NASA’s Webb enthüllt verzerrte Galaxie, die ein kosmisches Fragezeichen bildet

Originalveröffentlichung am 04.09.2024 zu finden unter: https://webbtelescope.org/news/news-releases

Zusammenfassung: Astronomen sind erstaunt über eine seltene kosmische Ausrichtung, die stark vergrößerte Sternentstehungsgebiete in fernen Galaxien zeigt

Was, warum, wie? Der Kosmos ist voll von Fragen. Dennoch waren Astronomen, die NASA’s James-Webb-Weltraum-teleskop benutzten, überrascht, als sie eine weit entfernte, rote Galaxie entdeckten, die die Form eines Fragezeichens hat. Eine spezielle, selten zu sehende Art von natürlicher Gravitationslinse läßt die Galaxie mehrfach erscheinen. Die Linse vergrößert auch die Galaxie und ihren spiralförmigen Begleiter, so daß die Astronomen mithilfe einer Kombination aus Infrarotdaten des Webb-Teleskops und Ultraviolettdaten von NASA’s Hubble-Weltraumteleskop bestimmte Regionen der Sternentstehung ausfindig machen können.

Es ist 7 Milliarden Jahre her, und die Blütezeit der Sternentstehung im Universum beginnt langsam zu vergehen. Wie mag unsere Galaxis zu dieser Zeit ausgesehen haben? Astronomen, die das James-Webb-Weltraumteleskop der NASA be-nutzen, haben Hinweise in Form eines kosmischen Fragezeichens gefunden, das Ergebnis einer seltenen Ausrichtung im Weltraum über Lichtjahre hinweg.

„Wir wissen nur von drei oder vier Vorkommen ähnlicher Gravitationslinsen-Konfigurationen im beobachtbaren Universum. Das macht diesen Fund so aufregend, denn er demonstriert die Leistungsfähigkeit von Webb und läßt hoffen, daß wir viel-leicht noch mehr davon finden werden“, sagte der Astronom Guillaume Desprez von der Saint Mary’s University in Halifax, Nova Scotia, ein Mitglied des Teams, das die Webb-Ergebnisse präsentierte.

Während diese Region bereits zuvor mit NASA’s Hubble-Weltraumteleskop beobachtet wurde, wurde die staubhaltige rote Galaxie, die die faszinierende Fragezeichenform bildet, erst mit Webb sichtbar. Dies liegt daran, daß die Wellenlängen des Lichts, das Hubble erkennt, im kosmischen Staub gefangen werden, während die längeren Wellenlängen des Infrarotlichts durchdringen und von den Webb-Instrumenten erkannt werden können.

Die Astronomen nutzten beide Teleskope, um den Galaxiencluster MACS-J0417.5-1154 zu beobachten, der wie ein Ver-größerungsglas wirkt, weil der Cluster so massereich ist, daß er das Gefüge der Raumzeit verformt. Dadurch können die Astronomen mehr Details in den viel weiter entfernten Galaxien hinter dem Cluster erkennen. Die gleichen Gravitations-effekte, welche die Galaxien vergrößern, verursachen aber auch Verzerrungen, die dazu führen, daß die Galaxien in Bögen über den Himmel verschmiert erscheinen und sogar mehrfach auftreten. Diese optischen Täuschungen im Welt-raum nennt man Gravitationslinseneffekt.

Die von Webb entdeckte rote Galaxie und eine Spiralgalaxie, mit der sie in Wechselwirkung steht und die zuvor von Hubble entdeckt wurde, werden auf ungewöhnliche Weise vergrößert und verzerrt, was eine besondere, seltene Ausrichtung zwischen den entfernten Galaxien, der Linse und dem Beobachter erfordert – etwas, das Astronomen eine hyperbolische umbilikale Gravitationslinse nennen. Dies ist der Grund für die fünf Bilder des Galaxienpaares in Webb’s Aufnahme, von denen vier den oberen Rand des Fragezeichens nachzeichnen. Der Punkt des Fragezeichens ist eine nicht verwandte Galaxie, die sich aus unserer Perspektive zufällig am richtigen Ort und in der richtigen Raumzeit befindet.

Neben der Erstellung einer Fallstudie über die Fähigkeit des NIRISS-Instruments (Near-Infrared Imager and Slitless Spectrograph) von Webb, Sternentstehungsorte in einer Milliarden Lichtjahre entfernten Galaxie zu erkennen, konnte das Forschungsteam auch nicht widerstehen, die Fragezeichenform hervorzuheben. „Das sieht einfach phantastisch aus. Erstaunliche Bilder wie diese sind der Grund, warum ich mich in meiner Jugend für Astronomie interessiert habe“, sagte der Astronom Marcin Sawicki von der Saint Mary’s University, einer der leitenden Forscher des Teams.

