Originalveröffentlichung am 30.11.2023 zu finden unter: https://webbtelescope.org/news/news-releases
Zusammenfassung: Astronomen finden eine Reihe von Molekülen, die zu den Bausteinen von Gesteinsplaneten gehören
Der Weltraum ist eine raue Umgebung, aber einige Gebiete sind noch rauer als andere. Eine Sternentstehungsregion, die als Hummernebel bekannt ist, beherbergt einige der massereichsten Sterne in unserer Galaxis. Massereiche Sterne sind heißer und strahlen daher mehr ultraviolettes Licht (UV) ab. Dieses UV-Licht durchflutet die sich bildenden Planeten-scheiben um nahe Sterne. Astronomen würden erwarten, daß das UV-Licht viele chemische Moleküle aufspaltet. Das James-Webb-Weltraumteleskop hat jedoch eine Vielzahl von Molekülen in einer solchen Scheibe entdeckt, darunter Wasser, Kohlenmonoxid, Kohlendioxid, Cyanwasserstoff und Acetylen. Solche Moleküle gehören zu den Bausteinen von Gesteinsplaneten.
Ein internationales Team von Astronomen hat mit dem James-Webb-Weltraumteleskop der NASA erstmals Wasser und andere Moleküle in den stark bestrahlten inneren, Gesteinsplaneten bildenden Regionen einer Scheibe in einer der extremsten Umgebungen in unserer Galaxis beobachtet. Diese Ergebnisse deuten darauf hin, daß die Bedingungen für die Bildung von Felsenplaneten in einem möglicherweise breiteren Spektrum von Umgebungen auftreten können als bisher angenommen.
Dies sind die ersten Ergebnisse des Programms „eXtreme Ultraviolet Environments“ (XUE) mit dem James-Webb-Weltraumteleskop, das sich auf die Charakterisierung von Planeten bildenden Scheiben (riesige, rotierende Wolken aus Gas, Staub und Gesteinsbrocken, in denen sich Planeten bilden und entwickeln) in massiven Sternentstehungsgebieten konzentriert. Diese Regionen sind wahrscheinlich repräsentativ für die Umgebung, in der sich die meisten Planeten-systeme gebildet haben. Das Verständnis des Einflusses der Umgebung auf die Planetenentstehung ist für Wissen-schaftler wichtig, um Einblicke in die Vielfalt der verschiedenen Arten von Exoplaneten zu gewinnen.
Das XUE-Programm zielt auf insgesamt 15 Scheiben in drei Bereichen des Hummernebels (auch bekannt als NGC 6357), einem großen Emissionsnebel, der etwa 5.500 Lichtjahre von der Erde entfernt im Sternbild Skorpion liegt. Der Hummer-nebel ist einer der jüngsten und nächstgelegenen massereichen Sternentstehungskomplexe und beherbergt einige der massereichsten Sterne in unserer Galaxis. Massereiche Sterne sind heißer und geben daher mehr ultraviolette Strahlung (UV) ab. Dadurch kann sich das Gas auflösen, so daß die erwartete Lebensdauer der Scheibe nur eine Million Jahre be-trägt. Dank Webb können die Astronomen nun die Auswirkungen der UV-Strahlung auf die inneren Regionen der proto-planetaren Scheiben um Sterne wie unsere Sonne untersuchen, in denen sich terrestrische Planeten bilden.
“Webb ist das einzige Teleskop mit der räumlichen Auflösung und Empfindlichkeit, um Planeten bildende Scheiben in massereichen Sternentstehungsgebieten zu untersuchen”, sagt die Leiterin des Teams, María Claudia Ramírez-Tannus vom Max-Planck-Institut für Astronomie in Deutschland.
Die Astronomen wollen die physikalischen Eigenschaften und die chemische Zusammensetzung der Felsenplaneten bildenden Regionen der Scheiben im Hummernebel mit Hilfe des Medium Resolution Spectrometer von Webb’s Mid-Infrared Instrument (MIRI) charakterisieren. Dieses erste Ergebnis konzentriert sich auf die protoplanetare Scheibe mit der Bezeichnung XUE 1, die sich im Sternhaufen Pismis 24 befindet.
“Nur der MIRI-Wellenlängenbereich und die spektrale Auflösung ermöglichen es uns, das molekulare Inventar und die physikalischen Bedingungen des warmen Gases und Staubs zu untersuchen, in dem sich Gesteinsplaneten bilden”, fügte Arjan Bik von der Universität Stockholm in Schweden hinzu.
Wegen seiner Lage in der Nähe mehrerer massereicher Sterne in NGC 6357 gehen die Wissenschaftler davon aus, daß XUE 1 während seines gesamten Lebens ständig hohen Mengen an ultravioletter Strahlung ausgesetzt war. In dieser extremen Umgebung entdeckte das Team dennoch eine Reihe von Molekülen, die die Bausteine für terrestrische Planeten sind.
“Wir stellen fest, daß die innere Scheibe um XUE 1 den Scheiben in nahegelegenen Sternentstehungsgebieten bemer-kenswert ähnlich ist”, so Teammitglied Rens Waters von der Radboud-Universität in den Niederlanden. “Wir haben Wasser und andere Moleküle wie Kohlenmonoxid, Kohlendioxid, Cyanwasserstoff und Acetylen nachgewiesen. Die gefundene Emission war jedoch schwächer als von einigen Modellen vorhergesagt. Dies könnte auf einen kleinen äußeren Scheiben-radius hindeuten.”
