Originalveröffentlichung am 30.06.2025 zu finden unter: https://webbtelescope.org/news/news-releases
Zusammenfassung: Webb zeigt lichtschwächere und weiter entfernte Galaxien, dazu das Licht von Sternen, das der Dunklen Materie in diesen Galaxienclustern nachspürt, was den Forschern hilft, alles in der Szene sorgfältig zu kartieren
Es ist selten, daß Galaxiencluster mit hoher Geschwindigkeit zusammenstoßen und verschmelzen. Ein berühmtes Beispiel dafür ist der Bullet Cluster, das Ergebnis der Kollision zweier riesiger Galaxiencluster. Um nachvollziehen zu können, was und in welcher Reihenfolge geschehen ist, müssen die Forscher zunächst alle Inhalte dieser Szene vollständig definieren.
Das James-Webb-Weltraumteleskop der NASA hat einige der bisher besten Informationen geliefert: Hochpräzise, extrem detaillierte Nahinfrarot-Bilder eines bedeutenden Teils des Bullet Clusters. Die neuen Beobachtungen ermöglichten den Forschern eine Feinabstimmung ihrer Karten seiner Masse, einschließlich einer unsichtbaren Substanz, die als Dunkle Materie bekannt ist und kein Licht aussendet, reflektiert oder absorbiert.
NASA’s James-Webb-Weltraumteleskop hat vor kurzem den Bullet Cluster ins Visier genommen – und hochdetaillierte Bilder geliefert, die eine größere Fülle extrem lichtschwacher und weit entfernter Galaxien zeigen als je zuvor. Die klaren Nahinfrarot-Beobachtungen des Webb-Teleskops in dieser Region nutzend, haben die Forscher den Inhalt der kollidierenden Galaxiencluster vollständiger kartiert.
„Mit den Webb-Beobachtungen haben wir die Masse des Bullet Clusters mit dem bisher größten Gravitationslinsen-Datensatz sorgfältig gemessen, von den Kernen des Clusters bis hin zu deren Außenbezirken“, sagt Sangjun Cha, Hauptautor der in The Astrophysical Journal Letters veröffentlichten Arbeit und Doktorand an der Yonsei-Universität in Seoul, Südkorea. (Frühere Studien des Bullet Clusters mit anderen Teleskopen stützten sich auf wesentlich weniger Gravitationslinsendaten, was zu weniger präzisen Schätzungen der Masse des Systems führte).
„Die Bilder von Webb verbessern drastisch, was wir in dieser Szene messen können – einschließlich der genauen Festlegung der Position von unsichtbaren Teilchen, die als Dunkle Materie bekannt sind“, sagte Kyle Finner, einer der Mitautoren und wissenschaftlicher Mitarbeiter am IPAC am Caltech in Pasadena, Kalifornien.
Kartierung der Dunklen Materie
Alle Galaxien bestehen aus Sternen, Gas, Staub und Dunkler Materie, die über die Schwerkraft miteinander verbunden sind. Der Bullet Cluster besteht aus zwei sehr massereichen Ansammlungen von Galaxien, die als Galaxiencluster bekannt sind und selbst durch die Schwerkraft gebunden sind.
Diese Galaxiencluster wirken als Gravitationslinsen, die das Licht von Hintergrundgalaxien verstärken. „Gravitationslinsen ermöglichen uns Rückschlüsse auf die Verteilung der Dunklen Materie“, so James Jee, Mitautor, Professor an der Yonsei Universität und wissenschaftlicher Mitarbeiter an der UC Davis in Kalifornien.
Um sich Gravitationslinseneffekte und Dunkle Materie vorzustellen, denken Sie an einen Teich mit klarem Wasser und Kieselsteinen. „Man kann das Wasser nicht sehen, es sei denn, es herrscht Wind, der Wellen verursacht“, erklärt Jee. “Diese Kräuselungen verzerren die Form der Kieselsteine am Boden, wodurch das Wasser wie eine Linse wirkt. Dasselbe ereignet sich im Weltraum, nur daß das Wasser die Dunkle Materie ist und die Kieselsteine die Hintergrundgalaxien.
Insgesamt hat das Team Tausende von Galaxien in Webb’s Bildern vermessen, um die sichtbare und unsichtbare Masse in diesen Galaxienclustern genau zu „wiegen“. Auch das kollektive Licht von Sternen, die nicht mehr an einzelne Galaxien gebunden sind – so genannte Intracluster-Sterne – wurde sorgfältig kartiert und gemessen.