„Zu wissen, wann, wo und wie Sternentstehung in Galaxien stattfindet, ist entscheidend für das Verständnis, wie sich Galaxien im Laufe der Geschichte des Universums entwickelt haben“, sagte der Astronom Vicente Estrada-Carpenter von der Saint Mary’s University, der sowohl Hubble’s ultraviolette als auch Webb’s infrarote Daten verwendet hat, um zu zeigen, wo sich neue Sterne in den Galaxien bilden. Die Resultate zeigen, daß die Sternentstehung in beiden Galaxien weit verbreitet ist. Die Spektraldaten bestätigten auch, daß sich die neu entdeckte staubhaltige Galaxie in der gleichen Entfernung wie die gegenüberliegende Spiralgalaxie befindet, und daß sie wahrscheinlich beginnen, miteinander zu interagieren.

„Beide Galaxien des Fragezeichenpaars zeigen aktive Sternentstehung in mehreren kompakten Regionen, was wahr-scheinlich auf das Gas der beiden kollidierenden Galaxien zurückzuführen ist“, so Estrada-Carpenter. „Die Form der beiden Galaxien scheint jedoch nicht zu sehr gestört zu sein, so daß wir vermutlich den Beginn ihrer Interaktion mit-einander sehen.“

„Diese Galaxien, zu sehen vor Milliarden von Jahren, als die Sternentstehung auf ihrem Höhepunkt war, sehr der Masse ähnlich, welche die Milchstraße zu dieser Zeit gehabt hätte. Mit Webb können wir untersuchen, wie die Jugendjahre unserer eigenen Galaxis ausgesehen haben könnten“, so Sawicki.

Die Webb-Aufnahmen und -Spektren in dieser Untersuchung stammen aus dem Canadian NIRISS Unbiased Cluster Survey (CANUCS). Die Forschungsarbeit wurde in den Monthly Notices of the Royal Astronomical Society veröffent-licht.

Das James-Webb-Weltraumteleskop ist das weltweit führende Observatorium für Weltraumforschung. Webb wird Rätsel in unserem Sonnensystem lösen, einen Blick auf ferne Welten um andere Sterne werfen und die geheimnisvollen Strukturen und Ursprünge unseres Universums und unseren Platz darin erforschen. Webb ist ein internationales Programm unter der Leitung der NASA und ihrer Partner ESA (Europäische Weltraumorganisation) und CSA (Kanadische Weltraumorganisa-tion).

Fragezeichen-Galaxie (NIRCam)

Ansicht: NASA, ESA, CSA, STScI, Vicente Estrada-Carpenter (Saint Mary’s University)
  • Fast Facts
  • Objekt
  • Objektname(n): Fragezeichen-Galaxie in MACS J0417.5-1154
  • Objektbeschreibung: Durch Gravitationslinseneffekt eines Galaxienclusters verstärkte Galaxie
  • Rektaszension: 04:17:34.6
  • Deklination: -11:54:32
  • Sternbild: Eridanus
  • Entfernung: 4,65 Milliarden Lichtjahre (z=0,441)
  • Abmessung: Das Bild hat einen Durchmesser von etwa 50 Bogensekunden (etwa 1,2 Millionen Lichtjahre)
  • Daten
  • Instrument: NIRCam
  • Filter: F090W, F150W, F444W
  • Bild
  • Farbinformation: Diese Bilder sind ein Komposit aus Einzelbelichtungen, die vom James-Webb-Weltraumteleskop mit dem NIRCam-Instrument aufgenommen wurden. Es wurden mehrere Filter verwendet, um einen breiten Wellenlängen-bereich zu erfassen. Die Farbe ergibt sich aus der Zuordnung verschiedener Farbtöne (Farben) zu jedem monochroma-tischen (Graustufen-)Bild, das einem einzelnen Filter zugeordnet ist. In diesem Fall sind die zugewiesenen Farben:
  • Blau: F090W Grün: F150W Rot: F444W

Über das Bild: Der Galaxiencluster MACS-J0417.5-1154 ist so massereich, daß er das Gefüge der Raumzeit verformt und das Erscheinungsbild der dahinter liegenden Galaxien verzerrt – ein Effekt, der als Gravitationslinseneffekt bekannt ist. Dieses natürliche Phänomen verstärkt weit entfernte Galaxien und kann sie auf einem Bild auch mehrfach erscheinen lassen, wie NASA’s James-Webb-Weltraumteleskop hier gesehen hat. Zwei weit entfernte, wechselwirkende Galaxien – eine frontal zu sehende Spirale, und eine staubige rote Galaxie von der Seite gesehen – erscheinen mehrfach und zeich-nen eine vertraute Form am Himmel. Die aktive Sternentstehung und die bemerkenswert ungestörte Spiralform der Face-on-Galaxie deuten darauf hin, daß die Interaktion dieser Galaxien gerade erst beginnt.

