Originalveröffentlichung am 03.03.2025 zu finden unter: https://webbtelescope.org/news/news-releases
Zusammenfassung: Webb hat Beweise für lückenhafte Wolkenschichten, heiße Stellen in großen Höhenlagen und chemische Variationen um ein schnell rotierendes, vagabundierendes Objekt 20 Lichtjahre von der Erde entfernt aufgezeichnet
Einen schönen, guten Blick auf einen Planeten außerhalb unseres Sonnensystems zu werfen, kann schwierig sein. Einige Exoplaneten sind viel zu kühl und schwach, um sie zu beobachten. Viele sind im grellen Licht ihrer Wirtssterne praktisch unsichtbar. Andere drehen sich so langsam, daß es Tage dauern würde, den gesamten Planeten zu vermessen.
Hier kommt ein Vertreter wie SIMP 0136 ins Spiel – ein heißes, helles, planetengroßes Objekt mit einer dichten Atmosphäre, einer extrem schnellen Rotationsrate und keinem Stern, der die Sicht beeinträchtigt. Obwohl SIMP 0136 technisch gesehen kein Exoplanet ist, weil er keinen Stern umkreist, ist er doch nahe genug.
Mit NASA’s James-Webb-Weltraumteleskop konnten die Forscher SIMP 0136 direkt beobachten, während verschiedene Teile des Objekts ins Blickfeld gerieten, und die Helligkeitsmuster von Hunderten von Farben des Infrarotlichts entschlüsseln, die aus verschiedenen Teilen der Atmosphäre des Objekts stammen. Die Ergebnisse zeigen Variationen in der Wolkendecke, der Temperatur und der Chemie, die einen Einblick in die dreidimensionale Komplexität von Gasriesen innerhalb und außerhalb unseres Sonnensystems geben.
Ein internationales Forscherteam hat herausgefunden, daß die zuvor beobachteten Helligkeitsschwankungen eines vagabundierenden Objekts mit der Bezeichnung SIMP 0136 das Ergebnis einer komplexen Kombination von atmosphärischen Faktoren sein müssen und nicht allein durch Wolken erklärt werden können.
Mit Hilfe des James-Webb-Weltraumteleskops der NASA wurde ein breites Spektrum des von SIMP 0136 über zwei volle Rotationsperioden ausgestrahlten Infrarotlichts gewonnen und so konnte das Team Schwankungen in den Wolkenschichten, der Temperatur und der Kohlenstoffchemie feststellen, die zuvor nicht sichtbar waren.
Die Ergebnisse geben einen entscheidenden Einblick in die dreidimensionale Komplexität der Atmosphären von Gasriesen inner- und außerhalb unseres Sonnensystems. Die detaillierte Charakterisierung von Objekten wie diesen ist eine wichtige Vorbereitung für die direkte Aufnahme von Exoplaneten, also Planeten außerhalb unseres Sonnensystems, mit dem Nancy Grace Roman Space Telescope der NASA, das im Jahr 2027 in Betrieb gehen soll.
Schnell rotierend, vagabundierend
SIMP 0136 ist ein schnell rotierendes, vagabundierendes Objekt von etwa der 13-fachen Masse des Jupiters, das sich nur 20 Lichtjahre von der Erde entfernt befindet. Obwohl er nicht als Gasriesen-Exoplanet klassifiziert ist – er umkreist keinen Stern und könnte stattdessen ein Brauner Zwerg sein – ist SIMP 0136 ein ideales Ziel für die Exo-Meteorologie: Er ist das hellste Objekt seiner Art am Nordhimmel. Da er isoliert ist, kann er ohne Angst vor Lichtverschmutzung oder Schwankungen, die durch einen Wirtsstern verursacht werden, beobachtet werden. Und seine kurze Rotationsperiode von nur 2,4 Stunden ermöglicht eine sehr effiziente Untersuchung.
Vor den Webb-Beobachtungen wurde SIMP 0136 mit bodengebundenen Observatorien und den NASA-Weltraumteleskopen Hubble und Spitzer eingehend untersucht.
„Wir wußten bereits, daß die Helligkeit variiert, und wir waren sicher, daß es Lücken in den Wolkenschichten gibt, die sich im Laufe der Zeit verändern“, erklärt Allison McCarthy, Doktorandin an der Boston University und Hauptautorin einer heute in The Astrophysical Journal Letters veröffentlichten Studie. „Wir dachten auch, daß Temperaturschwankungen, chemische Reaktionen und vermutlich Auswirkungen der Polarlichtaktivität die Helligkeit beeinflussen könnten, aber wir waren uns nicht sicher.“
Um dies herauszufinden, benötigte das Team Webb’s Fähigkeit, sehr präzise Helligkeitsänderungen über einen breiten Wellenlängenbereich zu messen.
