NASA’s Webb identifiziert die frühesten Stränge des kosmischen Netzes

Originalveröffentlichung am 29.06.2023 zu finden unter: https://webbtelescope.org/news/news-releases

Zusammenfassung: Ein Filament aus 10 Galaxien, das nur 830 Millionen Jahre nach der Geburt des Universums zu sehen ist

Unser Universum ist von einer netzartigen Struktur aus Galaxien durchzogen, dem kosmischen Netz. Die Galaxien sind entlang von Filamenten in diesem riesigen Netz aufgereiht, das auch enorme Leerräume enthält. Jetzt haben Astronomen mit Webb einen frühen Strang dieser Struktur entdeckt, ein langes, schmales Filament aus 10 Galaxien, das nur 830 Millionen Jahre nach dem Urknall existierte. Der 3 Millionen Lichtjahre langen Struktur dient ein leuchtender Quasar als Anker – eine Galaxie mit einem aktiven, supermassereichen Schwarzen Loch in ihrem Kern. Das Team glaubt, daß sich dieses frühe Filament des kosmischen Netzes schließlich zu einem massiven Galaxiencluster entwickeln wird.

In derselben Studie wurden auch die Eigenschaften von acht Quasaren im jungen Universum untersucht. Die Wissen-schaftler stellten fest, daß die Schwarzen Löcher im Zentrum der Galaxien, die weniger als eine Milliarde Jahre nach dem Urknall entstanden sind, eine Masse haben, die zwischen 600 Millionen und 2 Milliarden Mal so groß ist als die unserer Sonne. Sie arbeiten noch daran, zu erklären, wie diese Schwarzen Löcher so schnell so groß werden konnten.

Galaxien sind nicht wahllos über das Universum verstreut. Sie schließen sich nicht nur zu Clustern zusammen, sondern zu riesigen, miteinander verbundenen, fadenförmigen Strukturen mit gigantischen, unwirtlichen Leerräumen dazwischen. Dieses “kosmische Netz” war anfangs sehr dünn und wurde im Laufe der Zeit immer ausgeprägter, da die Gravitation die Materie zusammenzog.

Astronomen haben mit dem James-Webb-Weltraumteleskop der NASA eine fadenförmige Anordnung von 10 Galaxien entdeckt, die nur 830 Millionen Jahre nach dem Urknall existierte. Die 3 Millionen Lichtjahre lange Struktur wird durch einen leuchtenden Quasar verankert – eine Galaxie mit einem aktiven, supermassereichen schwarzen Loch in ihrem Kern. Das Team vermutet, daß sich das Filament schließlich zu einem massiven Galaxiencluster entwickeln wird, ähnlich wie der bekannte Coma-Cluster im nahen Universum.

“Ich war überrascht, wie lang und wie schmal dieser Faden ist”, sagte Teammitglied Xiaohui Fan von der University of Arizona in Tucson. “Ich erwartete, etwas zu finden, aber nicht eine so lange, ausgesprochen dünne Struktur”.

“Dies ist eine der frühesten filamentartigen Strukturen, die jemals in Verbindung mit einem entfernten Quasar gefunden wurden”, fügte Feige Wang von der University of Arizona in Tucson, der Leiter des Programms, hinzu.

Diese Entdeckung stammt aus dem ASPIRE-Projekt (A SPectroscopic survey of biased halos In the Reionization Era), dessen Hauptziel es ist, die kosmische Umgebung der frühesten Schwarzen Löcher zu untersuchen. Insgesamt werden im Rahmen des Programms 25 Quasare beobachtet, die in den ersten Milliarden Jahren nach dem Urknall existierten, einer Zeit, die als Epoche der Reionisation bekannt ist.

“Die letzten zwei Jahrzehnte der kosmologischen Forschung haben uns ein solides Verständnis davon vermittelt, wie das kosmische Netz entsteht und sich entwickelt. ASPIRE zielt darauf ab, zu verstehen, wie die Entstehung der frühesten massereichen Schwarzen Löcher in unsere aktuelle Geschichte der Entstehung der kosmischen Struktur integriert werden kann”, erklärt Teammitglied Joseph Hennawi von der University of California, Santa Barbara.

