Originalveröffentlichung am 25.09.2024 zu finden unter: https://webbtelescope.org/news/news-releases
Zusammenfassung: Eine merkwürdige Galaxie, die eine Milliarde Jahre nach dem Urknall gefunden wurde und deren Gas heller leuchtet als ihre Sterne, könnte eine zuvor unbekannte Phase der galaktischen Entwicklung darstellen
Inmitten eines dicht bevölkerten Feldes von Galaxien, das vom James-Webb-Weltraumteleskop der NASA aufgenommen wurde, sticht eine ansonsten unscheinbare Galaxie hervor, die eine Lichtsignatur aussendet, die Astronomen noch nie zu-vor gesehen haben. Gemeinsam untersuchten ein beobachtender Astronom und ein Theoretiker mögliche Ursachen. Sie kamen zu dem Schluß, daß das seltsame Spektrum der Galaxie GS-NDG-9422 vermutlich von ihrem überhitzten Gas und nicht von ihren Sternen herrührt. Diese faszinierende Schlußfolgerung eröffnet mehrere künftige Untersuchungsmöglich-keiten, darunter auch die Verbindung zwischen dieser sonderbaren Galaxie und der ersten Generation von Sternen im Universum, die ebenfalls von Gasnebeln in den Schatten gestellt werden dürfte.
Bei einem Blick in die Tiefen des frühen Universums mit NASA’s James-Webb-Weltraumteleskop haben Astronomen etwas noch nie Dagewesenes entdeckt: eine Galaxie mit einer seltsamen Lichtsignatur, die sie darauf zurückführen, daß ihr Gas ihre Sterne überstrahlt. Die Galaxie GS-NDG-9422 ((kurz 9422), die annähernd eine Milliarde Jahre nach dem Urknall gefunden wurde, könnte ein fehlendes Bindeglied in der galaktischen Entwicklung zwischen den ersten Sternen des Universums und den bekannten, gängigen Galaxien sein.
„Mein erster Gedanke beim Betrachten des Spektrums der Galaxie war: ‘Das ist seltsam’, und das ist genau das, was das Webb-Teleskop aufdecken sollte: völlig neue Phänomene im frühen Universum, die uns helfen werden zu verstehen, wie die kosmische Geschichte begann“, sagte der leitende Forscher Alex Cameron von der Universität Oxford.
Cameron wandte sich an seinen Kollegen Harley Katz, einen Theoretiker, um die seltsamen Daten zu diskutieren. Zusam-men fanden sie heraus, daß Computermodelle von kosmischen Gaswolken, die von sehr heißen, massereichen Sternen so stark aufgeheizt wurden, daß das Gas heller leuchtete als die Sterne, nahezu perfekt mit den Beobachtungen von Webb übereinstimmten.
„Es sieht so aus, als ob diese Sterne viel heißer und massereicher sein müssen als die, die wir im lokalen Universum sehen, was Sinn macht, weil das frühe Universum eine ganz andere Umgebung war“, so Katz von Oxford und der Universität von Chicago.
Im lokalen Universum haben typische heiße, massereiche Sterne eine Temperatur zwischen 40.000 bis 50.000 Grad Celsius. Nach Angaben des Teams gibt es in der Galaxie 9422 Sterne, die heißer sind als 80.000 Grad Celsius.
Das Forscherteam vermutet, daß sich die Galaxie mitten in einer kurzen Phase intensiver Sternentstehung in einer dichten Gaswolke befindet, die eine große Anzahl massereicher, heißer Sterne hervorbringt. Die Gaswolke wird von so vielen Photonen der Sterne getroffen, daß sie extrem hell leuchtet.
Neben seiner Neuartigkeit ist der Gasnebel, der die Sterne überstrahlt, auch deshalb interessant, weil er in der Umgebung der ersten Generation von Sternen im Universum, die von den Astronomen als Sterne der Population III bezeichnet wer-den, vorhergesagt wurde.
„Wir wissen, daß diese Galaxie keine Sterne der Population III hat, weil die Webb-Daten zu viel chemische Komplexität zeigen. Ihre Sterne sind jedoch anders als die, die wir kennen. Die exotischen Sterne in dieser Galaxie könnten ein Weg-weiser sein, um zu verstehen, wie sich Galaxien von Ursternen zu den uns bekannten Galaxientypen entwickelt haben“, so Katz.