Aufzeichnung tausender infraroter Regenbögen
Mit dem Nahinfrarot-Spektrographen NIRSpec (Near-Infrared Spectrograph) nahm Webb Tausende einzelner Spektren im Bereich von 0,6 bis 5,3 Mikrometer auf – eines alle 1,8 Sekunden über mehr als drei Stunden, während das Objekt eine volle Umdrehung vollzog. Unmittelbar danach folgte eine Beobachtung mit MIRI (Mid-Infrared Instrument), das Hunderte von spektroskopischen Messungen des Lichts im Bereich von 5 bis 14 Mikrometern aufnahm – alle 19,2 Sekunden eine, während einer weiteren Umdrehung.
Das Ergebnis waren Hunderte von detaillierten Lichtkurven, von denen jede die Helligkeitsänderung einer eindeutigen Wellenlänge (Farbe) zeigt, wenn sich verschiedene Seiten des Objekts ins Blickfeld drehen.
„Zu sehen, wie sich das gesamte Spektrum dieses Objekts im Laufe von Minuten verändert, war unglaublich“, sagte die leitende Forscherin Johanna Vos vom Trinity College Dublin. „Bis jetzt hatten wir nur einen kleinen Ausschnitt des Nahinfrarotspektrums von Hubble und ein paar Helligkeitsmessungen von Spitzer.“
Dem Team fiel sofort auf, daß es mehrere unterschiedliche Formen bei den Lichtkurven gab. Zu einem bestimmten Zeitpunkt wurden einige Wellenlängen heller, während andere schwächer wurden oder sich überhaupt nicht veränderten. Die Helligkeitsschwankungen müssen folglich von einer Reihe verschiedener Faktoren beeinflußt werden.
„Stellen Sie sich vor, Sie beobachten die Erde aus der Ferne. Wenn man jede Farbe einzeln betrachten würde, würde man verschiedene Muster sehen, die etwas über die Oberfläche und die Atmosphäre aussagen, auch wenn man die einzelnen Strukturen nicht erkennen könnte“, erklärte Mitautor Philip Muirhead, ebenfalls von der Universität Boston. „Blau würde zunehmen, wenn sich die Ozeane ins Blickfeld drehen. Veränderungen in Braun und Grün würden etwas über den Boden und die Vegetation aussagen“.
Lückenhafte Wolken, Hot Spots und Kohlenstoffchemie
Um herauszufinden, was die Ursache für die Schwankungen auf SIMP 0136 sein könnte, nutzte das Team atmosphärische Modelle, um zu zeigen, wo in der Atmosphäre die einzelnen Wellenlängen des Lichts herkommen.
„Verschiedene Wellenlängen liefern Informationen über verschiedene Tiefen in der Atmosphäre“, erklärt McCarthy. „Wir stellten fest, daß die Wellenlängen, die die ähnlichsten Formen bei den Lichtkurven aufwiesen, auch aus denselben Tiefen kamen, was uns in der Annahme bestärkte, daß sie durch denselben Mechanismus verursacht werden müssen“.
Eine Gruppe von Wellenlängen entstehen zum Beispiel tief in der Atmosphäre, wo sich lückenhafte Wolken aus Eisenpartikeln befinden könnten. Eine zweite Gruppe stammt von höher gelegenen Wolken, die vermutlich aus winzigen Körnern von Silikatmineralien bestehen. Die Schwankungen in diesen beiden Lichtkurven hängen mit der Ungleichmäßigkeit der Wolkenschichten zusammen.
Eine dritte Gruppe von Wellenlängen entsteht in sehr großer Höhe, weit über den Wolken, und scheint der Temperatur zu folgen. Helle „heiße Flecken“ könnten mit Polarlichtern zusammenhängen, die zuvor bei Radiowellenlängen entdeckt wurden, oder mit dem Aufsteigen von heißem Gas aus tieferen Schichten der Atmosphäre.
Einige der Lichtkurven lassen sich weder durch Wolken noch durch die Temperatur erklären, sondern zeigen stattdessen Schwankungen, die mit der Kohlenstoffchemie in der Atmosphäre zusammenhängen. Es könnte sich um Kohlenmonoxid- und Kohlendioxidtaschen handeln, die sich im Laufe der Zeit verändern, oder um chemische Reaktionen, die die Atmosphäre verändern.