“Wir waren überrascht und aufgeregt, weil dies das erste Mal ist, daß diese Moleküle unter diesen extremen Bedingungen nachgewiesen wurden”, fügte Lars Cuijpers von der Radboud Universität hinzu. Das Team fand auch kleinen, teilweise kristallinen Silikatstaub an der Oberfläche der Scheibe. Dieser wird als Baustein für felsige Planeten angesehen.
Diese Ergebnisse sind eine gute Nachricht für die Bildung von Gesteinsplaneten, denn das Wissenschaftsteam stellt fest, daß die Bedingungen in der inneren Scheibe denen in den gut untersuchten Scheiben in nahen Sternentstehungsgebieten ähneln, in denen sich nur massearme Sterne bilden. Dies legt nahe, daß Gesteinsplaneten in einem viel breiteren Spek-trum von Umgebungen entstehen können als bisher angenommen.
Das Team merkt an, daß die verbleibenden Beobachtungen aus dem XUE-Programm entscheidend sind, um die Gemein-samkeiten dieser Bedingungen zu ermitteln.
“XUE 1 zeigt uns, daß die Bedingungen für die Bildung von Gesteinsplaneten gegeben sind. Der nächste Schritt ist nun zu prüfen, wie häufig dies der Fall ist”, sagt Ramírez-Tannus. “Wir werden andere Scheiben in der gleichen Region beobach-ten, um die Häufigkeit zu bestimmen, mit der diese Bedingungen beobachtet werden können.”
Diese Ergebnisse sind in der Zeitschrift The Astrophysical Journal veröffentlicht worden.
Das James-Webb-Weltraumteleskop ist das weltweit führende Observatorium für Weltraumforschung. Webb wird Rätsel in unserem Sonnensystem lösen, einen Blick auf ferne Welten um andere Sterne werfen und die geheimnisvollen Strukturen und Ursprünge unseres Universums und unseren Platz darin erforschen. Webb ist ein internationales Programm unter der Leitung der NASA und ihrer Partner ESA (Europäische Weltraumorganisation) und CSA (Kanadische Weltraum-organisation).
Protoplanetare Scheibe XUE 1 (Abbildung)
Über das Bild: Dies ist eine künstlerische Darstellung eines jungen Sterns, der von einer protoplanetaren Scheibe umge-ben ist, in der sich Planeten bilden.
Ein internationales Team von Astronomen hat mit NASA’s James-Webb-Weltraumteleskop erstmals Wasser und andere Moleküle in der sehr stark bestrahlten inneren, terrestrische Planeten bildenden Region einer Scheibe in einer der extremsten Umgebungen in unserer Galaxis beobachtet. Diese Ergebnisse legen nahe, daß die Bedingungen für die Bildung von Gesteinsplaneten, die typischerweise in den Scheiben massearmer Sternentstehungsgebiete zu finden sind, auch in massereichen Sternentstehungsgebieten und möglicherweise in einem breiteren Spektrum von Umgebungen auftreten können als bisher angenommen.
Protoplanetare Scheibe XUE 1 (MIRI Emissionsspektrum: 13.3–15.5 Mikrometer)
Über das Bild: Diese Graphik zeigt einige der ersten Ergebnisse des James-Webb-Weltraumteleskop-Programms „eXtreme UV Environments“ (XUE). Die Astronomen konzentrierten sich auf Gesteinsplaneten bildende Regionen von Scheiben im Hummernebel, wobei sie Webb’s Medium Resolution Spectrometer (MRS) des Mittelinfrarot-Instruments (MIRI) verwendeten. Dieses erste Ergebnis konzentriert sich auf die protoplanetare Scheibe mit der Bezeichnung XUE 1, die sich im Sternhaufen Pismis 24 befindet.
In der inneren Scheibe um XUE 1 wurden Signaturen von Wasser (hier blau hervorgehoben und um 14,2 Mikrometer zentriert) sowie Acetylen (C2H2, grün hervorgehoben; zentriert um 13,7 Mikrometer), Cyanwasserstoff (HCN, braun hervorgehoben; zentriert um 14,0 Mikrometer) und Kohlendioxid (CO2, rot hervorgehoben; zentriert um 14,95 Mikrometer) entdeckt. Wie angedeutet, waren einige der entdeckten Emissionen schwächer als in einigen Modellen vorhergesagt, was auf einen kleinen äußeren Scheibenradius hindeuten könnte.
Protoplanetare Scheibe XUE 1 (MIRI Emissionsspektrum: 4.95–5.15 Mikrometer)
Über das Bild: Diese Graphik zeigt einige der ersten Ergebnisse des James-Webb-Weltraumteleskop-Programms „eXtreme UV Environments“ (XUE). Die Astronomen konzentrierten sich auf Felsenplaneten bildende Regionen von Scheiben im Hummernebel, wobei sie Webb’s Medium Resolution Spectrometer (MRS) des Mittelinfrarot-Instruments (MIRI) verwendeten. Dieses erste Ergebnis konzentriert sich auf die protoplanetare Scheibe mit der Bezeichnung XUE 1, die sich im Sternhaufen Pismis 24 befindet.
Diese Graphik zeigt die beobachteten Signaturen von Kohlenmonoxid im Bereich von 4,95 bis 5,15 Mikrometer.