Die überarbeitete Karte des Bullet Clusters ist in einem neuen Bild zu sehen: Über ein Bild von Webb’s NIRCam (Nahinfrarotkamera) wurden Daten des Chandra-Röntgenobservatoriums der NASA gelegt, die heißes Gas in Rosa zeigen, unter anderem die Kugelform rechts. Verfeinerte Messungen der Dunklen Materie, die das Team anhand der Webb-Beobachtungen berechnet hat, sind in blau dargestellt (siehe die definierten Galaxiencluster innerhalb der gestrichelten Kreise).
Ihre Ergebnisse sind überzeugend: „Wir haben bestätigt, daß das Licht innerhalb des Clusters ein zuverlässiger Indikator für Dunkle Materie sein kann, sogar in einer hochdynamischen Umgebung wie dem Bullet Cluster“, so Cha. Wenn diese Sterne nicht an Galaxien, sondern an die Dunkle Materie des Clusters gebunden sind, könnte es einfacher werden, genauere Angaben über die unsichtbare Materie zu machen.
Aufs Ganze gesehen verbessern die neuen Messungen der Forscher unser Wissen darüber, wie die Masse im Bullet Cluster verteilt ist, erheblich. Der Galaxiencluster auf der linken Seite weist einen asymmetrischen, länglichen Massenbereich entlang des linken Randes der blauen Region auf, was ein Hinweis auf frühere Verschmelzungen in diesem Cluster ist.
Dunkle Materie emittiert, reflektiert oder absorbiert kein Licht, und die Ergebnisse des Teams deuten darauf hin, daß die Dunkle Materie keine Anzeichen einer signifikanten Selbstwechselwirkung aufweist. Wenn die Dunkle Materie in Webb’s Beobachtungen selbst wechselwirkt, würde das Team einen Versatz zwischen den Galaxien und ihrer jeweiligen Dunklen Materie sehen.
„Als die Galaxiencluster zusammengestoßen sind, wurde ihr Gas herausgezogen und zurückgelassen, was die Röntgenstrahlen bestätigen“, so Finner. Die Beobachtungen von Webb zeigen, daß die Dunkle Materie immer noch mit den Galaxien ausgerichtet ist – und nicht weggezogen wurde.
Obwohl frühere Messungen mit anderen Teleskopen neben der Masse in den Galaxien auch unsichtbare Masse identifizierten, war es immer noch möglich, daß die Dunkle Materie bis zu einem gewissen Grad mit sich selbst wechselwirkt. Diese neuen Beobachtungen setzen dem Verhalten der Teilchen der Dunklen Materie stärkere Grenzen.
Die Kollision ‘wiederholen’
Die seltsamen neuen Klumpen und die langgestreckte Massenlinie, die das Team identifiziert hat, könnten bedeuten, daß der Bullet Cluster durch mehr als eine Kollision von Galaxienclustern vor Milliarden von Jahren entstanden ist.
Der größere Cluster, der sich jetzt auf der linken Seite befindet, könnte eine kleinere Kollision erlitten haben, bevor er durch den Galaxiencluster auf der rechten Seite gerammt wurde. Derselbe größere Cluster könnte danach auch eine heftige Interaktion erlebt haben, die eine zusätzliche drastische Umstrukturierung seiner Bestandteile verursachte. „Ein komplizierteres Szenario würde zu einer riesigen asymmetrischen Ausdehnung führen, wie wir sie links sehen“, so Jee.
Der Kopf eines ‘Riesen’
Der Bullet Cluster ist riesig, selbst in den Weiten des Weltraums. Die NIRCam von Webb hat mit ihren Bildern einen großen Teil der schwergewichtigen Trümmer erfaßt, aber nicht alles. „Es ist, als würde man auf den Kopf eines Riesen schauen“, sagt Jee. „Die ersten Bilder von Webb erlauben es uns, hochzurechnen, wie schwer der ganze ‘Riese’ ist, aber wir brauchen zukünftige Beobachtungen des gesamten ‘Körpers’ des Riesen, um genaue Messungen durchzuführen.“
In naher Zukunft werden die Forscher auch ausgedehnte Nahinfrarot-Bilder von NASA’s Nancy Grace Roman Space Telescope erhalten, das im Mai 2027 starten soll. „Mit Roman werden wir vollständige Massenschätzungen des gesamten Bullet Clusters haben, was es uns ermöglichen würde, die tatsächliche Kollision am Computer nachzustellen“, so Finner.
