Zeitverschobener Verlauf durch einen Sechsfach-Quasar

Weekly Science Update – Übersetzt von Harald Horneff

Der Sechsfach-Quasar SDSSJ1029+2623 im sichtbaren Licht. Der Quasar wird durch einen vor ihm liegenden Galaxiencluster gravitativ abgebildet und die Verzerrungen haben sechs Bilder zur Folge. Vier dieser Quasar-Bilder sind mit A-D beschriftet; die beiden anderen Bilder sind in dieser Darstellung durch die Vordergrundgalaxien G1-G3 verdeckt (ein durch die Gravitationslinse hervorgerufener Bogen (arc) ist ebenfalls zu erkennen). Astronomen haben in dem Quasar zwischen aufflackernden Ereignissen Zeitverzögerungen gemessen, die sich aus dem Licht der unterschiedlichen Bilder ergeben, da das Licht auf verschiedenen Wegen durch den Raum läuft.
Dahle and the Nordic Optical telescope


 
Quasare sind Galaxien mit massereichen Schwarzen Löchern in ihren Kernen, um die herum gewaltige Mengen an Energie abgestrahlt werden. Es wird tatsächlich so viel Licht abgestrahlt, daß der Kern eines Quasars viel heller als der Rest seiner gesamten Heimatgalaxie ist und ihre gewaltigen Leuchtkräfte erlauben es, Quasare zu sehen, selbst wenn sie sehr weit entfernt sind. Der Quasar SDSSJ1029+2623 zum Beispiel ist so weit weg, daß sein Licht für 11.4 Milliarden Jahre zu uns unterwegs war, dies entspricht 83% des Alters des Universums. Dieser Quasar ist besonders ungewöhnlich, da er zufällig fünf Nachbarn, ebenfalls Quasare, am Himmel hat, die ihm sehr ähnlich sehen und darüber hinaus in der gleichen kosmologischen Entfernung liegen.
In Wirklichkeit handelt es sich bei SDSSJ1029+2623 um einen gravitativ abgebildeten Quasar. Sein Licht ist verstärkt und verzerrt durch die Schwerkraft eines Galaxienclusters, der zufällig zwischen dem Quasar und der Erde liegt und steht im Einklang mit Einsteins Vorhersage, daß Licht durch Gravitation gebeugt werden kann. Es sind nur wenige andere Quasare bekannt, die durch als Gravitationslinse wirkende Galaxiencluster in Mehrfachbilder aufgespalten sind. Vor mehr als fünfzig Jahren sagten Astronomen voraus, daß in derlei Fällen jede Zeitverzögerung zwischen auftretenden Ereignissen in den Bildern verwendet werden können, um grundlegende kosmologische Größen, wie Alter und Ausdehnungsrate des Universums, zu untersuchen – denn das Licht eines jeden Bildes bewegt sich entlang eines eigenen, anderen kosmologischen Pfads. Außerdem können diese Verzögerungen etwas über die Dichteverteilung an der Oberfläche der Linse aussagen. Derartige Zeitverzögerungen sind jetzt gemessen worden, wobei die längsten Verzögerungen eine Größenordnung von einigen Jahren erreichen. In den Fällen, in denen eine einzelne Galaxie (kein Galaxiencluster) als Linse wirkt, liegen die zeitlichen Verzögerungen öfter im Bereich von Wochen oder Monaten.
CfA-Astronom Matthew Bayliss und vier seiner Kollegen unternahmen eine Kampagne, um die Zeitverzögerungen in den Bildern von SDSSJ1029+2623 zu beobachten. Dazu benutzten sie das 2.56-Meter messende Nordic Optical Telescope auf den Kanarischen Inseln, Spanien. Nach drei Jahren systematischer Beobachtungen entdeckte die Gruppe eine Verzögerung von 722 Tagen zwischen dem Bild, dessen Licht der Vorhersage gemäß als erstes ankommt („Bild C“) und der Komponente, die am hellsten ist; daneben fanden sie eine weitere Zeitverzögerung von 47.7 Tage zwischen den beiden hellsten Komponenten. Zufällig durchlief während dieser Zeit Bild C einen deutlichen Helligkeitsanstieg und Modelle sagen vorher, daß dieses Ereignis in den anderen fünf Bildern in den nächsten Jahren gesehen werden sollte. Die Daten sind zumindest jetzt nicht gut genug, um irgendwelche kosmologische Parameter zu präzisieren, aber das Team fährt mit einer genauen Beobachtung des Quasars fort und hofft, mit großer Genauigkeit die Zeitverzögerungen in allen sechs Bildern in den nächsten Beobachtungskampagnen zu bestimmen.
Literatur:
„Time Delay Measurements for the Cluster-Lensed Sextuple Quasar SDSS J2222+2745“
H. Dahle, M. D. Gladders, K. Sharon, M. B. Bayliss, and J. R. Rigby
The Astrophysical Journal, 813:67 (9pp), 2015 November 1