„Wir haben den chemischen Teil des Rätsels noch nicht wirklich gelöst“, sagt Vos. „Aber diese Ergebnisse sind wirklich aufregend, weil sie uns zeigen, daß sich die Häufigkeit von Molekülen wie Methan und Kohlendioxid von Ort zu Ort und im Laufe der Zeit ändern kann. Wenn wir einen Exoplaneten betrachten und nur eine Messung erhalten können, müssen wir bedenken, daß diese möglicherweise nicht für den gesamten Planeten repräsentativ ist.“
Diese Forschung wurde als Teil des Webb General Observer (GO) Program 3548 durchgeführt.
Das James-Webb-Weltraumteleskop ist das weltweit führende Observatorium für Weltraumforschung. Webb wird Rätsel in unserem Sonnensystem lösen, einen Blick auf ferne Welten um andere Sterne werfen und die geheimnisvollen Strukturen und Ursprünge unseres Universums und unseren Platz darin erforschen. Webb ist ein internationales Programm unter der Leitung der NASA und ihrer Partner ESA (Europäische Weltraumorganisation) und CSA (Kanadische Weltraumorganisation).
Isoliertes Objekt SIMP 0136 mit planetarer Masse (Künstlerischer Entwurf)
- Fast Facts
- Objekt
- Objektname(n): SIMP 0136
- Objektbeschreibung: Isoliertes Objekt mit planetarer Masse
- Rektaszension: 01:36:56.56
- Deklination: +09:33:47.31
- Sternbild: Pisces
- Entfernung: 20 Lichtjahre (6 Parsecs)
Über das Bild: Dieses künstlerische Konzept zeigt, wie das isolierte Objekt mit planetarer Masse SIMP 0136 aussehen könnte, wenn man die jüngsten Beobachtungen des James-Webb-Weltraumteleskops der NASA und frühere Beobachtungen von Hubble, Spitzer und zahlreichen bodengebundenen Teleskopen berücksichtigt.
SIMP 0136 hat etwa die 13-fache Masse des Jupiters. Obwohl man annimmt, daß er die Struktur und Zusammensetzung eines Gasriesen hat, wird er technisch gesehen nicht als Exoplanet eingestuft, da er nicht um seinen eigenen Stern kreist.
Die in der Abbildung gezeigten Farben stellen Nahinfrarotlicht dar, das für das menschliche Auge unsichtbar ist. SIMP 0136 ist relativ warm – ungefähr 825 Grad Celsius oder 1.100 Kelvin – aber nicht heiß genug, um genügend sichtbares Licht abzugeben, um von der Erde aus gesehen zu werden, und wird nicht von einem Wirtsstern beleuchtet. Das bläuliche Leuchten in der Nähe der Pole gibt die Polarlicht-Energie (Licht, das von Elektronen ausgeht, die sich in einem Magnetfeld bewegen) wieder, die bei Radiowellenlängen nachgewiesen werden konnte.
Die Forscher verwendeten NIRSpec (Nahinfrarot-Spektrograph) und MIRI (Mid-Infrared Instrument), um die Helligkeit von SIMP 0136 über zwei volle Umdrehungen im Juli 2023 zu beobachten. Durch die Analyse der Helligkeitsveränderungen bei verschiedenen Wellenlängen im Laufe der Zeit konnten die Forscher Schwankungen der Wolkenbedeckung in verschiedenen Tiefen, Temperaturschwankungen in der Hochatmosphäre und Veränderungen in der Kohlenstoffchemie feststellen, während verschiedene Seiten des Objekts ins Blickfeld kamen und wieder verschwanden.
SIMP 0136 befindet sich in der Milchstraße, etwa 20 Lichtjahre von der Erde entfernt, im Sternbild Fische (Pisces). Er ist der hellste isolierte Planet oder Braune Zwerg, der von der nördlichen Hemisphäre aus sichtbar ist, und man schätzt sein Alter auf etwa 200 Millionen Jahre. Diese Abbildung basiert auf den spektroskopischen Beobachtungen von Webb. Webb hat kein direktes Bild des Objekts aufgenommen.