Der Bullet Cluster findet sich im Sternbild Carina, von der Erde 3,8 Milliarden Lichtjahre entfernt.
Das James-Webb-Weltraumteleskop ist das weltweit führende Observatorium für Weltraumforschung. Webb wird Rätsel in unserem Sonnensystem lösen, einen Blick auf ferne Welten um andere Sterne werfen und die geheimnisvollen Strukturen und Ursprünge unseres Universums und unseren Platz darin erforschen. Webb ist ein internationales Programm unter der Leitung der NASA und ihrer Partner ESA (Europäische Weltraumorganisation) und CSA (Kanadische Weltraumorganisation).
Bullet Cluster (Webb- und Chandra-Ansicht)

Wissenschaft: James Jee (Yonsei University, UC Davis), Sangjun Cha (Yonsei University), Kyle Finner (Caltech/IPAC)
- Fast Facts
- Objekt
- Objektname(n): Bullet Cluster, 1E 0657-56
- Objektbeschreibung: Kollidierende Galaxiencluster
- Rektaszension: 06:58:37.9
- Deklination: -55:57:00
- Sternbild: Carina
- Entfernung: 3,7 Milliarden Lichtjahre
- Abmessung: Das Bild hat einen Durchmesser von 5,8 Bogenminuten (etwa 6,3 Millionen Lichtjahre)
- Daten
- Instrument: NIRCam
- Filter: F090W, F115W, F150W, F200W, F277W, F356W, F410M, F444W
- Bild
- Farbinformation: Diese Bilder sind eine Zusammenstellung von Einzelbelichtungen, die vom James-Webb-Weltraumteleskop mit dem NIRCam-Instrument aufgenommen wurden. Es wurden mehrere Filter verwendet, um bestimmte Wellenlängenbereiche zu erfassen. Die Farbe ergibt sich aus der Zuweisung verschiedener Farbtöne (Farben) zu jedem monochromatischen (Graustufen-)Bild, das einem einzelnen Filter zugeordnet ist. In diesem Fall sind die zugewiesenen Farben:
- Blau: F090W Cyan: F115W Grün: F150W Gelb: F200W Gelb: F277W Orange: F356W Rot: F410M Rot: F444W
Über das Bild: Dies ist die zentrale Region des Bullet Cluster, der sich aus zwei massereichen Galaxienclustern zusammensetzt. Die große Zahl an Galaxien und Sternen im Vordergrund des Bildes wurde vom James-Webb-Weltraumteleskop der NASA im nahen Infrarotlicht aufgenommen. Leuchtende, heiße Röntgenstrahlung, die vom Chandra-Röntgenobservatorium der NASA aufgenommen wurde, erscheint in Rosa. Das Blau steht für die Dunkle Materie, die von den Forschern mit der genauen Bildgebung von Webb präzise kartiert wurde. Normalerweise gibt es Gas, Staub, Sterne und Dunkle Materie in Galaxien gemeinsam, auch wenn sie durch die Schwerkraft in größeren Gruppen, den so genannten Galaxienclustern, gebunden sind. Der Bullet Cluster ist insofern ungewöhnlich, als das Gas und die Dunkle Materie innerhalb des Clusters getrennt sind, ein weiterer Beleg zugunsten der Dunklen Materie. (Siehe die definierten Galaxiencluster innerhalb der gestrichelten Kreise).
Bullet Cluster (NIRCam Ansicht)

Wissenschaft: James Jee (Yonsei University, UC Davis), Sangjun Cha (Yonsei University), Kyle Finner (Caltech/IPAC)
- Fast Facts
- Objekt
- Objektname(n): Bullet Cluster, 1E 0657-56
- Objektbeschreibung: Kollidierende Galaxiencluster
- Rektaszension: 06:58:37.9
- Deklination: -55:57:00
- Sternbild: Carina
- Entfernung: 3,7 Milliarden Lichtjahre
- Abmessung: Das Bild hat einen Durchmesser von 5,8 Bogenminuten (etwa 6,3 Millionen Lichtjahre)
- Daten
- Instrument: NIRCam
- Filter: F090W, F115W, F150W, F200W, F277W, F356W, F410M, F444W
- Bild
- Farbinformation: Diese Bilder sind eine Zusammenstellung von Einzelbelichtungen, die vom James-Webb-Weltraumteleskop mit dem NIRCam-Instrument aufgenommen wurden. Es wurden mehrere Filter verwendet, um bestimmte Wellenlängenbereiche zu erfassen. Die Farbe ergibt sich aus der Zuweisung verschiedener Farbtöne (Farben) zu jedem monochromatischen (Graustufen-)Bild, das einem einzelnen Filter zugeordnet ist. In diesem Fall sind die zugewiesenen Farben:
- Blau: F090W Cyan: F115W Grün: F150W Gelb: F200W Gelb: F277W Orange: F356W Rot: F410M Rot: F444W
Über das Bild: Das James-Webb-Weltraumteleskop der NASA hat die zentrale Region des Bullet Clusters mit seiner NIRCam (Nahinfrarotkamera) aufgenommen. Die Szene enthält zwei massereiche Galaxiencluster, die auf beiden Seiten der großen, hellblauen Spiralgalaxie im Zentrum liegen. Webb’s extrem präzise Aufnahmen enthüllten viele weitere entfernte Galaxien und lichtschwache Objekte, die es einem Forschungsteam ermöglichten, die Menge der Masse in den beiden Galaxienclustern zu präzisieren.
