NASA’s Webb findet Anzeichen für mögliche Polarlichter auf isoliertem Braunem Zwerg

Originalveröffentlichung am 09.01.2024 zu finden unter: https://webbtelescope.org/news/news-releases

Zusammenfassung: Infrarote Strahlung von Methan deutet auf atmosphärische Erwärmung durch Polarlicht-prozesse hin

Astronomen haben mit dem James-Webb-Weltraumteleskop der NASA einen Braunen Zwerg (ein Objekt, das masse-reicher als der Jupiter, aber kleiner als ein Stern ist) entdeckt, der möglicherweise Polarlichter zeigt, wie die bekannten Nordlichter auf unserer Welt. Dies ist ein unerwartetes Rätsel, denn der Braune Zwerg, bekannt als W1935, ist ein isoliertes Objekt im Weltraum, ohne einen nahen Stern, der ein Polarlicht hervorrufen könnte.

Polarlichter auf der Erde entstehen, wenn energiegeladene Teilchen von der Sonne vom Magnetfeld unseres Planeten eingefangen werden. Diese Teilchen stürzen in der Nähe der Erdpole in unsere Atmosphäre, kollidieren mit Gasmolekülen und erzeugen geisterhafte, tanzende Lichtvorhänge. Da W1935 keinen Stern hat, der einen Sternwind erzeugt, ist es möglich, daß externe Wechselwirkungen mit interstellarem Plasma oder einem nahe gelegenen aktiven Mond (wie Jupiters Io) für die beobachtete Infrarotstrahlung verantwortlich sind.

Astronomen haben mit dem James-Webb-Weltraumteleskop der NASA einen Braunen Zwerg (ein Objekt, das masse-reicher als Jupiter, aber kleiner als ein Stern ist) mit Infrarot-Emissionen von Methan entdeckt, die wahrscheinlich auf Energie in seiner oberen Atmosphäre zurückzuführen sind. Dies ist eine unerwartete Entdeckung, denn der Braune Zwerg W1935 ist kalt und hat keinen Wirtsstern; daher gibt es keine offensichtliche Quelle für die Energie der oberen Atmosphäre. Das Team spekuliert, daß die Methanemission auf Prozesse zurückzuführen sein könnte, die Polarlichter erzeugen.

Diese Ergebnisse werden auf der 243. Tagung der Amerikanischen Astronomischen Gesellschaft in New Orleans vorgestellt.

Um das Geheimnis der Infrarotemission durch Methan zu lüften, wandte sich das Team unserem Sonnensystem zu.  Methan in Emission ist ein häufiges Merkmal von Gasriesen wie Jupiter und Saturn. Die Erwärmung der oberen Atmosphäre, die diese Strahlung antreibt, wird mit Polarlichtern in Verbindung gebracht.

Auf der Erde entstehen Polarlichter, wenn energiereiche Teilchen, die von der Sonne ins All geschossen werden, vom Magnetfeld der Erde eingefangen werden. Sie stürzen entlang der Magnetfeldlinien in der Nähe der irdischen Pole in unserer Atmosphäre abwärts, kollidieren mit Gasmolekülen und erzeugen geisterhafte, tanzende Lichtvorhänge. Jupiter und Saturn haben ähnliche Polarlichtprozesse, die mit dem Sonnenwind wechselwirken, aber sie erhalten auch Polarlicht-beiträge von nahe gelegenen aktiven Monden wie Io (für Jupiter) und Enceladus (für Saturn).

Bei isolierten Braunen Zwergen wie W1935 ist das Fehlen eines stellaren Windes, der zum Polarlichtprozeß beiträgt und die zusätzliche Energie in der oberen Atmosphäre erklärt, die für die Methanemission erforderlich ist, ein Rätsel. Das Team vermutet, daß entweder unerklärte interne Prozesse wie die atmosphärischen Phänomene bei Jupiter und Saturn oder äußere Wechselwirkungen mit interstellarem Plasma oder einem nahegelegenen aktiven Mond für die Emission verantwortlich sind.

