Originalveröffentlichung am 06.06.2024 zu finden unter: https://webbtelescope.org/news/news-releases
Zusammenfassung: Ergebnis liefert neue Erkenntnisse über die Voraussetzungen für die Planetenbildung um sehr massearme Sterne
Planeten bilden sich in Scheiben aus Gas und Staub, die junge Sterne umkreisen. Beobachtungen deuten darauf hin, daß Gesteinsplaneten mit größerer Wahrscheinlichkeit als Gasriesen um Sterne entstehen, die viel leichter sind als unsere Sonne. Je nach den Bedingungen in der Scheibe könnten sich die Planeten, die dort entstehen, jedoch stark von der Erde unterscheiden.
In einer neuen Studie untersuchten Astronomen mit dem James-Webb-Weltraumteleskop der NASA einen roten Zwerg-stern (ISO-ChaI 147), der nur ein Zehntel so schwer ist wie unsere Sonne. Um diesen jungen Stern, der nur ein bis zwei Millionen Jahre alt ist, haben sich noch keine bekannten Planeten gebildet. Das Team fand heraus, daß das Gas in der planetenbildenden Region des Sterns reich an kohlenstoffhaltigen Molekülen ist. Paradoxerweise bedeutet dies, daß etwaige Gesteinsplaneten, die sich dort bilden, kohlenstoffarm sein könnten.
Ein internationales Team von Astronomen hat mit NASA’s James-Webb-Weltraumteleskop die Gas- und Staubscheibe um einen jungen, sehr massearmen Stern untersucht. Die Ergebnisse zeigen die größte Zahl von kohlenstoffhaltigen Mole-külen, die bisher in einer solchen Scheibe beobachtet wurde. Diese Erkenntnisse haben Auswirkungen auf die mögliche Zusammensetzung von Planeten, die sich um diesen Stern bilden könnten.
Gesteinsplaneten bilden sich mit größerer Wahrscheinlichkeit als Gasriesen um massearme Sterne, was sie zu den häufigsten Planeten um die häufigsten Sterne in unserer Galaxis macht. Über die Chemie solcher Welten, die der Erde ähnlich sein oder sich von ihr stark unterscheiden können, ist wenig bekannt. Durch die Untersuchung der Scheiben, aus denen sich solche Planeten bilden, hoffen die Astronomen, den Prozeß der Planetenbildung und die Zusammensetzung der entstehenden Planeten besser zu verstehen.
Planetenbildende Scheiben um sehr massearme Sterne sind schwer zu untersuchen, da sie kleiner und lichtschwächer sind als Scheiben um massereiche Sterne. Ein Programm namens MIRI (Mid-Infrared Instrument) Mid-INfrared Disk Survey (MINDS) hat das Ziel, die einzigartigen Fähigkeiten von Webb zu nutzen, um eine Brücke zwischen dem chemischen Inventar von Scheiben und den Eigenschaften von Exoplaneten zu schlagen.
„Webb hat eine bessere Empfindlichkeit und spektrale Auflösung als frühere Infrarot-Weltraumteleskope“, erklärt Haupt-autor Aditya Arabhavi von der Universität Groningen in den Niederlanden. „Diese Beobachtungen sind von der Erde aus nicht möglich, weil die Emissionen der Scheibe durch unsere Atmosphäre blockiert werden.“
In einer neuen Studie untersuchte dieses Team die Region um einen sehr massearmen Stern namens ISO-ChaI 147, einen 1 bis 2 Millionen Jahre alten Stern, der nur 0,11 Mal so viel wiegt wie die Sonne. Das von Webb’s MIRI aufgedeckte Spektrum zeigt die reichste Kohlenwasserstoffchemie, die bisher in einer protoplanetaren Scheibe beobachtet wurde – insgesamt 13 verschiedene kohlenstoffhaltige Moleküle. Zu den Ergebnissen des Teams gehören der erste Nachweis von Ethan (C2H6) außerhalb unseres Sonnensystems sowie von Ethylen (C2H4), Propin (C3H4) und dem Methylradikal CH3.
„Diese Moleküle wurden bereits in unserem Sonnensystem nachgewiesen, etwa in Kometen wie 67P/Churyumov-Gerasimenko und C/2014 Q2 (Lovejoy)“, fügte Arabhavi hinzu. “Webb hat uns gezeigt, daß diese Kohlenwasserstoff-moleküle nicht nur vielfältig, sondern auch reichlich vorhanden sind. Es ist erstaunlich, daß wir jetzt den Tanz dieser Moleküle in den Planetenwiegen sehen können. Es ist eine ganz andere Umgebung für die Planetenentstehung, als wir sie uns normalerweise vorstellen.”
Das Team weist darauf hin, daß diese Ergebnisse große Auswirkungen auf die Chemie der inneren Scheibe und der Planeten haben, die sich dort bilden könnten. Da Webb gezeigt hat, daß das Gas in der Scheibe so reich an Kohlenstoff ist, ist vermutlich wenig Kohlenstoff in den festen Materialien übrig, aus denen sich Planeten bilden würden. Infolgedessen könnten die Planeten, die sich dort bilden könnten, letztlich kohlenstoffarm sein. (Die Erde selbst gilt als kohlenstoffarm.)