Im Augenblick ist die Galaxie 9422 das einzige Beispiel für diese Phase der Galaxienentwicklung, so daß noch viele Fra-gen zu beantworten sind. Sind diese Bedingungen in Galaxien dieses Zeitraums üblich oder ein seltenes Vorkommnis? Was können sie uns darüber hinaus über noch frühere Phasen der Galaxienentwicklung sagen? Cameron, Katz und ihre Forscherkollegen suchen aktiv nach weiteren Galaxien, um diese Population zu ergänzen und besser zu verstehen, was in den ersten Milliarden Jahren nach dem Urknall im Universum geschah.
„Es ist eine sehr aufregende Zeit, in der wir mit dem Webb-Teleskop diese Zeit im Universum erforschen können, die früher unzugänglich war“, sagte Cameron. „Wir stehen erst am Anfang neuer Entdeckungen und Erkenntnisse.“
Die Forschungsarbeit ist in den Monthly Notices of the Royal Astronomical Society veröffentlicht worden.
Das James-Webb-Weltraumteleskop ist das weltweit führende Observatorium für Weltraumforschung. Webb wird Rätsel in unserem Sonnensystem lösen, einen Blick auf ferne Welten um andere Sterne werfen und die geheimnisvollen Strukturen und Ursprünge unseres Universums und unseren Platz darin erforschen. Webb ist ein internationales Programm unter der Leitung der NASA und ihrer Partner ESA (Europäische Weltraumorganisation) und CSA (Kanadische Weltraumorganisa-tion).
Galaxie GS-NDG-9422 (NIRCam Ansicht)
- Fast Facts
- Objekt
- Objektname(n): GS-NDG-9422, JWST Advanced Deep Extragalactic Survey, GOODS-S
- Objektbeschreibung: Nebeldominierte Galaxie
- Rektaszension: 03:32:36.89
- Deklination: -27:46:49.33
- Sternbild: Fornax
- Abmessung: Das Bild hat einen Durchmesser von etwa 3,7 Bogenminuten
- Daten
- Instrument: NIRCam
- Filter: F090W, F115W, F150W, F200W, F277W, F335M, F356W, F410M, F444W
- Bild
- Farbinformation: Diese Bilder sind ein Komposit aus Einzelbelichtungen, die vom James-Webb-Weltraumteleskop mit dem NIRCam-Instrument aufgenommen wurden. Es wurden mehrere Filter verwendet, um einen breiten Wellenlängen-bereich zu erfassen. Die Farbe ergibt sich aus der Zuweisung verschiedener Farbtöne (Farben) zu jedem monochro-matischen (Graustufen-)Bild, das einem einzelnen Filter zugeordnet ist. In diesem Fall sind die zugewiesenen Farben:
- Blau: F090W + F115W + F150W Grün: F200W + F277W + F335M Rot: F356W + F410M + F444W
Über das Bild: Die Galaxie GS-NDG-9422 hätte leicht unbemerkt bleiben können. Doch was auf diesem NIRCam-Bild (Nahinfrarotkamera) des James-Webb-Weltraumteleskops wie ein schwacher Fleck erscheint, könnte tatsächlich eine bahnbrechende Entdeckung sein, die Astronomen auf einen neuen Weg zum Verständnis der Galaxienentwicklung im frühen Universum führt.
Detaillierte Informationen über den chemischen Aufbau der Galaxie, die vom Webb-Instrument NIRSpec (Nahinfrarot-Spektrograph) eingefangen wurden, deuten darauf hin, daß das Licht, das wir auf diesem Bild sehen, vom heißen Gas der Galaxie und nicht von den Sternen stammt. Dies ist die beste Erklärung, die die Astronomen bisher für die unerwarteten Besonderheiten im Lichtspektrum gefunden haben. Sie vermuten, daß die Sterne der Galaxie so extrem heiß sind (mehr als 80.000 Grad Celsius), daß sie das Gas des Nebels aufheizen und es noch heller leuchten lassen als die Sterne selbst.
Die Autoren einer neuen Studie über die Webb-Beobachtungen der Galaxie gehen davon aus, daß GS-NDG-9422 eine noch nie dagewesene Phase der Galaxienentwicklung im frühen Universum, innerhalb der ersten Milliarden Jahre nach dem Urknall, darstellen könnte. Ihre Aufgabe ist es nun, weitere Galaxien zu finden, welche die gleichen Merkmale auf-weisen.
Spektrum der Galaxie GS-NDG-9422 (NIRSpec)
- Fast Facts
- Objekt
- Objektname(n): GS-NDG-9422
- Objektbeschreibung: Nebeldominierte Galaxie
- Rektaszension: 03:32:36.89
- Deklination: -27:46:49.33
- Sternbild: Fornax
- Daten
- Instrument: NIRSpec
Über das Bild: Dieser Vergleich der vom James-Webb-Weltraumteleskop gesammelten Daten mit den Vorhersagen eines Computermodells offenbart dieselbe geneigte Struktur, die dem Astronomen Alex Cameron, dem leitenden Forscher einer neuen Studie, die in den Monthly Notices of the Royal Astronomical Society veröffentlicht wurde, zuerst aufgefallen war.