Eine Detektivgeschichte

Die Entdeckung der Polarlichter verlief wie eine Detektivgeschichte. Ein Team unter der Leitung von Jackie Faherty, einer Astronomin am American Museum of Natural History in New York, erhielt Zeit für das Webb-Teleskop, um 12 kalte Braune Zwerge zu untersuchen. Darunter befanden sich W1935 – ein Objekt, das von dem Amateurforscher Dan Caselden entdeckt wurde, der an dem Projekt Backyard Worlds Zooniverse mitarbeitete – und W2220, ein Objekt, das mit dem Wide Field Infrared Survey Explorer der NASA entdeckt wurde. Webb enthüllte in exzellenten Einzelheiten, daß W1935 und W2220 in ihrer Zusammensetzung fast Klone voneinander zu sein scheinen. Auch die Helligkeit, die Temperaturen und die spektralen Merkmale von Wasser, Ammoniak, Kohlenmonoxid und Kohlendioxid waren ähnlich. Die auffällige Ausnahme war, dass W1935 eine Methanemission zeigte, im Gegensatz zu der erwarteten Absorption, die bei W2220 beobachtet wurde. Dies wurde bei einer bestimmten Infrarot-Wellenlänge beobachtet, für die Webb besonders empfindlich ist.

“Wir hatten erwartet, Methan zu sehen, da Methan überall in diesen Braunen Zwergen vorkommt. Aber anstatt Licht zu absorbieren, sahen wir genau das Gegenteil: Das Methan leuchtete. Mein erster Gedanke war: Was zum Teufel? Warum kommt von diesem Objekt Methanemission?”, sagte Faherty.

Das Team nutzte Computermodelle, um herauszufinden, was hinter dieser Emission stecken könnte. Die Modellierung ergab, daß W2220 die erwartete Energieverteilung in der Atmosphäre aufwies und mit zunehmender Höhe kühler wurde. W1935 hingegen zeigte ein überraschendes Ergebnis. Das beste Modell sprach für eine Temperaturinversion, bei der die Atmosphäre mit zunehmender Höhe wärmer wurde.

“Diese Temperaturinversion ist wirklich rätselhaft”, sagte Ben Burningham, ein Mitautor von der Universität Hertfordshire in England und leitender Modellierer der Arbeit. “Wir haben diese Art von Phänomen schon bei Planeten mit einem nahen Stern gesehen, der die Stratosphäre aufheizen kann, aber es bei einem Objekt ohne offensichtliche äußere Wärmequelle zu sehen, ist verrückt”.

Hinweise aus unserem Sonnensystem

Auf der Suche nach Hinweisen suchte das Team in unserem eigenen Hinterhof, bei den Planeten unseres Sonnensystems. Die Gasplaneten können als Anhaltspunkte dafür dienen, was in der Atmosphäre von W1935 in mehr als 40 Lichtjahren Entfernung vor sich geht.

Das Team stellte fest, daß Temperaturinversionen bei Planeten wie Jupiter und Saturn besonders ausgeprägt sind. Es wird noch daran gearbeitet, die Ursachen für die Erwärmung der Stratosphäre zu verstehen, aber führende Theorien für das Sonnensystem beinhalten eine externe Erwärmung durch Polarlichter und einen internen Energietransport aus tieferen Schichten der Atmosphäre (wobei erstere eine führende Erklärung ist).

Mögliches Polarlicht im Zusammenhang mit Braunen Zwergen

Dies ist nicht das erste Mal, daß ein Polarlicht herangezogen wird, um eine Beobachtung bei einem Braunen Zwerg zu erklären. Astronomen haben von mehreren wärmeren Braunen Zwergen ausgehende Radioemissionen entdeckt und Polarlichter als wahrscheinlichste Erklärung ins Feld geführt. Mit bodengebundenen Teleskopen wie dem Keck-Observatorium wurde nach Infrarotsignaturen dieser radiostrahlenden Braunen Zwerge gesucht, um das Phänomen weiter zu charakterisieren, aber das Ergebnis war nicht schlüssig.