Wachsende Ungeheuer

Ein weiterer Teil der Studie untersucht die Eigenschaften von acht Quasaren im jungen Universum. Das Team bestätigte, daß ihre zentralen Schwarzen Löcher, die weniger als eine Milliarde Jahre nach dem Urknall entstanden, eine Masse haben, die zwischen 600 Millionen und 2 Milliarden Mal so groß ist als die unserer Sonne. Die Astronomen suchen weiterhin nach Hinweisen, die erklären, wie diese Schwarzen Löcher so schnell so groß werden konnten.

“Um diese supermassereichen Schwarzen Löcher in so kurzer Zeit zu bilden, müssen zwei Kriterien erfüllt sein. Erstens muß ein massereiches Schwarzes Loch als “Keim” dienen. Zweitens: Selbst wenn dieser Keim mit einer Masse von tausend Sonnen beginnt, muß er während seiner gesamten Lebensdauer eine Million Mal mehr Materie mit der maximal möglichen Rate akkretieren”, erklärt Wang.

“Diese noch nie dagewesenen Beobachtungen liefern wichtige Hinweise darauf, wie Schwarze Löcher aufgebaut sind. Wir haben gelernt, daß sich diese Schwarzen Löcher in massereichen jungen Galaxien befinden, die den Treibstoff für ihr Wachstum liefern”, sagt Jinyi Yang von der University of Arizona, die die Untersuchung der Schwarzen Löcher mit ASPIRE leitet.

Webb lieferte auch den bisher besten Beweis dafür, wie frühe supermassereiche Schwarze Löcher möglicherweise die Sternentstehung in ihren Galaxien regulieren. Während supermassereiche Schwarze Löcher Materie ansammeln, können sie zugleich gewaltige Ausströmungen von Material verursachen. Diese Winde können sich weit, und zwar bis auf galaktische Maßstäbe,  über das Schwarze Loch selbst hinaus erstrecken und einen maßgeblichen Einfluß auf die Sternentstehung haben.

“Starke Winde von Schwarzen Löchern können die Bildung von Sternen in der Heimatgalaxie unterdrücken. Solche Winde wurden bereits im nahen Universum beobachtet, aber noch nie direkt in der Epoche der Reionisation”, sagt Yang. “Die Größe des Windes hängt mit der Struktur des Quasars zusammen. In den Webb-Beobachtungen sehen wir, daß solche Winde im frühen Universum existierten.”

Diese Ergebnisse wurden am 29. Juni in zwei Artikeln in The Astrophysical Journal Letters veröffentlicht.

Literatur:

  1. A SPectroscopic Survey of Biased Halos in the Reionization Era (ASPIRE): JWST Reveals a Filamentary Structure around a z = 6.61 Quasar
  2. A SPectroscopic Survey of Biased Halos in the Reionization Era (ASPIRE): A First Look at the Rest-frame Optical Spectra of z > 6.5 Quasars Using JWST

Das James-Webb-Weltraumteleskop ist das weltweit führende Observatorium für Weltraumforschung. Webb wird Rätsel in unserem Sonnensystem lösen, einen Blick auf ferne Welten um andere Sterne werfen und die geheimnisvollen Strukturen und Ursprünge unseres Universums und unseren Platz darin erforschen. Webb ist ein internationales Programm unter der Leitung der NASA und ihrer Partner ESA (Europäische Weltraumorganisation) und CSA (Kanadische Weltraumorganisa-tion).