Die untere Graphik vergleicht das, was Astronomen bei einer „klassischen“ Galaxie erwarten würden, deren Licht im Wesentlichen von Sternen stammt (weiße Linie), mit einem theoretischen Modell, bei dem das Licht von einem heißem nebulösen Gas stammt, das die Sterne überstrahlt (gelbe Linie). Das Modell stammt von Cameron’s Mitarbeiter, dem theoretischen Astronomen Harley Katz, und gemeinsam erkannten sie die Ähnlichkeiten zwischen dem Modell und Cameron’s Beobachtungen der Galaxie GS-NDG-9422 (oben) mit Webb. Der ungewöhnliche Abfall des Spektrums der Galaxie, der zu einer übersteigerten Spitze für den neutralen Wasserstoff führt, stimmt nahezu perfekt mit Katz’ Modell eines Spektrums überein, das von überhitztem Gas dominiert wird.
Obwohl es sich hierbei nur um ein einzelnes Beispiel handelt, sind Cameron, Katz und ihre Forscherkollegen der Meinung, daß die Schlußfolgerung, daß die Galaxie GS-NDG-9422 von Streulicht des Gases und nicht von Sternenlicht dominiert wird, der beste Ausgangspunkt für zukünftige Untersuchungen ist. Sie suchen nach weiteren Galaxien um den gleichen Zeitraum von einer Milliarde Jahren in der Geschichte des Universums und hoffen, weitere Beispiele für einen neuen Galaxientyp zu finden, ein fehlendes Glied in der Geschichte der galaktischen Entwicklung.
Galaxie GS-NDG-9422 (NIRCam Kompass-Ansicht)
- Fast Facts
- Objekt
- Objektname(n): GS-NDG-9422, JWST Advanced Deep Extragalactic Survey, GOODS-S
- Objektbeschreibung: Nebeldominierte Galaxie
- Rektaszension: 03:32:36.89
- Deklination: -27:46:49.33
- Sternbild: Fornax
- Abmessung: Das Bild hat einen Durchmesser von etwa 3,7 Bogenminuten
- Daten
- Instrument: NIRCam
- Filter: F090W, F115W, F150W, F200W, F277W, F335M, F356W, F410M, F444W
- Bild
- Farbinformation: Diese Bilder sind ein Komposit aus Einzelbelichtungen, die vom James-Webb-Weltraumteleskop mit dem NIRCam-Instrument aufgenommen wurden. Es wurden mehrere Filter verwendet, um einen breiten Wellenlängen-bereich zu erfassen. Die Farbe ergibt sich aus der Zuweisung verschiedener Farbtöne (Farben) zu jedem monochro-matischen (Graustufen-)Bild, das einem einzelnen Filter zugeordnet ist. In diesem Fall sind die zugewiesenen Farben:
- Blau: F090W + F115W + F150W Grün: F200W + F277W + F335M Rot: F356W + F410M + F444W
Über das Bild: Dieses Bild der Galaxie GS-NDG-9422, das vom NIRCam-Instrument (Nahinfrarotkamera) des James-Webb-Weltraumteleskops aufgenommen wurde, wird mit Kompasspfeilen, Skalenbalken und Farbschlüssel zur Orientierung dargestellt.
Dieses Bild zeigt die Wellenlängen des Lichts im nahen Infrarotbereich, die in die Farben des sichtbaren Lichts umgewan-delt wurden. Der Farbschlüssel zeigt, welche Filter bei der Erfassung des Lichts verwendet wurden. Die Farbe jedes Filternamens ist die Farbe des sichtbaren Lichts, die verwendet wird, um das infrarote Licht darzustellen, das durch diesen Filter fällt.
Die Kompasspfeile nach Norden und Osten zeigen die Ausrichtung des Bildes am Himmel an. Beachten Sie, daß die Beziehung zwischen Norden und Osten am Himmel (von unten gesehen) im Vergleich zu den Richtungspfeilen auf einer Karte des Bodens (von oben gesehen) umgekehrt ist.
Der Skalenbalken ist in Bogensekunden beschriftet. Eine Bogensekunde entspricht 1/3600 eines Bogengrads. (Der Voll-mond hat einen Winkeldurchmesser von circa 0,5 Grad.) Die tatsächliche Größe eines Objekts, das eine Bogensekunde am Himmel bedeckt, hängt von seiner Entfernung zum Teleskop ab.