Messung der Massen Weißer Zwerge mittels Gravitationslinseneffekt (Originalartikel vom 16.03.2018)

Weekly Science Update – Übersetzt von Harald Horneff
(Originalartikel unter www.cfa.harvard.edu)

Eine Hubble-Aufnahme des Weißen Zwergs PM I12506+4110E (das helle Objekt, das in diesem Negativdruck in schwarz zu sehen ist) und sein Umfeld, das noch zwei weitere, entfernte Sterne PM12-MLC1&2 zeigt. Die gestrichelten Linien zeigen zwei denkbare Pfade, denen der Weiße Zwerg folgen wird, wobei einer der Pfade nah genug an einem Stern vorbeiführen wird, um zu einem Gravitationslinsenereignis zu führen. Astronomen haben vorgeschlagen, solche Ereignisse zu nutzen, um die Massen kompakter Objekte wie diesem Weißen Zwerg zu bestimmen. Harding et al. / NASA / HST


 
Die Messung der Masse eines Himmelskörpers ist eine der herausforderndsten Aufgaben in der beobachtenden Astronomie. Die erfolgreichste Methode nutzt Binärsysteme, da die Werte der Umlaufbahnen des Systems von den beiden Massen abhängen. Im Fall von Schwarzen Löchern, Neutronensternen und Weißen Zwergen, die Endstadien der stellaren Entwicklung, handelt es sich sehr oft um isolierte Objekte und davon sind die meisten zudem sehr lichtschwach. Deshalb ist Astronomen noch immer nicht die Verteilung ihrer Massen bekannt. Doch sind diese Massen von großem Interesse, da sie an spektakulären Ereignissen beteiligt sind, etwa die Akkretion von Material und Emission energiereicher Strahlung, oder Verschmelzungen, die im Ergebnis zu Gravitationswellen, Gammastrahlen-Ausbrüchen oder Supernovae vom Typ Ia führen können, die wiederum sämtlich von der Masse eines Objekts abhängen.
Die Astronomen Alexander Harding, Rosanne Di Stefano und Claire Baker vom CfA sowie drei Kollegen schlagen zur Bestimmung von Massen isolierter kompakter Objekte eine neue Methode vor: den Gravitationslinseneffekt. Der Weg eines Lichtstrahls wird durch die Anwesenheit von Masse abgelenkt, ein Effekt, der in der Allgemeinen Relativitätstheorie ausgearbeitet ist. Ein massereicher Körper wird sich wie eine Linse verhalten und das Bild eines hinter ihm gelegenen Objekts verzerren, wenn beide sich so nahe kommen, um entlang unserer Sichtlinie ausgerichtet zu sein; die Einzelheiten der Verzerrungen im Bild hängen von der Masse des Körpers ab. Die Astronomen beschreiben die Erfolgsaussichten für eine Vorhersage von Linsenereignissen, die durch in der Nähe gelegene, kompakte Objekte hervorgerufen werden, wenn diese sich durch das Feld an Hintergrundsternen bewegen.
Das Team schätzt, daß die in der Nachbarschaft gelegene Population an kompakten Objekten aus ungefähr 250 Neutronensterne, 5 Schwarze Löcher und rund 35.000 Weiße Zwerge besteht, die für diese Untersuchung geeignet sind. Mit der Kenntnis der generellen Bewegungen der Weißen Zwerge über den Himmel erhalten sie eine statistische Abschätzung von rund 30 – 50 Linsenereignisse pro Jahrzehnt, die von Hubble, der Gaia-Mission der ESA oder dem neuen James Webb Weltraum-Teleskop entdeckt werden könnten. Der nächste Schritt bei diesem Bemühen ist, laufende Sterndurchmusterungen wie die von Gaia zu nutzen, um die Positionen und Bewegungen der Körper noch genauer zu bestimmen, um präzise vorhersagen zu können, welche Objekte man auf Gravitationslinsenereignisse hin überwachen soll.
Literatur:
„Predicting Gravitational Lensing by Stellar Remnants,“
Alexander J. Harding, R. Di Stefano, S. Lépine, J. Urama, D. Pham, and C. Baker
Monthly Notices of the Royal Astronomical Society 475, 79, 2018
oder
arXiv1706.04204v1 [astro-ph.IM] 13 Jun 2017