Bullet Cluster (Webb und Chandra Kompass-Ansicht)

Wissenschaft: James Jee (Yonsei University, UC Davis), Sangjun Cha (Yonsei University), Kyle Finner (Caltech/IPAC)
- Fast Facts
- Objekt
- Objektname(n): Bullet Cluster, 1E 0657-56
- Objektbeschreibung: Kollidierende Galaxiencluster
- Rektaszension: 06:58:37.9
- Deklination: -55:57:00
- Sternbild: Carina
- Entfernung: 3,7 Milliarden Lichtjahre
- Abmessung: Das Bild hat einen Durchmesser von 5,8 Bogenminuten (etwa 6,3 Millionen Lichtjahre)
- Daten
- Instrument: NIRCam
- Filter: F090W, F115W, F150W, F200W, F277W, F356W, F410M, F444W
- Bild
- Farbinformation: Diese Bilder sind eine Zusammenstellung von Einzelbelichtungen, die vom James-Webb-Weltraumteleskop mit dem NIRCam-Instrument aufgenommen wurden. Es wurden mehrere Filter verwendet, um bestimmte Wellenlängenbereiche zu erfassen. Die Farbe ergibt sich aus der Zuweisung verschiedener Farbtöne (Farben) zu jedem monochromatischen (Graustufen-)Bild, das einem einzelnen Filter zugeordnet ist. In diesem Fall sind die zugewiesenen Farben:
- Blau: F090W Cyan: F115W Grün: F150W Gelb: F200W Gelb: F277W Orange: F356W Rot: F410M Rot: F444W
Über das Bild: Dieses zusammengesetzte Bild des Bullet Clusters kombiniert Nahinfrarotlicht der NIRCam (Nahinfrarotkamera) des James-Webb-Weltraumteleskops der NASA, Röntgenstrahlen des Chandra-Röntgenobservatoriums der NASA (in rosa dargestellt) und die abgeleitete Verteilung der Dunklen Materie (in blau dargestellt). Die beiden Galaxiencluster, die den Bullet Cluster bilden, erscheinen in gestrichelten Kreisen. Das Bild zeigt auch Kompasspfeile und einen Farbschlüssel zur Orientierung.
Die Kompasspfeile nach Norden und Osten zeigen die Ausrichtung des Bildes am Himmel an. Beachten Sie, daß die Beziehung zwischen Norden und Osten am Himmel (von unten gesehen) im Vergleich zu den Richtungspfeilen auf einer Karte des Bodens (von oben gesehen) vertauscht ist.
Dieses Bild zeigt unsichtbare Wellenlängen des nahen Infrarots sowie der Röntgenstrahlung, die in Farben des sichtbaren Lichts übersetzt wurden. Der Farbschlüssel gibt an, welche NIRCam-Filter von Webb und welche Filter von Chandra bei der Aufnahme des Lichts verwendet wurden. Die Farbe für jeden Filternamen ist die Farbe des sichtbaren Lichts, die verwendet wird, um das Infrarot- und Röntgenlicht darzustellen, das diesen Filter passiert.
Bullet Cluster von Hubble zu Webb überblendet
Das Video überblendet Bilder des Bullet Clusters, die von NASA’s Hubble- und NASA’s James-Webb-Weltraumteleskop aufgenommen wurden. Mit der Nahinfrarot-Beobachtung von Webb kommen weitere entfernte Galaxien ins Blickfeld.