„Dies unterscheidet sich grundlegend von der Zusammensetzung, die wir in Scheiben um sonnenähnliche Sterne sehen, wo sauerstoffhaltige Moleküle wie Wasser und Kohlendioxid dominieren“, fügte Teammitglied Inga Kamp, ebenfalls von der Universität Groningen, hinzu. „Dieses Objekt zeigt, daß es sich um eine einzigartige Klasse von Objekten handelt.“
„Es ist unglaublich, daß wir die Menge an Molekülen, die wir auf der Erde gut kennen, wie z. B. Benzol, in einem Objekt nachweisen und quantifizieren können, das mehr als 600 Lichtjahre entfernt ist“, fügte Teammitglied Agnés Perrin vom Centre National de la Recherche Scientifique in Frankreich hinzu.
Als Nächstes will das Wissenschaftsteam seine Studie auf eine größere Stichprobe solcher Scheiben um sehr massearme Sterne ausweiten, um besser zu verstehen, wie häufig oder exotisch solche kohlenstoffreichen Regionen sind, in denen sich terrestrische Planeten bilden. „Die Ausweitung unserer Studie wird es uns auch ermöglichen, besser zu verstehen, wie sich diese Moleküle bilden können“, erklärt Thomas Henning vom Max-Planck-Institut für Astronomie in Deutschland, Mitglied des Teams und Leiter des MINDS-Programms. „Mehrere Merkmale in den Webb-Daten sind zudem noch nicht identifiziert, so daß weitere Spektroskopie erforderlich ist, um unsere Beobachtungen vollständig zu interpretieren.“
Diese Arbeit unterstreicht auch, wie wichtig es für Wissenschaftler ist, interdisziplinär zusammenzuarbeiten. Das Team bekräftigt, daß diese Ergebnisse und die zugehörigen Daten anderen Bereichen wie der theoretischen Physik, der Chemie und der Astrochemie helfen können, die Spektren zu interpretieren und neue Merkmale in diesem Wellenlängenbereich zu untersuchen.
Diese Ergebnisse sind in der Zeitschrift Science veröffentlicht worden.
Das James-Webb-Weltraumteleskop ist das weltweit führende Observatorium für Weltraumforschung. Webb wird Rätsel in unserem Sonnensystem lösen, einen Blick auf ferne Welten um andere Sterne werfen und die geheimnisvollen Strukturen und Ursprünge unseres Universums und unseren Platz darin erforschen. Webb ist ein internationales Programm unter der Leitung der NASA und ihrer Partner ESA (Europäische Weltraumorganisation) und CSA (Kanadische Weltraumorganisa-tion).
Protoplanetare Scheibe (Künstlerischer Entwurf)
Über das Bild: Dies ist eine künstlerische Darstellung eines jungen Sterns, umgeben von einer Scheibe aus Gas und Staub. Ein internationales Team von Astronomen hat mit dem James-Webb-Weltraumteleskop der NASA die Scheibe um einen jungen und sehr massearmen Stern namens ISO-ChaI 147 untersucht. Die Ergebnisse enthüllen die reichhaltigste Kohlenwasserstoffchemie, die bisher in einer protoplanetaren Scheibe beobachtet wurde.
Das Wissenschaftsteam untersuchte die Region um ISO-ChaI 147, einen sehr massearmen Stern von 0,11 Sonnen-massen. Dabei stellten sie fest, daß das Gas in der planetenbildenden Region des Sterns reich an Kohlenstoff ist. Dies könnte bedeuten, daß den Bausteinen für Planeten der Kohlenstoff fehlt, da alle kohlenstoffhaltigen Chemikalien verdampft und in das umgebende Gas verloren gegangen sind. Infolgedessen könnten die entstehenden Gesteinsplaneten kohlen-stoffarm sein.
Kohlenwasserstoffe im Spektrum der protoplanetaren Scheibe (MIRI)
Diese Graphik zeigt einige der Ergebnisse des MIRI Mid-INfrared Disk Survey (MINDS), die eine Brücke zwischen dem chemischen Inventar von Scheiben und den Eigenschaften von Exoplaneten schlagen soll. In einer neuen Studie unter-suchte ein Wissenschaftsteam die Region um einen sehr massearmen Stern von 0,11 Sonnenmassen (bekannt als ISO-ChaI 147). Dabei entdeckten sie, daß das Gas in der planetenbildenden Region des Sterns reich an Kohlenstoff ist. Dies könnte bedeuten, daß den Bausteinen für Planeten der Kohlenstoff fehlt, weil alle kohlenstoffhaltigen Chemikalien ver-dampft und in das umgebende Gas verloren gegangen sind. Folglich könnten die entstehenden Gesteinsplaneten kohlen-stoffarm sein.
Das Spektrum, von MIRI (Mid-Infrared Instrument) des James-Webb-Weltraumteleskops der NASA offengelegt, zeigt die reichhaltigste Kohlenwasserstoffchemie, die bisher in einer protoplanetaren Scheibe beobachtet wurde, bestehend aus 13 kohlenstoffhaltigen Molekülen. Dazu gehört auch der erste extrasolare Nachweis von Ethan (C2H6). Dem Team gelang auch der Nachweis von Ethylen (C2H4), Propin (C3H4) und, zum ersten Mal in einer protoplanetaren Scheibe, des Methyl-radikals CH3.
Diese Graphik zeigt die Nachweise von Ethan (C2H6), Methan (CH4), Propin (C3H4), Cyanoacetylen (HC3N) und dem Methylradikal CH3.