Originalveröffentlichung am 16.12.2024 zu finden unter: https://webbtelescope.org/news/news-releases
Zusammenfassung: Neue Daten bestätigen Hubble-Ergebnis und widerlegen gängige Theorien zur Planetenbildung in der Frühzeit des Universums
Dank seiner außergewöhnlichen Empfindlichkeit und Auflösung hat Webb gerade ein mehr als zwei Jahrzehnte altes Rätsel gelöst. Im Jahr 2003 entdeckte das Hubble-Weltraumteleskop Hinweise auf einen massereichen Planeten um einen alten Stern. Dies stellte die Astronomen vor ein Rätsel, denn sie wußten, daß solchen Sternen in der Frühzeit des Universums viele der schwereren Elemente fehlten, die für die Bildung von Planeten unerläßlich sind. Aktuelle Modelle sagen voraus, daß die Scheiben um diese Art von Sternen eine kurze Lebensdauer haben, so kurz, daß Planeten nicht groß werden oder sich vielleicht sogar überhaupt nicht bilden können. Und doch, da war er!
Daraufhin wandten sich die Astronomen einem nahe gelegenen Beispiel für das frühe Universum zu – der Sternentstehungsregion NGC 346. Dort sah Hubble Anzeichen dafür, daß sich in der Umgebung von Sternen, die 20 bis 30 Millionen Jahre alt sind, Planetenscheiben gebildet haben – viel älter als die Theorien vorhersagten, daß solche Scheiben überleben könnten.
Die Hubble-Ergebnisse waren faszinierend, aber ohne Möglichkeit, Spektren zu erhalten, konnten die Wissenschaftler nicht sicher sein, daß sie Zeugen einer echten Akkretion und der Anwesenheit von Scheiben waren. Mit Hilfe von Webb haben die Forscher nun das Vorhandensein von planetenbildenden Scheiben in NGC 346 bestätigt und entdeckt, daß diese Scheiben sehr langlebig sind. Diese Entdeckung bestätigt das Hubble-Ergebnis und veranlaßt die Wissenschaftler, die derzeitigen Modelle der Planetenbildung zu überdenken.
NASA’s James-Webb-Weltraumteleskop hat gerade ein Rätsel gelöst, indem es eine umstrittene Erkenntnis bewiesen hat, die vor mehr als 20 Jahren mit dem Hubble-Weltraumteleskop der Behörde gemacht wurde.
Im Jahr 2003 lieferte Hubble den Beweis für einen massereichen Planeten um einen sehr alten Stern, der fast so alt ist wie das Universum. Solche Sterne besitzen nur geringe Mengen an schwereren Elementen, die die Bausteine von Planeten sind. Dies deutet darauf hin, daß sich Planeten gebildet haben, als unser Universum noch sehr jung war, und daß diese Planeten Zeit hatten, sich zu bilden und in ihren ursprünglichen Scheiben groß zu werden, sogar größer als Jupiter. Aber wie? Das war rätselhaft.
Um diese Frage zu beantworten, untersuchten die Forscher mit Webb Sterne in einer nahe gelegenen Galaxie, die ähnlich wie das frühe Universum keine großen Mengen an schweren Elementen enthält. Sie fanden heraus, daß einige Sterne dort nicht nur planetenbildende Scheiben haben, sondern daß diese Scheiben auch langlebiger sind als die, die man um junge Sterne in unserer Milchstraße sieht.
„Mit Webb haben wir eine wirklich starke Bestätigung dessen, was wir mit Hubble gesehen haben, und wir müssen unsere Modelle für die Planetenbildung und die frühe Entwicklung im jungen Universum überdenken“, sagte der Leiter der Studie, Guido De Marchi vom Europäischen Weltraumforschungs- und Technologiezentrum in Noordwijk, Niederlande.
Eine andere Umgebung in der Frühzeit
In der Frühzeit des Universums bildeten sich die Sterne hauptsächlich aus Wasserstoff und Helium und nur aus wenigen schwereren Elementen wie Kohlenstoff und Eisen, die erst später durch Supernova-Explosionen erschienen.
