Originalveröffentlichung am 23.05.2024 zu finden unter: https://webbtelescope.org/news/news-releases

Zusammenfassung: Nur Webb kann diese Galaxien aufspüren und untersuchen, die sich in dichtem, undurch-sichtigem Gas gebildet hatten, als das Universum nur wenige hundert Millionen Jahre alt war
Ein dänisches Team, das Archivdaten des James-Webb-Weltraumteleskops untersuchte, fand kürzlich ein Trio weit entfernter Galaxien, die gerade dabei sind, Gas anzusammeln, als das Universum erst einige hundert Millionen Jahre alt war. Ihre Entdeckung und Charakterisierung sind bemerkenswerte Leistungen, zu denen derzeit nur Webb auf Grund seiner Spezialisierung auf Infrarotlicht in der Lage ist. Die Daten zeigen zum ersten Mal, daß diese frühen Galaxien von großen Gasreservoirs umgeben sind. Dieses Gas wird schließlich in die Galaxien fallen, neue Sternentstehung anregen und im Laufe von Millionen von Jahren zu hoch strukturierten Galaxien voller Sterne führen.
Forscher, die Daten von NASA’s James-Webb-Weltraumteleskop ausgewertet haben, haben drei Galaxien ausfindig gemacht, die sich möglicherweise stürmisch gebildet haben, als das Universum erst 400 bis 600 Millionen Jahre alt war. Die Daten von Webb zeigen, daß diese Galaxien von Gas umgeben sind, von dem die Forscher vermuten, daß es fast ausschließlich aus Wasserstoff und Helium besteht, den frühesten Elementen, die im Kosmos existieren. Die Instrumente von Webb sind so empfindlich, daß sie in der Lage waren, eine ungewöhnliche Menge an dichtem Gas in der Umgebung dieser Galaxien zu entdecken. Dieses Gas ist wahrscheinlich der Treibstoff für die Bildung neuer Sterne in den Galaxien.
„Diese Galaxien sind wie glitzernde Inseln in einem Meer von ansonsten neutralem, undurchsichtigem Gas“, erklärt Kasper Heintz, Hauptautor und Assistenzprofessor für Astrophysik am Cosmic Dawn Center (DAWN) an der Universität Kopenhagen in Dänemark. „Ohne Webb wären wir nicht in der Lage, diese sehr frühen Galaxien zu beobachten, geschweige denn so viel über ihre Entstehung zu erfahren.“
„Wir entfernen uns von der Vorstellung, daß Galaxien isolierte Ökosysteme sind. In diesem Stadium der Geschichte des Universums sind alle Galaxien auf das Engste mit dem intergalaktischen Medium mit seinen Filamenten und Strukturen aus unberührtem Gas verbunden”, ergänzt Simone Nielsen, eine Mitautorin und Doktorandin, die ebenfalls bei DAWN arbeitet.
Auf den Bildern von Webb sehen die Galaxien wie schwache rote Flecken aus, weshalb zusätzliche Daten, so genannte Spektren, für die Schlußfolgerungen des Teams entscheidend waren. Diese Spektren zeigen, daß das Licht dieser Galaxien von großen Mengen an neutralem Wasserstoffgas absorbiert wird. „Das Gas muß sehr weit verbreitet sein und einen sehr großen Teil der Galaxie bedecken“, sagte Darach Watson, einer der Mitautoren und Professor bei DAWN. „Dies deutet darauf hin, daß wir die Ansammlung von neutralem Wasserstoffgas in Galaxien beobachten können. Dieses Gas wird dann abkühlen, verklumpen und neue Sterne bilden.“
Einige hundert Millionen Jahre nach dem Urknall, in der so genannten Ära der Reionisation, sah das Universum noch ganz anders aus. Das Gas zwischen Sternen und Galaxien war weitgehend undurchsichtig. Erst etwa 1 Milliarde Jahre nach dem Urknall wurde das Gas im gesamten Universum vollständig durchsichtig. Die Sterne der Galaxien trugen zur Aufheizung und Ionisierung des Gases um sie herum bei, so daß das Gas schließlich vollständig durchsichtig wurde.
