Waisen-Protosterne

Weekly Science Update – Übersetzt von Harald Horneff

Eine Staubkarte der Sternentstehungsregion im Orion im infraroten Licht mit Kandidaten für Protosterne (unterschiedlicher Zustände) mit sehr niedriger Extinktion, gezeigt mit blauen und grünen Markierungen. Die Hintergrundfarbe entspricht der Infrarot-Helligkeit; die schwarze Linie begrenzt eine Durchmusterungsregion. Astronomen haben bestätigt, daß zehn dieser Kandidaten echte Protosterne sind, auch wenn sie im Gegensatz zu den Erwartungen nicht tief in ihren Wolken eingebettet sind. Lewis und Lada 2016

Sterne entstehen, wenn die Gravitation Gas und Staub in einer interstellaren Wolke zusammenzieht, bis sich Klumpen entwickeln, die dicht genug sind, um Sterne zu bilden. Doch ist es höchst unsicher, wie dies genau vonstattengeht und die Vorgänge sind schwer zu untersuchen, da sie im undurchsichtigen Inneren dieser Wolken auftreten. Zum Beispiel ist die Zahl der Sterne, die sich aus einem einzigen Klumpen bilden, nicht gut verstanden; auch nicht, welche Massen die Sterne auf ihren Weg mitbekommen. In den frühesten Phasen der Entstehung, das sogenannte protostellare Stadium, akkretiert der neugeborene Stern weiterhin Material aus einer Hülle und ist von einer zirkumstellaren Scheibe (die sich zu einem Planetensystem entwickeln kann) umgeben. Dieses früheste Stadium, das auftritt, wenn der Stern am stärksten abgeschirmt ist, ist daher auch das rätselhafteste.

Infrarote Beobachtungen können den Staub einer stellaren Geburtswolke, zumindest teilweise, durchdringen, wobei die rötesten Wellenlängen am geringsten abgeschwächt werden. Mit dem Spitzer-Weltraum-Teleskop gewonnene Infrarotaufnahmen des Sternentstehungskomplexes im Orion wurden von Astronomen begutachtet und dabei 329 Protosterne in dem Gebiet entdeckt, wovon 44 nicht besonders rot zu sein scheinen – und damit entgegen den Erwartungen nicht tief in ihre Geburtswolke eingebettet. Die CfA-Astronomen John Lewis und Charlie Lada fragten sich, wie dies möglich sein kann. Nach einer erneuten Analyse des Datensatzes mit strengeren Kriterien folgerten sie, daß nur zehn dieser vierundvierzig Objekte echte Protosterne waren; bei den anderen handelt es sich um extragalaktische Objekte und nebulöse Gebiete mit einigen nicht zu bestimmenden Quellen. Die gefundenen zehn sind jedoch zehn mehr als vorausgesagt wurde.

Die Astronomen modellierten diese zehn Protosterne (wobei sie in ihre Betrachtung eine Vielzahl weiterer Daten mit einbezogen) und ziehen den Schluß, daß es sich tatsächlich um Protosterne handelt … und zurzeit nicht in einer Wolke eingebettet sind. Die Forscher nennen sie „Waisen-Protosterne“ und mutmaßen, daß diese in jungen Jahren ihre Geburtsstätte verlassen haben – vielleicht durch gravitative Wechselwirkung mit einem massereicheren Geschwister herausgeschleudert. Alternative Möglichkeiten sind unter anderem, daß sie einfach nur abgewandert sind oder daß sie irgendwie in der Lage waren, ihr unmittelbares Umfeld durch Winde freizublasen. Weitere Forschungsarbeit wird diese Wahlmöglichkeiten einengen. Auf der einen Seite gestalten diese neuen Ergebnisse die Klasse der Protosterne sogar noch vielfältiger, aber auf der anderen Seite bestätigen sie, daß sich die zugrunde liegende Theorie stetig verbessert, auch wenn sich die Palette an Bedingungen vergrößert hat.

Literatur:

„Protostars at Low Extinction in Orion A“

John Arban Lewis and Charles J. Lada

The Astrophysical Journal, 825:91 (14pp), 2016 July 10

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