„Aktuelle Modelle sagen voraus, daß mit so wenigen schwereren Elementen die Scheiben um Sterne eine kurze Lebensdauer haben, und zwar so kurz, daß Planeten nicht groß werden können“, sagt Elena Sabbi, die an der Webb-Studie mitgewirkte und leitende Wissenschaftlerin des Gemini Observatory am NOIRLab der National Science Foundation in Tucson ist. „Aber Hubble hat diese Planeten gesehen, was also, wenn die Modelle nicht korrekt waren und die Scheiben länger leben könnten?“
Um diese Idee zu testen, richteten die Wissenschaftler Webb auf die Kleine Magellansche Wolke, eine Zwerggalaxie, die zu den nächsten Nachbarn der Milchstraße gehört. Sie untersuchten insbesondere den massereichen, sternbildenden Haufen NGC 346, der ebenfalls einen relativen Mangel an schwereren Elementen aufweist. Der Haufen diente als nahe gelegener Stellvertreter für die Untersuchung stellarer Umgebungen mit ähnlichen Bedingungen wie im frühen, fernen Universum.
Hubble-Beobachtungen von NGC 346 aus der Mitte der 2000er Jahre ergaben, daß viele Sterne, die etwa 20 bis 30 Millionen Jahre alt sind, wohl noch planetenbildende Scheiben um sich haben. Dies stand im Gegensatz zu der herkömmlichen Annahme, daß sich solche Scheiben nach 2 oder 3 Millionen Jahren auflösen würden.
„Die Hubble-Ergebnisse waren umstritten, denn sie widersprachen nicht nur empirischen Beweisen aus unserer Milchstraße, sondern auch den gängigen Modellen“, so De Marchi. „Das war faszinierend, aber ohne eine Möglichkeit, Spektren dieser Sterne zu erhalten, konnten wir nicht wirklich feststellen, ob wir Zeugen echter Akkretion und des Vorhandenseins von Scheiben oder nur künstlicher Effekte waren.“
Dank der Empfindlichkeit und Auflösung von Webb verfügen die Forscher nun über die ersten Spektren von sich bildenden, sonnenähnlichen Sternen und ihrer unmittelbaren Umgebung in einer nahen Galaxie.
„Wir sehen, daß diese Sterne tatsächlich von Scheiben umgeben und immer noch dabei sind, Material zu verschlingen, selbst bei einem relativ hohen Alter von 20 oder 30 Millionen Jahren“, sagt De Marchi. „Das bedeutet auch, daß Planeten um diese Sterne herum mehr Zeit haben, sich zu bilden und zu wachsen, als in nahen Sternentstehungsgebieten in unserer eigenen Galaxis.“
Eine neue Denkweise
Diese Erkenntnis widerlegt frühere theoretische Vorhersagen, wonach der Stern die Scheibe sehr schnell wegblasen würde, wenn nur wenige schwerere Elemente im Gas um die Scheibe vorhanden sind. Die Lebensdauer der Scheibe wäre also sehr kurz, sogar weniger als eine Million Jahre. Wenn aber eine Scheibe nicht lange genug um den Stern herum bleibt, damit die Staubkörner zusammenkleben und sich Kieselsteine bilden, die zum Kern eines Planeten werden, wie können sich dann Planeten bilden?
Die Forscher erklärten, daß es zwei verschiedene Mechanismen oder sogar eine Kombination davon geben könnte, damit Planeten bildende Scheiben in Umgebungen mit wenig schwereren Elementen überleben können.
Um die Scheibe wegblasen zu können, muß der Stern zunächst einen Strahlungsdruck ausüben. Damit dieser Druck wirksam werden kann, müßten Elemente, die schwerer sind als Wasserstoff und Helium, im Gas vorhanden sein. Der massereiche Sternhaufen NGC 346 enthält jedoch nur etwa zehn Prozent der schwereren Elemente, die in der chemischen Zusammensetzung unserer Sonne enthalten sind. Vielleicht dauert es einfach länger, bis ein Stern in diesem Haufen seine Scheibe auflöst.
Die zweite Möglichkeit ist, daß ein sonnenähnlicher Stern, der nur wenige schwerere Elemente enthält, aus einer größeren Gaswolke hervorgehen müßte, um sich zu bilden. Eine größere Gaswolke wird eine größere Scheibe erzeugen. Es befindet sich also mehr Masse in der Scheibe, und deshalb würde es länger dauern, die Scheibe wegzublasen, selbst wenn der Strahlungsdruck auf die gleiche Weise wirken würde.