MACS J0417.5-1154 Weitwinkel (NIRCam)

Ansicht: NASA, ESA, CSA, STScI, Vicente Estrada-Carpenter (Saint Mary’s University)
  • Fast Facts
  • Objekt
  • Objektname(n): MACS J0417.5-1154
  • Objektbeschreibung: Galaxiencluster
  • Rektaszension: 04:17:34.6
  • Deklination: -11:54:32
  • Sternbild: Eridanus
  • Entfernung: 4,65 Milliarden Lichtjahre (z=0,441)
  • Abmessung: Das Bild hat einen Durchmesser von etwa 2,4 Bogenminuten (etwa 3,3 Millionen Lichtjahre)
  • Daten
  • Instrument: NIRCam
  • Filter: F090W, F150W, F444W
  • Bild
  • Farbinformation: Diese Bilder sind ein Komposit aus Einzelbelichtungen, die vom James-Webb-Weltraumteleskop mit dem NIRCam-Instrument aufgenommen wurden. Es wurden mehrere Filter verwendet, um einen breiten Wellenlängen-bereich zu erfassen. Die Farbe ergibt sich aus der Zuordnung verschiedener Farbtöne (Farben) zu jedem monochroma-tischen (Graustufen-)Bild, das einem einzelnen Filter zugeordnet ist. In diesem Fall sind die zugewiesenen Farben:
  • Blau: F090W Grün: F150W Rot: F444W

Über das Bild: Ein kosmisches Fragezeichen erscheint inmitten einer starken Gravitationslinse in der Weitwinkelansicht des James-Webb-Weltraumteleskops auf den Galaxiencluster MACS-J0417.5-1154. Gravitationslinsen treten auf, wenn etwas so massereich ist, wie dieser Galaxiencluster, daß es das Gefüge der Raumzeit selbst verformt, wodurch ein natür-licher Zerrspiegeleffekt entsteht, der auch Galaxien dahinter verstärkt.

Der seltene Linsentyp, den die Astronomen als hyperbolisch umbilikal bezeichnen, führte zu fünf wiederholten Bildern eines Galaxienpaars. Das rote, längliche Mitglied dieses Paares zeichnet aufgrund der Verzerrung die vertraute Form eines Fragezeichens über den Himmel, wobei sich eine andere, nicht in Beziehung stehende Galaxie zufällig genau in der richtigen Raumzeit befindet, um wie der Punkt des Fragezeichens zu erscheinen – besonders für Menschen, die gerne vertraute Formen und Muster erkennen.

Fragezeichen-Galaxie – Hubble und Webb

Ansicht: NASA, ESA, CSA, STScI, Vicente Estrada-Carpenter (Saint Mary’s University)
  • Fast Facts
  • Objekt
  • Objektname(n): Fragezeichen-Galaxie in MACS J0417.5-1154
  • Objektbeschreibung: Durch Gravitationslinseneffekt eines Galaxienclusters verstärkte Galaxie
  • Rektaszension: 04:17:34.6
  • Deklination: -11:54:32
  • Sternbild: Eridanus
  • Entfernung: 4,65 Milliarden Lichtjahre (z=0,441)
  • Daten
  • Instrument: Hubble: ACS
  • Instrument: Webb: NIRCam
  • Filter: Hubble: F606W, F435W, F814W
  • Filter: Webb: F090W, F150W, F444W
  • Bild
  • Farbinformation: Das Hubble-Bild ist ein Komposit aus Einzelbelichtungen, die mit dem ACS-Instrument am Hubble-Weltraumteleskop aufgenommen wurden. Es wurden mehrere Filter verwendet, um verschiedene Wellenlängenberei-che zu erfassen. Die Farbe ergibt sich aus der Zuordnung verschiedener Farbtöne (Farben) zu jedem monochromati-schen (Graustufen-) Bild, das einem einzelnen Filter zugeordnet ist. In diesem Fall sind die zugewiesenen Farben:
  • Blau= F435W, Grün=F606W, Rot= F814W
  • Farbinformation: Auch das Webb-Bild ist ein Komposit aus Einzelbelichtungen, die vom NIRCam-Instrument aufgenom-men wurden. Die Farbe ergibt sich aus der Zuweisung verschiedener Farbtöne (Farben) zu jedem monochromatischen (Graustufen-) Bild, das mit einem einzelnen Filter verbunden ist. In diesem Fall sind die zugewiesenen Farben:
  • Blau: F090W Grün: F150W Rot: F444W