Isoliertes Objekt SIMP 0136 mit planetarer Masse (NIRSpec-Lichtkurven)
- Fast Facts
- Objekt
- Objektname(n): SIMP 0136
- Objektbeschreibung: Isoliertes Objekt mit planetarer Masse
- Rektaszension: 01:36:56.56
- Deklination: +09:33:47.31
- Sternbild: Pisces
- Entfernung: 20 Lichtjahre (6 Parsecs)
- Daten
- Instrument: NIRSpec
Über das Bild: Diese Lichtkurven zeigen die Helligkeitsveränderung von drei verschiedenen Wellenlängen (Farben) des Nahinfrarotlichts, das von dem isolierten Objekt SIMP 0136 mit planetarer Masse stammt, während es sich dreht. Das Licht wurde von Webb’s NIRSpec (Nahinfrarot-Spektrograph) aufgefangen, der am 23. Juli 2023 über einen Zeitraum von etwa drei Stunden insgesamt 5.726 Spektren – eines alle 1,8 Sekunden – sammelte. (SIMP 0136 vollführt alle 2,4 Stunden eine Umdrehung.)
Durch den Vergleich dieser Lichtkurven mit Modellen konnten die Forscher zeigen, daß jeder Satz von Wellenlängen unterschiedliche Tiefen (Drücke) in der Atmosphäre abtastet.
Die rote Kurve zeigt die Helligkeit des Lichts mit einer Wellenlänge von 0,9 bis 1,4 Mikrometern, das vermutlich tief in der Atmosphäre bei einem Druck von ungefähr 10 bar (etwa das Zehnfache des Luftdrucks auf Meereshöhe auf der Erde) in Wolken aus Eisenpartikeln entsteht. Die gelbe Kurve zeigt die Helligkeit von 1,4- bis 2,3-Mikrometer-Licht, das bei einem Druck von etwa 1 bar in höheren Wolken aus winzigen Körnern von Silikatmineralien entsteht. Die Helligkeitsunterschiede zwischen diesen beiden Kurven hängen mit der Uneinheitlichkeit der Wolkenschichten zusammen, die einige Wellenlängen des Lichts emittieren und andere absorbieren.
Die blau dargestellte Kurve zeigt die Helligkeit von 3,3- bis 3,6-Mikrometer-Licht, das hoch über den Wolken bei einem Druck von etwa 0,1 bar entsteht. Helligkeitsänderungen bei diesen Wellenlängen stehen mit den Temperaturschwankungen rund um das Objekt in Zusammenhang. Helle „heiße Flecken“ könnten mit Polarlichtern zusammenhängen, die bei Radiowellenlängen nachgewiesen wurden, oder mit dem Aufsteigen von heißem Gas aus tieferen Schichten der Atmosphäre.
Die Unterschiede in der Form dieser drei Lichtkurven zeigen, daß es in der Atmosphäre von SIMP 0136 sowohl in der Tiefe als auch beim Längengrad komplexe Schwankungen gibt. Wenn sich die Atmosphäre um das Objekt in allen Tiefen auf die gleiche Weise verändern würde, würden die Lichtkurven ähnliche Muster aufweisen. Würde sie sich mit der Tiefe, aber nicht mit der geographischen Länge ändern, wären die Lichtkurven gerade, flache Linien.
Beachten Sie, daß dieses Diagramm die relative Änderung der Helligkeit für jeden gegebenen Datensatz von Wellenlängen im Laufe der Zeit zeigt, nicht den Unterschied in der absoluten Helligkeit zwischen den verschiedenen Sätzen. Zu jedem Zeitpunkt kommt mehr Licht aus der tiefen Atmosphäre (Lichtkurve in rot) als aus der oberen Atmosphäre (Lichtkurve in blau).
Das Diagramm rechts zeigt die mögliche Struktur der Atmosphäre von SIMP 0136, wobei die farbigen Pfeile die gleichen Wellenlängen des Lichts wiedergeben, die in den Lichtkurven gezeigt werden. Dicke Pfeile stehen für mehr (helleres) Licht, dünne Pfeile für weniger (schwächeres) Licht.
SIMP 0136 befindet sich in der Milchstraße, etwa 20 Lichtjahre von der Erde entfernt, im Sternbild Fische (Pisces). Er ist der hellste isolierte Planet oder Braune Zwerg, der von der nördlichen Hemisphäre aus sichtbar ist, und man schätzt sein Alter auf etwa 200 Millionen Jahre. Die künstlerischen Konzepte beruhen auf den spektroskopischen Beobachtungen von Webb. Webb hat kein direktes Bild des Objekts aufgenommen.
Erkunden Sie diese Beobachtung auf NASA’s Space Telescope Live.