W1935 ist der erste Polarlichtkandidat außerhalb des Sonnensystems mit der Signatur von Methanemission. Er ist auch der kälteste Polarlichtkandidat außerhalb unseres Sonnensystems, mit einer effektiven Temperatur von ungefähr 200 Grad Celsius, circa 300 Grad Celsius wärmer als Jupiter.

In unserem Sonnensystem trägt der Sonnenwind in erster Linie zu den Polarlichtprozessen bei, wobei aktive Monde wie Io und Enceladus für Planeten wie Jupiter bzw. Saturn eine Rolle spielen. W1935 hat keinen Begleitstern, so daß ein stellarer Wind nicht zu dem Phänomen beitragen kann. Es bleibt abzuwarten, ob ein aktiver Mond eine Rolle bei der Methanemission auf W1935 spielen könnte.

“Mit W1935 haben wir nun eine spektakuläre Erweiterung eines Phänomens des Sonnensystems ohne stellare Einstrahlung, die uns bei der Erklärung helfen könnte”, so Faherty. Mit Webb können wir wirklich den “Deckel” der Chemie öffnen und herausfinden, wie ähnlich oder anders der Polarlichtprozeß jenseits unseres Sonnensystems ist”, fügte sie hinzu.

Das James-Webb-Weltraumteleskop ist das weltweit führende Observatorium für Weltraumforschung. Webb wird Rätsel in unserem Sonnensystem lösen, einen Blick auf ferne Welten um andere Sterne werfen und die geheimnisvollen Strukturen und Ursprünge unseres Universums und unseren Platz darin erfor-schen. Webb ist ein internationales Programm unter der Leitung der NASA und ihrer Partner ESA (Europäische Weltraumorganisation) und CSA (Kanadische Weltraumorganisa-tion).

Möchten Sie helfen, eine neue Welt zu entdecken? Machen Sie mit beim Bürgerforschungsprojekt Backyard Worlds: Planet 9 und suchen Sie jenseits des Neptun nach neuen Braunen Zwergen und Planeten. Oder versuchen Sie es mit dem neuen Bürgerforschungsprojekt Burst Chaser der NASA, das am 9. Januar startete.

Brauner Zwerg W1935 (Künstlerischer Entwurf)

Künstlerische Darstellung: NASA, ESA, CSA, Leah Hustak (STScI)

Über das Bild: Diese Illustration zeigt den Braunen Zwerg W1935, der 47 Lichtjahre von der Erde entfernt ist. Astronomen, die das James-Webb-Weltraumteleskop der NASA benutzten, entdeckten von W1935 ausgehende Infrarotemissionen von Methan. Dies ist eine unerwartete Entdeckung, denn der Braune Zwerg ist kalt und hat keinen Wirtsstern; daher gibt es keine offensichtliche Energiequelle, die seine obere Atmosphäre aufheizt und das Methan zum Leuchten bringt. Das Team spekuliert, daß die Methanemission auf Prozesse zurückzuführen sein könnte, die Polarlichter erzeugen (hier in rot dargestellt).

Methan in der Atmosphäre der Braunen Zwerge W1935 und W2220 (NIRSpec)

Abbildung: NASA, ESA, CSA, Leah Hustak (STScI)

Über das Bild: Astronomen untersuchten mit NASA’s James-Webb-Weltraumteleskop 12 kalte Braune Zwerge. Zwei von ihnen – W1935 und W2220 – schienen in Bezug auf Zusammensetzung, Helligkeit und Temperatur fast Zwillinge zu sein. W1935 zeigte jedoch eine Methanemission, im Gegensatz zu dem erwarteten Absorptionsmerkmal, das bei W2220 beobachtet wurde. Das Team spekuliert, daß die Methanemission auf Prozesse zurückzuführen sein könnte, die Polarlichter erzeugen.