Über das Bild: NASA’s Hubble-Weltraumteleskop hat den Galaxienhaufen MACS-J0417.5-1154 ebenfalls beobachtet, aber die staubhaltige rote Galaxie, die mehrfach in Form eines Fragezeichens erscheint, ist auf dem Webb-Bild viel deutli-cher zu erkennen. Das von Webb erfaßte Infrarotlicht kann den kosmischen Staub seiner Heimatgalaxie besser durchdrin-gen und das Teleskop erreichen. Die Astronomen nutzten die ultravioletten Beobachtungen von Hubble, um zu bestimmen, wo die Sternentstehung sowohl in der roten Galaxie als auch in ihrem nahen Begleiter, einer frontal zu sehenden Spiral-galaxie, stattfindet.

Fragezeichen-Galaxie, beschriftet (NIRCam Kompass-Ansicht)

Ansicht: NASA, ESA, CSA, STScI, Vicente Estrada-Carpenter (Saint Mary’s University)
  • Fast Facts
  • Objekt
  • Objektname(n): Fragezeichen-Galaxie in MACS J0417.5-1154
  • Objektbeschreibung: Durch Gravitationslinseneffekt eines Galaxienclusters verstärkte Galaxie
  • Rektaszension: 04:17:34.6
  • Deklination: -11:54:32
  • Sternbild: Eridanus
  • Entfernung: 4,65 Milliarden Lichtjahre (z=0,441)
  • Abmessung: Das Bild hat einen Durchmesser von etwa 50 Bogensekunden (etwa 1,2 Millionen Lichtjahre)
  • Daten
  • Instrument: NIRCam
  • Filter: F090W, F150W, F444W
  • Bild
  • Farbinformation: Diese Bilder sind ein Komposit aus Einzelbelichtungen, die vom James-Webb-Weltraumteleskop mit dem NIRCam-Instrument aufgenommen wurden. Es wurden mehrere Filter verwendet, um einen breiten Wellenlängen-bereich zu erfassen. Die Farbe ergibt sich aus der Zuordnung verschiedener Farbtöne (Farben) zu jedem monochroma-tischen (Graustufen-)Bild, das einem einzelnen Filter zugeordnet ist. In diesem Fall sind die zugewiesenen Farben:
  • Blau: F090W Grün: F150W Rot: F444W

Über das Bild: Eine bestimmte Art des Gravitationslinseneffekts, der Astronomen als hyperbolisch umbilikal bekannt ist und der auf dem Bild des James-Webb-Weltraumteleskops vom Galaxienhaufen MACS-J0417.5 zu sehen ist, führt zu der optischen Täuschung, daß ein weit entferntes Galaxienpaar, hier als A, B, C, D und E bezeichnet, fünfmal zu sehen ist. Während das Paar in Wirklichkeit nur einmal existiert, erscheint es fünfmal, wenn man es durch den auf Grund der Masse des Galaxienclusters verursachten Zerrspiegels des gekrümmten Raums betrachtet. Bild D ist weitgehend hinter dem hellen weißen Schein einer der Galaxien des Haufens verborgen.

Dieses Bild enthält zudem Kompasspfeile, einen Maßstabsbalken und einen Farbschlüssel als Referenz. Der Maßstabs-balken ist in Bogensekunden angegeben, einem Maß für die Winkelentfernung am Himmel. Ein Grad besteht aus 60 Bogenminuten und eine Bogenminute aus 60 Bogensekunden (der Vollmond hat einen Winkeldurchmesser von etwa 30 Bogenminuten). Die tatsächliche Größe eines Objekts, das eine Bogensekunde am Himmel bedeckt, hängt von seiner Entfernung zum Teleskop ab.

Dieses Bild zeigt infrarote Wellenlängen des Lichts, die in Farben des sichtbaren Lichts umgewandelt wurden. Der Farb-schlüssel am unteren Rand des Bildes zeigt, welche Filter des NIRCam-Instruments (Nahinfrarotkamera) von Webb ver-wendet wurden. Die Farbe jedes Filternamens ist die Farbe des sichtbaren Lichts, die dem von diesem Filter erfaßten Infrarotlicht zugeordnet ist.