NASA’s Webb blickt in den äußersten galaktischen Rand

Originalveröffentlichung am 12.09.2024 zu finden unter: https://webbtelescope.org/news/news-releases

Zusammenfassung: In den Außenbezirken der Milchstraße findet ein Feuerwerk der Sternentstehung statt

Wie beeinflussen Umweltfaktoren den Prozeß der Sternentstehung?

Um diese Frage zu beantworten, untersuchte das James-Webb-Weltraumteleskop der NASA die Ränder unserer Milch-straße. Die Bildgebungsfähigkeiten von Webb im nahen und mittleren Infrarotbereich ermöglichten es den Wissenschaft-lern, ein Sternentstehungsgebiet (Digel-Wolke 1 und 2) zu untersuchen, das an unsere Galaxis während ihrer frühen Entstehung erinnert.

Astronomen haben NASA’s James-Webb-Weltraumteleskop so ausgerichtet, daß sie die Außenbezirke unserer Milch-straße untersuchen konnten. Die Wissenschaftler bezeichnen diese Region als Extreme Outer Galaxy, da sie mehr als 58.000 Lichtjahre vom galaktischen Zentrum entfernt ist. (Zum Vergleich: Die Erde ist etwa 26.000 Lichtjahre vom Zentrum entfernt.)

Ein Team von Wissenschaftlern nutzte die NIRCam (Nahinfrarotkamera) und das MIRI (Mittelinfrarotinstrument) von Webb, um ausgewählte Regionen innerhalb zweier Molekülwolken, die als Digel-Wolken 1 und 2 bekannt sind, abzubilden. Mit ihrer hohen Empfindlichkeit und scharfen Auflösung haben die Webb-Daten diese Gebiete, in denen sich Sternhaufen befinden, die eine explosionsartige Sternentstehung durchlaufen, in noch nie dagewesenen Einzelheiten aufgelöst. Zu den Details dieser Daten gehören Komponenten der Haufen wie sehr junge Protosterne (Klasse 0), Ausströmungen und Jets sowie charakteristische Nebelstrukturen.

Diese Webb-Beobachtungen, für die Mike Ressler vom Jet Propulsion Laboratory der NASA in Kalifornien die Teleskopzeit zur Verfügung gestellt wurde, ermöglichen es den Wissenschaftlern, die Sternentstehung in der äußeren Milchstraße mit der gleichen Detailtiefe zu untersuchen wie die Beobachtungen der Sternentstehung in unserer eigenen solaren Nachbar-schaft.

„In der Vergangenheit wußten wir von diesen Sternentstehungsgebieten, waren aber nicht in der Lage, ihre Eigenschaften zu erforschen“, so Natsuko Izumi von der Universität Gifu und dem National Astronomical Observatory of Japan, Haupt-autorin der Studie. „Die Webb-Daten bauen auf dem auf, was wir im Laufe der Jahre durch frühere Beobachtungen mit verschiedenen Teleskopen und Observatorien schrittweise gesammelt haben. Mit Webb können wir sehr aussagekräftige und beeindruckende Bilder von diesen Wolken erhalten. Im Fall der Digel-Wolke 2 habe ich nicht erwartet, daß wir eine so aktive Sternentstehung und spektakuläre Jets sehen würden.“

Im Entstehen begriffene Sterne

Obwohl die Digel-Wolken innerhalb unserer Galaxis liegen, sind sie relativ arm an Elementen, die schwerer als Wasser-stoff und Helium sind. Diese Zusammensetzung macht sie Zwerggalaxien und unsere eigene Milchstraße in ihrer frühen Geschichte ähnlich. Daher nutzte das Team die Gelegenheit, mit Webb die Aktivität in vier Haufen junger Sterne in den Digel-Wolken 1 und 2 zu erfassen: 1A, 1B, 2N und 2S.

In der Wolke 2S hat Webb den Haupthaufen mit jungen, neu entstandenen Sternen erfaßt. Dieses dichte Gebiet ist recht aktiv, da mehrere Sterne entlang ihrer Pole ausgedehnte Materiejets ausstoßen. Obschon die Wissenschaftler bereits zuvor vermuteten, daß es innerhalb der Wolke einen Unterhaufen geben könnte, haben die Bildgebungsfähigkeiten von Webb dessen Existenz nun zum ersten Mal bestätigt.