ASPIRE Kosmisches Filament (NIRCam Ansicht)

Ansicht: NASA, ESA, CSA, Feige Wang (Universität von Arizona)
Bildbearbeitung: Joseph DePasquale (STScI)
  • Fast Facts
  • Objekt
  • Objektname(n): ASPIRE, J0305-3150
  • Objektbeschreibung: Galaxien mit hoher Rotverschiebung
  • Rektaszension: 03:05:17
  • Deklination: -31:51:56
  • Sternbild: Fornax
  • Abmessung: Das Bild hat einen Durchmesser von 2,3 Bogenminuten
  • Daten
  • Instrument: NIRCam
  • Filter: F115W, F200W, F356W
  • Bild
  • Farbinformation: Diese Bilder sind ein Komposit aus Einzelbelichtungen, die vom James-Webb-Weltraumteleskop mit dem NIRCam-Instrument aufgenommen wurden. Es wurden mehrere Filter verwendet, um einen breiten Wellenlängen-bereich zu erfassen. Die Farbe ergibt sich aus der Zuweisung verschiedener Farbtöne (Farben) zu jedem mono-chromatischen (Graustufen-)Bild, das einem einzelnen Filter zugeordnet ist. In diesem Fall sind die zugewiesenen Farben:
  • Blau: F115W Grün: F200W Rot: F356W

Über das Bild: Dieses tiefe Galaxienfeld von Webb’s NIRCam (Nahinfrarotkamera) zeigt eine Anordnung von 10 weit entfernten Galaxien, die durch acht weiße Kreise in einer diagonalen, fadenförmigen Linie markiert sind. (Zwei der Kreise enthalten mehr als eine Galaxie.) Dieser 3 Millionen Lichtjahre lange Faden wird durch einen sehr weit entfernten und leuchtenden Quasar festgemacht – eine Galaxie mit einem aktiven, supermassereichen Schwarzen Loch in ihrem Kern. Der Quasar mit der Bezeichnung J0305-3150 befindet sich in der Mitte des Haufens von drei Kreisen auf der rechten Seite des Bildes. Seine Helligkeit überstrahlt seine Heimatgalaxie. Die 10 markierten Galaxien existierten nur 830 Millionen Jahre nach dem Urknall. Das Team glaubt, daß sich der Faden schließlich zu einem massereichen Galaxiencluster entwickeln wird.

ASPIRE Kosmisches Filament (NIRCam Kompass-Ansicht)

Ansicht: NASA, ESA, CSA, Feige Wang (Universität von Arizona)
Bildbearbeitung: Joseph DePasquale (STScI)
  • Fast Facts
  • Objekt
  • Objektname(n): ASPIRE, J0305-3150
  • Objektbeschreibung: Galaxien mit hoher Rotverschiebung
  • Rektaszension: 03:05:17
  • Deklination: -31:51:56
  • Sternbild: Fornax
  • Abmessung: Das Bild hat einen Durchmesser von 2,3 Bogenminuten
  • Daten
  • Instrument: NIRCam
  • Filter: F115W, F200W, F356W
  • Bild
  • Farbinformation: Diese Bilder sind ein Komposit aus Einzelbelichtungen, die vom James-Webb-Weltraumteleskop mit dem NIRCam-Instrument aufgenommen wurden. Es wurden mehrere Filter verwendet, um einen breiten Wellenlängen-bereich zu erfassen. Die Farbe ergibt sich aus der Zuweisung verschiedener Farbtöne (Farben) zu jedem mono-chromatischen (Graustufen-)Bild, das einem einzelnen Filter zugeordnet ist. In diesem Fall sind die zugewiesenen Farben:
  • Blau: F115W Grün: F200W Rot: F356W

Über das Bild: Dieses Kompassbild zeigt ein tiefes Galaxienfeld, das von Webb’s NIRCam (Nahinfrarotkamera) für das ASPIRE-Projekt aufgenommen wurde. Das Feld enthält einen Quasar namens J0305-3150, dessen Helligkeit seine Heimatgalaxie überstrahlt. Unten rechts sind Kompasspfeile zu sehen, welche die Ausrichtung des Bildes am Himmel anzeigen. Unterhalb des Bildes befindet sich ein Farbschlüssel, der anzeigt, welche NIRCam-Filter zur Erstellung des Bildes verwendet wurden und welche Farbe des sichtbaren Lichts den einzelnen Filtern zugeordnet ist.