„Je mehr Materie die Sterne umgeben, desto länger dauert die Akkretion“, sagte Sabbi. „Die Scheiben brauchen zehnmal länger, um zu verschwinden. Das hat Auswirkungen darauf, wie sich ein Planet bildet und welche Art von Systemarchitektur man in diesen verschiedenen Umgebungen haben kann. Das ist sehr aufregend.“
Die Arbeit des Wissenschaftsteams erscheint in der Ausgabe vom 16. Dezember des Astrophysical Journal.
Das James-Webb-Weltraumteleskop ist das weltweit führende Observatorium für Weltraumforschung. Webb wird Rätsel in unserem Sonnensystem lösen, einen Blick auf ferne Welten um andere Sterne werfen und die geheimnisvollen Strukturen und Ursprünge unseres Universums und unseren Platz darin erforschen. Webb ist ein internationales Programm unter der Leitung der NASA und ihrer Partner ESA (Europäische Weltraumorganisation) und CSA (Kanadische Weltraumorganisation).
Das Hubble-Weltraumteleskop ist seit über drei Jahrzehnten in Betrieb und macht weiterhin bahnbrechende Entdeckungen, die unser grundlegendes Verständnis des Universums prägen. Hubble ist ein Projekt internationaler Zusammenarbeit zwischen der NASA und der ESA (Europäische Weltraumorganisation). Das Goddard Space Flight Center der NASA in Greenbelt, Maryland, leitet das Teleskop und den Betrieb der Mission. Lockheed Martin Space mit Sitz in Denver, Colorado, unterstützt ebenfalls den Missionsbetrieb in Goddard. Das Space Telescope Science Institute in Baltimore, Maryland, das von der Association of Universities for Research in Astronomy betrieben wird, führt den wissenschaftlichen Betrieb von Hubble für die NASA durch.
Protoplanetare Scheiben in NGC 346 (NIRCam Ansicht)
- Fast Facts
- Objekt
- Objektname(n): NGC 346
- Objektbeschreibung: Haufen und Nebel in der Kleinen Magellanschen Wolke
- Rektaszension: 00:59:04.95
- Deklination: -72:10:09.15
- Sternbild: Tucana
- Entfernung: 200.000 Lichtjahre entfernt (61.300 Parsecs)
- Abmessung: Das Bild hat einen Durchmesser von etwa 3,9 Bogenminuten (240 Lichtjahre)
- Daten
- Instrument: NIRCam
- Filter: F200W, F277W, F335M, F444W
- Bild
- Farbinformation: Diese Bilder sind ein Komposit aus Einzelbelichtungen, die vom James-Webb-Weltraumteleskop mit dem NIRCam-Instrument aufgenommen wurden. Es wurden mehrere Filter verwendet, um bestimmte Wellenlängenbereiche zu erfassen. Die Farbe ergibt sich aus der Zuweisung verschiedener Farbtöne (Farben) zu jedem monochromatischen (Graustufen-) Bild, das einem einzelnen Filter zugeordnet ist. In diesem Fall sind die zugewiesenen Farben:
- Rot: F444W Orange: F335M Cyan: F277W Blau: F200W
Über das Bild: Dies ist eine Aufnahme des James-Webb-Weltraumteleskopsvon NGC 346, einem massereichen Sternhaufen in der Kleinen Magellanschen Wolke, einer Zwerggalaxie, die zu den nächsten Nachbarn der Milchstraße gehört. Wegen seines relativen Mangels an Elementen, die schwerer als Wasserstoff und Helium sind, dient der Sternhaufen NGC 346 als nahegelegener Stellvertreter für die Untersuchung stellarer Umgebungen mit ähnlichen Bedingungen im frühen, fernen Universum. Zehn kleine gelbe Kreise, die über das Bild gelegt wurden, zeigen die Positionen der zehn Sterne an, die in dieser Studie untersucht wurden.
Spektren protoplanetarer Scheiben in NGC 346 (NIRSpec)
Über das Bild: Dieses Diagramm zeigt unten links in gelber Farbe ein Spektrum eines der 10 Zielsterne dieser Studie (sowie das begleitende Licht aus der unmittelbaren Hintergrundumgebung). Die spektralen Fingerabdrücke von heißem atomarem Helium, kaltem molekularem Wasserstoff und heißem atomarem Wasserstoff sind hervorgehoben. Oben links in Magenta ist ein Spektrum zu sehen, das leicht vom Stern versetzt ist und nur Licht aus der Hintergrundumgebung enthält. In diesem zweiten Spektrum fehlt eine Spektrallinie des kalten molekularen Wasserstoffs.