„Aus der Untersuchung anderer nahe gelegener Sternentstehungsgebiete wissen wir, daß Sterne, während sie sich in ihrer frühen Lebensphase entwickeln, an ihren Polen Materiejets ausstoßen“, sagt Ressler, Zweitautor der Studie und Leiter des Beobachtungsprogramms. „Was mich an den Webb-Daten fasziniert und verblüfft hat, ist die Tatsache, daß aus diesem Sternhaufen mehrere Jets in alle möglichen Richtungen schießen. Es ist ein bißchen wie bei einem Feuerwerkskörper, wo man Dinge sieht, die in diese und jene Richtung schießen.“

Die Saga der Sterne

Die Webb-Bilder streifen die Oberfläche der Extreme Outer Galaxy und der Digel-Wolken und sind nur ein Ausgangspunkt für das Team. Sie beabsichtigen, diesen Außenposten in der Milchstraße erneut zu besuchen, um Antworten auf eine Reihe aktueller Rätsel zu finden, darunter der relativen Häufigkeit von Sternen verschiedener Massen in den Sternhaufen der Extreme Outer Galaxy. Diese Messung kann den Astronomen helfen zu verstehen, wie eine bestimmte Umgebung verschiedene Arten von Sternen während ihrer Entstehung beeinflussen kann.

„Ich bin daran interessiert, weiter zu untersuchen, wie die Sternentstehung in diesen Regionen vor sich geht. Indem wir Daten von verschiedenen Observatorien und Teleskopen kombinieren, können wir jede Phase des Entwicklungsprozesses untersuchen“, so Izumi. „Wir planen auch, zirkumstellare Scheiben in der Extreme Outer Galaxy zu untersuchen. Wir wissen immer noch nicht, warum ihre Lebenszeit kürzer ist als in den Sternentstehungsgebieten, die uns viel näher sind. Und natürlich würde ich gerne die Kinematik der Jets verstehen, die wir in Wolke 2S entdeckt haben.“

Obwohl die Geschichte der Sternentstehung komplex ist und einige Kapitel noch immer in Geheimnisse gehüllt sind, sammelt Webb Hinweise und hilft den Astronomen, diese komplizierte Geschichte zu enträtseln.

Diese Ergebnisse wurden in der Zeitschrift Astronomical Journal veröffentlicht.

Die Beobachtungen wurden im Rahmen des Guaranteed Time Observation program 1237 durchgeführt.

Das James-Webb-Weltraumteleskop ist das weltweit führende Observatorium für Weltraumforschung. Webb wird Rätsel in unserem Sonnensystem lösen, einen Blick auf ferne Welten um andere Sterne werfen und die geheimnisvollen Strukturen und Ursprünge unseres Universums und unseren Platz darin erforschen. Webb ist ein internationales Programm unter der Leitung der NASA und ihrer Partner ESA (Europäische Weltraumorganisation) und CSA (Kanadische Weltraumorganisa-tion).

Digel-Wolke 2S

Ansicht: NASA, ESA, CSA, STScI, Michael Ressler (NASA-JPL)
  • Fast Facts
  • Objekt
  • Objektname(n): Digel-Wolke 2
  • Objektbeschreibung: Sternhaufen am Rande der Milchstraße
  • Rektaszension: 02:48:28.45
  • Deklination: +58:23:29.72
  • Sternbild: Perseus
  • Entfernung: Etwa 40.000 Lichtjahre
  • Abmessung: Das Bild hat einen Durchmesser von 1,8 Bogenminuten (etwa 21 Lichtjahre)
  • Daten
  • Instrument: NIRCam, MIRI
  • Filter: NIRCam. F115W, F150W, F200W, F356W, F444W
  • Filter: MIRI: F770W, F1280W 
  • Bild
  • Farbinformation: Diese Bilder sind eine Zusammenstellung von Einzelaufnahmen, die das James-Webb-Weltraum-teleskop mit den Instrumenten MIRI und NIRCam gemacht hat. Es wurden mehrere Filter verwendet, um breite Wellenlängenbereiche zu erfassen. Die Farbe ergibt sich aus der Zuordnung verschiedener Farbtöne (Farben) zu jedem monochromatischen (Graustufen-)Bild, das einem einzelnen Filter zugeordnet ist. In diesem Fall sind die zugewiesenen Farben:
  • Violett: F115W Blau: F150W Grün: F200W Gelb: F356W Orange: F444W Rot: F770W, F1280W

Über das Bild: NASA’s James-Webb-Weltraumteleskop beobachtete die Außenbezirke unserer Milchstraße. Diese Region, die als Extreme Outer Galaxy bekannt ist, befindet sich mehr als 58.000 Lichtjahre vom galaktischen Zentrum entfernt.