Durch den Abgleich der Webb-Daten mit Modellen der Sternentstehung fanden die Forscher zudem heraus, daß diese Galaxien hauptsächlich Populationen junger Sterne aufweisen. „Die Tatsache, daß wir große Gasreservoirs sehen, deutet auch darauf hin, daß die Galaxien noch nicht genug Zeit hatten, die meisten ihrer Sterne zu bilden“, fügte Watson hinzu.
Dies ist erst der Anfang
Webb erfüllt nicht nur die Ziele, die seiner Entwicklung und seinem Start zugrunde lagen – es übertrifft sie sogar. „Bilder und Daten von diesen weit entfernten Galaxien waren vor Webb unmöglich zu erhalten“, erklärt Gabriel Brammer, Mitautor und außerordentlicher Professor bei DAWN. „Außerdem hatten wir schon beim ersten Blick auf die Daten ein gutes Gespür dafür, was wir finden würden – wir haben Entdeckungen fast nach Augenmaß gemacht.“
Es bleiben noch viele weitere Fragen zu klären. Wo genau befindet sich das Gas? Wie viel befindet sich in der Nähe der Zentren der Galaxien – oder in ihren Außenbezirken? Ist das Gas unberührt oder bereits von schwereren Elementen durchsetzt? Hier ist noch viel Forschungsarbeit zu leisten. „Der nächste Schritt besteht darin, große statistische Stich-proben von Galaxien zu erstellen und das Vorhandensein und die Bedeutung ihrer Eigenschaften im Detail zu quantifi-zieren“, so Heintz.
Die Funde der Forscher waren dank Webb’s Cosmic Evolution Early Release Science (CEERS) Survey möglich, die Spektren entfernter Galaxien aus dem NIRSpec (Nahinfrarot-Spektrograph) des Teleskops enthält und sofort freigegeben wurde, um Entdeckungen wie diese im Rahmen von Webb’s Early Release Science (ERS) Program zu unterstützen.
Diese Arbeit wurde in der Ausgabe vom 24. Mai 2024 der Zeitschrift Science veröffentlicht.
Das James-Webb-Weltraumteleskop ist das weltweit führende Observatorium für Weltraumforschung. Webb wird Rätsel in unserem Sonnensystem lösen, einen Blick auf ferne Welten um andere Sterne werfen und die geheimnisvollen Strukturen und Ursprünge unseres Universums und unseren Platz darin erforschen. Webb ist ein internationales Programm unter der Leitung der NASA und ihrer Partner ESA (Europäische Weltraumorganisation) und CSA (Kanadische Weltraumorganisa-tion).
Die Entstehung von Galaxien im frühen Universum (Künstlerischer Entwurf)
Über das Bild: Diese Abbildung zeigt eine Galaxie, die sich nur wenige hundert Millionen Jahre nach dem Urknall gebildet hat, als das Gas in der Ära der Reionisierung eine Mischung aus transparentem und undurchsichtigem Gas war. Daten von NASA’s James-Webb-Weltraumteleskop zeigen, daß es in der Nachbarschaft dieser frühen Galaxien viel kaltes, neutrales Gas gibt – und daß das Gas wohl dichter ist als angenommen.
Webb beobachtete diese Galaxien im Rahmen seines Cosmic Evolution Early Release Science (CEERS) Survey einige Monate nachdem Webb mit den Beobachtungen im Jahr 2022 begann. CEERS umfaßt sowohl Bilder als auch Daten, die als Spektren bekannt sind und von den Mikrofiltern an Bord des NIRSpec (Nahinfrarot-Spektrographen) stammen. Die Daten von CEERS wurden sofort veröffentlicht, um Entdeckungen wie diese im Rahmen von Webb’s Early Release Science (ERS) Program zu unterstützen.