Rechts ist der Vergleich der oberen und unteren Linien zu sehen. Dieser Vergleich zeigt einen großen Peak im kalten molekularen Wasserstoff, der vom Stern, nicht aber von seiner Nebelumgebung stammt. Auch der atomare Wasserstoff zeigt einen größeren Peak des Sterns. Dies deutet auf das Vorhandensein einer protoplanetaren Scheibe in unmittelbarer Umgebung des Sterns hin. Die Daten wurden mit dem Microshutter-Array des NIRSpec-Instruments (Nahinfrarot-Spektrometer) des James-Webb-Weltraumteleskopsaufgenommen.
NGC 346: Beobachtungen von Hubble und Webb
- Fast Facts
- Objekt
- Objektname(n): NGC 346
- Objektbeschreibung: Haufen und Nebel in der Kleinen Magellanschen Wolke
- Rektaszension: 00:59:04.95
- Deklination: -72:10:09.15
- Sternbild: Tucana
- Entfernung: 200.000 Lichtjahre entfernt (61.300 Parsecs)
Über das Bild: Dieser Vergleich zeigt ein Hubble-Bild des massereichen Sternhaufens NGC 346 (links) und ein Webb-Bild desselben Haufens (rechts) nebeneinander. Während das Hubble-Bild mehr Nebel zeigt, durchdringt Webb diese Wolken und enthüllt mehr von der Struktur des Haufens. NGC 346 weist einen relativen Mangel an Elementen auf, die schwerer als Helium und Wasserstoff sind, was ihn zu einem guten Stellvertreter für die stellare Umgebung im frühen, fernen Universum macht.
Protoplanetare Scheiben in NGC 346 (NIRCam Kompass-Ansicht)
- Fast Facts
- Objekt
- Objektname(n): NGC 346
- Objektbeschreibung: Haufen und Nebel in der Kleinen Magellanschen Wolke
- Rektaszension: 00:59:04.95
- Deklination: -72:10:09.15
- Sternbild: Tucana
- Entfernung: 200.000 Lichtjahre entfernt (61.300 Parsecs)
- Abmessung: Das Bild hat einen Durchmesser von etwa 3,9 Bogenminuten (240 Lichtjahre)
- Daten
- Instrument: NIRCam
- Filter: F200W, F277W, F335M, F444W
- Bild
- Farbinformation: Diese Bilder sind ein Komposit aus Einzelbelichtungen, die vom James-Webb-Weltraumteleskop mit dem NIRCam-Instrument aufgenommen wurden. Es wurden mehrere Filter verwendet, um bestimmte Wellenlängenbereiche zu erfassen. Die Farbe ergibt sich aus der Zuweisung verschiedener Farbtöne (Farben) zu jedem monochromatischen (Graustufen-) Bild, das einem einzelnen Filter zugeordnet ist. In diesem Fall sind die zugewiesenen Farben:
- Rot: F444W Orange: F335M Cyan: F277W Blau: F200W
Über das Bild: Dieses Bild des Sternhaufens NGC 346, das von Webb’s Nahinfrarotkamera (NIRCam) aufgenommen wurde, zeigt Kompasspfeile, einen Maßstabsbalken und einen Farbschlüssel zur Orientierung.
Die Kompasspfeile nach Norden und Osten zeigen die Ausrichtung des Bildes am Himmel an. Beachten Sie, daß die Beziehung zwischen Norden und Osten am Himmel (von unten gesehen) im Vergleich zu den Richtungspfeilen auf einer Karte des Bodens (von oben gesehen) umgekehrt ist.
Unten rechts befindet sich ein Maßstabsbalken, der mit 50 Lichtjahren, 15 Parsecs, bezeichnet ist. Die Länge des Maßstabsbalkens entspricht ungefähr einem Fünftel der Gesamtbreite des Bildes. Unter dem Bild befindet sich ein Farbschlüssel, der anzeigt, welche NIRCam-Filter zur Erstellung des Bildes verwendet wurden und welche Farbe des sichtbaren Lichts den einzelnen Filtern zugeordnet ist. Von links nach rechts sind die NIRCam-Filter: F200W ist blau; F277W ist grün; F335M ist orange und F444W ist rot.