Um mehr darüber zu erfahren, wie eine lokale Umgebung den Sternentstehungsprozeß in ihr beeinflußt, richtete ein Team von Wissenschaftlern die NIRCam (Nahinfrarotkamera) und das MIRI (Mittelinfrarotinstrument) des Teleskops auf insge-samt vier Sternentstehungsgebiete in den Digel-Wolken 1 und 2: 1A, 1B, 2N und 2S.

Im Fall der hier gezeigten Wolke 2S entdeckte Webb einen leuchtkräftigen Hauptsternhaufen, der neu entstandene Sterne beherbergt. Mehrere dieser jungen Sterne stoßen an ihren Polen ausgedehnte Materiejets aus. Oben rechts im Haupt-haufen befindet sich ein Untersternhaufen, ein Merkmal, dessen Existenz die Wissenschaftler bereits vermutet hatten, der nun aber mit Webb bestätigt werden konnte. Darüber hinaus enthüllte das Teleskop eine große Zahl an Hintergrund-galaxien und roten nebulösen Strukturen, die von den Winden und der Strahlung der nahen Sterne abgetragen werden.

Kompass-Ansicht Digel-Wolke 2S

Ansicht: NASA, ESA, CSA, STScI, Michael Ressler (NASA-JPL)
  • Fast Facts
  • Objekt
  • Objektname(n): Digel-Wolke 2
  • Objektbeschreibung: Sternhaufen am Rande der Milchstraße
  • Rektaszension: 02:48:28.45
  • Deklination: +58:23:29.72
  • Sternbild: Perseus
  • Entfernung: Etwa 40.000 Lichtjahre
  • Abmessung: Das Bild hat einen Durchmesser von 1,8 Bogenminuten (etwa 21 Lichtjahre)
  • Daten
  • Instrument: NIRCam, MIRI
  • Filter: NIRCam. F115W, F150W, F200W, F356W, F444W
  • Filter: MIRI: F770W, F1280W 
  • Bild
  • Farbinformation: Diese Bilder sind eine Zusammenstellung von Einzelaufnahmen, die das James-Webb-Weltraum-teleskop mit den Instrumenten MIRI und NIRCam gemacht hat. Es wurden mehrere Filter verwendet, um breite Wellenlängenbereiche zu erfassen. Die Farbe ergibt sich aus der Zuordnung verschiedener Farbtöne (Farben) zu jedem monochromatischen (Graustufen-)Bild, das einem einzelnen Filter zugeordnet ist. In diesem Fall sind die zugewiesenen Farben:
  • Violett: F115W Blau: F150W Grün: F200W Gelb: F356W Orange: F444W Rot: F770W, F1280W

Über das Bild: Mit Anmerkungen versehenes Bild der Digel-Wolke 2S, aufgenommen von der NIRCam (Nahinfrarot-kamera) und dem MIRI (Mittelinfrarotinstrument) von Webb, mit Kompasspfeilen, einem Maßstabsbalken, einem Farb-schlüssel und graphischen Überlagerungen als Referenz.

Die Kompasspfeile nach Norden und Osten zeigen die Ausrichtung des Bildes am Himmel an. Beachten Sie, daß die Beziehung zwischen Norden und Osten am Himmel (von unten gesehen) im Vergleich zu den Richtungspfeilen auf einer Karte des Bodens (von oben gesehen) umgekehrt ist.

Der Maßstabsbalken ist in Lichtjahren und Bogensekunden beschriftet. Ein Lichtjahr entspricht ungefähr 9,46 Billionen Kilometer. Eine Bogensekunde entspricht 1/3600 eines Bogengrads. (Der Vollmond hat einen Winkeldurchmesser von etwa 0,5 Grad.) Die tatsächliche Größe eines Objekts, das eine Bogensekunde am Himmel bedeckt, hängt von seiner Entfernung zum Teleskop ab.

Dieses Bild zeigt unsichtbare Wellenlängen im nahen und mittleren Infrarotbereich, die in Farben des sichtbaren Lichts umgewandelt wurden. Der Farbschlüssel zeigt, welche NIRCam- und MIRI-Filter bei der Aufnahme des Lichts verwendet wurden. Die Farbe jedes Filternamens ist die Farbe des sichtbaren Lichts, die verwendet wird, um das infrarote Licht dar-zustellen, das durch diesen Filter hindurchgeht.

Im Haupthaufen sind fünf weiße Pfeile zu sehen, welche die Bahnen von fünf Protostern-Jets markieren.