachweis dieser Substanz bedeutet, daß die Wissenschaftler zum ersten Mal die Chemie auf Titan in Aktion sehen können und nicht nur die Ausgangsstoffe und die Endprodukte.

„Zum ersten Mal können wir den chemischen Kuchen sehen, während er im Ofen aufgeht, und nicht nur die Ausgangszutaten Mehl und Zucker, und dann den fertigen Kuchen“, sagt Mitautorin Stefanie Milam vom Goddard Space Flight Center.

Die Zukunft von Titan’s Atmosphäre

Diese Kohlenwasserstoffchemie hat langfristige Auswirkungen auf Titan’s Zukunft. Wenn Methan in der oberen Atmosphäre aufgespalten wird, rekombiniert ein Teil davon zu anderen Molekülen, die schließlich in der einen oder anderen chemischen Form auf der Titanoberfläche landen, während etwas Wasserstoff aus der Atmosphäre entweicht. Infolgedessen wird das Methan mit der Zeit erschöpft sein, es sei denn, es gibt eine Quelle, die es wieder auffüllt.

Ein ähnlicher Prozeß fand auf dem Mars statt, wo Wassermoleküle gespalten wurden und der daraus resultierende Wasserstoff in den Weltraum verloren ging. Das Ergebnis war der trockene Wüstenplanet, den wir heute sehen.

„Auf Titan ist Methan ein Verbrauchsgut. Es ist möglich, daß es ständig nachgeliefert wird und über Milliarden von Jahren aus der Kruste und dem Inneren austritt. Wenn das nicht der Fall ist, wird irgendwann alles verschwunden sein und Titan wird zu einer weitgehend luftleeren Welt aus Staub und Dünen“, so Nixon.

Ergänzung durch die Dragonfly-Mission

Die Dragonfly-Mission der NASA wird weitere Geheimnisse des Titan erforschen. Das robotische Drehflügelflugzeug soll 2034 auf dem Saturnmond landen. In mehreren Flügen wird Dragonfly eine Vielzahl von Orten erkunden. Seine eingehenden Untersuchungen werden die globale Sicht von Webb ergänzen.

„Durch die Kombination all dieser Ressourcen, darunter Webb, das Hubble-Weltraumteleskop der NASA sowie bodengestützte Observatorien, wahren wir die Kontinuität zwischen der früheren Cassini/Huygens-Mission zum Saturn und der bevorstehenden Dragonfly-Mission“, fügte Heidi Hammel, Vizepräsidentin der Association of Universities for Research in Astronomy und interdisziplinäre Wissenschaftlerin bei Webb, hinzu.

Diese Daten wurden im Zuge von Hammel’s Guaranteed Time Observations program zur Erforschung des Sonnensystems aufgenommen. Die Ergebnisse wurden in der Zeitschrift Nature Astronomy veröffentlicht.

Das James-Webb-Weltraumteleskop ist das weltweit führende Observatorium für Weltraumforschung. Webb wird Rätsel in unserem Sonnensystem lösen, einen Blick auf ferne Welten um andere Sterne werfen und die geheimnisvollen Strukturen und Ursprünge unseres Universums und unseren Platz darin erforschen. Webb ist ein internationales Programm unter der Leitung der NASA und ihrer Partner ESA (Europäische Weltraumorganisation) und CSA (Kanadische Weltraumorganisation).

Titan (Webb und Keck Ansicht)

Ansicht: NASA, ESA, CSA, STScI, Keck Observatory
  • Fast Facts
  • Objekt
  • Objektname(n): Titan
  • Objektbeschreibung: Saturnmond
  • Daten
  • Instrument: NIRCam, NIRC2
  • Filter: NIRCam: F140M, F150W, F200W
  • Filter: NIRC2: F213N (H2 1-0), F212N (Kp), F206N (He1b)
  • Bild
  • Diese Bilder sind ein Komposit aus separaten Aufnahmen, die vom James-Webb-Weltraumteleskop und dem Keck Observatorium mit den Instrumenten NIRCam bzw. NIRC2 gemacht wurden. Es wurden mehrere Filter verwendet, um bestimmte Wellenlängenbereiche zu erfassen. Die Farbe ergibt sich aus der Zuweisung verschiedener Farbtöne (Farben) zu jedem monochromatischen (Graustufen-)Bild, das einem einzelnen Filter zugeordnet ist. In diesem Fall sind die zugewiesenen Farben:
  • Webb> Blau: F140M Grün: F150W Rot: F200W
  • Keck> Blau: F213N (H2 1-0) Grün: F212N (Kp) Rot: F206N (He1b)

Über das Bild: Diese Bilder von Titan wurden von NASA’s James-Webb-Weltraumteleskop am 11. Juli 2023 (obere Reihe) und von den bodengestützten W.M. Keck Observatorien am 14. Juli 2023 (untere Reihe) aufgenommen. Sie zeigen Methanwolken (gekennzeichnet durch die weißen Pfeile), die in verschiedenen Höhen auf der Nordhalbkugel des Titans auftreten.

Auf der linken Seite sind Bilder in charakteristischen Farben von beiden Teleskopen zu sehen. Auf dem Webb-Bild ist das Licht bei 1,4 Mikrometern blau, bei 1,5 Mikrometern grün und bei 2,0 Mikrometern rot gefärbt (Filter F140M, F150W bzw. F200W). Im Keck-Bild ist das Licht bei 2,13 Mikrometern blau, bei 2,12 Mikrometern grün und bei 2,06 Mikrometern rot gefärbt (H2 1-0, Kp bzw. He1b).

Die mittlere Spalte zeigt Bilder bei einer einzigen Wellenlänge, die von Webb und Keck bei 2,12 Mikrometern aufgenommen wurden. Diese Wellenlänge ist empfindlich für die Emission aus der unteren Troposphäre des Titan. Die Bilder ganz rechts zeigen Emissionen bei 1,64 Mikrometern (Webb) und 2,17 Mikrometern (Keck), die für größere Höhen in der oberen Troposphäre und Stratosphäre (eine atmosphärische Schicht oberhalb der Troposphäre) des Titan sprechen. Sie zeigt, daß die Wolken am 14. Juli in größerer Höhe zu sehen sind als zuvor am 11. Juli, was auf eine Aufwärtsbewegung hindeutet.

Chemie in der Atmosphäre des Titan

Künstlerische Darstellung: NASA, ESA, CSA, Elizabeth Wheatley (STScI)

Über das Bild: Diese Vier-Felder-Infographik veranschaulicht einen wichtigen chemischen Prozeß, von dem man annimmt, daß er in der Atmosphäre des Saturnmondes Titan stattfindet. 1) Titan hat eine dichte Stickstoffatmosphäre (N2), die auch Methan (CH4) enthält. 2) Moleküle, als Methylradikale (CH3) bekannt, bilden sich, wenn Methan durch Sonnenlicht oder energiereiche Elektronen aus der Magnetosphäre des Saturns aufgespalten wird. 3) Sie verbinden sich dann mit anderen Molekülen oder mit sich selbst zu Substanzen wie Ethan (C2H6). 4) Methan, Ethan und andere Moleküle kondensieren und regnen aus der Atmosphäre und bilden Seen und Meere auf der Oberfläche des Titan. Das James-Webb-Weltraumteleskop der NASA entdeckte das Methylradikal auf Titan zum ersten Mal und lieferte damit ein wichtiges fehlendes Element für unser Verständnis der chemischen Prozesse auf Titan.

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