Die Zentrale Molekulare Zone der Milchstraße

Weekly Science Update – Übersetzt von Harald Horneff

Ein Bild der zentralen Molekülzone in der Milchstraße, aufgenommen sowohl im Infraroten wie bei mehreren anderen Wellenlängen. Dichtes Gas ist in rot gezeigt, warmer und kalter Staub in grün beziehungsweise blau. Einige wichtige Objekte in der Region sind mit Namen versehen. Dazu kommt eine Reihe von verdeckten jungen Sternhaufen, die bei 24 Mikron zu sehen sind.
C. Battersby


 
Das Zentrum der Milchstraße liegt ungefähr 27.000 Lichtjahre von uns entfernt in Richtung des Sternbilds Schütze. In ihrem Kern befindet sich ein Schwarzes Loch von ungefähr vier Millionen Sonnenmassen. Um das Schwarze Loch herum existiert eine nahezu acht Lichtjahre messende, ringförmige Struktur, die die darin gelegene Region mit neutralem Gas und tausender einzelner Sterne umgibt. Um das Ganze herum erstreckt sich bis in annähernd 700 Lichtjahren eine dichte Zone der Aktivität, die man Zentrale Molekulare Zone (ZMZ) nennt. Sie enthält nahezu achtzig Prozent des gesamten dichten Gases der Galaxis – ein Vorrat von zig Millionen Sonnenmassen – und beherbergt gewaltige Molekülwolken und riesige sternbildende Cluster mit leuchtkräftigen Sternen neben anderen Gebieten, von denen viele kaum verstanden sind. In der ZMZ kommen beispielsweise viele dichte Molekülwolken vor, die eigentlich neue Sterne hervorbringen sollten, stattdessen sind sie aber beklemmend leer. Die ZMZ enthält außerdem Gas, das sich mit sehr großen Überschallgeschwindigkeiten – Hunderte Kilometer pro Sekunde (bzw. Hunderttausende Kilometer pro Stunde) – bewegt.
Wo kommt die ZMZ her? Kein Ort in der Milchstraße ist so abgelegen wie dieser (auch wenn ähnliche Regionen in anderen Galaxien vorkommen könnten). Wie bewahrt sie ihre Struktur, während sich ihr molekulares Gas bewegt und wie bestimmen diese schnellen Bewegungen ihre Entwicklung? Eine Schwierigkeit, der sich Astronomen gegenübersehen, besteht darin, daß es derart viel sichtbares Licht verschluckenden Staub zwischen uns und der ZMZ gibt, daß dieses Licht um einen Faktor von mehr als eine Billiarde abgeschwächt wird. Infrarot-, Radio- und ein Teil der Röntgenstrahlung können jedoch den Schleier durchdringen und haben es Astronomen ermöglicht, daß eben skizzierte Bild zu entwickeln.
Die CfA-Astronomen Cara Battersby, Dan Walker und Qizhou Zhang haben mit ihren Kollegen das australische Mopra Radioteleskop genutzt, um die drei Moleküle HNCO, N2H+ und HNC in der ZMZ zu untersuchen. Diese Moleküle wurden ausgewählt, da sie beim Ermitteln der großen Vielfalt an Bedingungen in der ZMZ gute Dienste leisten. Die vermuteten Bedingungen reichen von durch Schockwellen getroffenes Gas bis zu ungestörtem Material. Diese Moleküle liefern nur wenige Stördaten und erleiden nur minimale Abschwächungseffekte; beides erschwert eine Untersuchung mit häufigeren Molekülen wie Kohlenmonoxid. Die Wissenschaftler entwickelten ein neues Computerprogramm, um ihre großen Datenmengen effizient zu analysieren.
Die Astronomen entdeckten in Übereinstimmung mit früheren Ergebnissen, daß die ZMZ nicht auf das Schwarze Loch ausgerichtet, sondern (aus nicht verstandenen Gründen) versetzt ist; sie bestätigten auch, daß die Gasbewegungen durchweg überschallschnell sind. Die Gruppe hat zwei großräumige Bewegungen durch die Region ausfindig gemacht und vermutet, daß diese einen zusammenhängenden Strom (oder höchstens zwei unabhängige Ströme) aus Material darstellen; vielleicht gibt es sogar spiralförmige Arme. Sie untersuchten auch das Gas in mehreren bereits identifizierten Gebieten der ZMZ und machten die Feststellung, daß ein schalenförmiges Gebiet, das als Ergebnis von Supernova-Explosionen galt, stattdessen mehrere, physikalisch miteinander nicht in Beziehung stehende Regionen bilden könnte, und das eine riesige Wolke, die man zuvor als unabhängig betrachtete, tatsächlich eine Fortsetzung der großräumigen Strömungen ist. Die Wissenschaftler weisen darauf hin, daß diese Arbeit ein erster Schritt zur Enträtselung einer in sich komplexen galaktischen Umgebung ist. Bevorstehende Forschungsarbeiten werden die Gasbewegungen zu größeren Entfernungen hin verfolgen und versuchen, die Gasbewegungen der ZMZ mit Hilfe von Computersimulationen nachzustellen.
Literatur:
„Molecular gas kinematics within the central 250 pc of the Milky Way“
J. D. Henshaw, S. N. Longmore, J. M. D. Kruijssen, B. Davies, J. Bally,. Barnes, C. Battersby, M. Burton, M. R. Cunningham, J. E. Dale, A. Ginsburg, K. Immer, P. A. Jones, S. Kendrew, E. A. C. Mills, S. Molinari, T. J. T. Moore, J. Ott, T. Pillai, J. Rathborne, P. Schilke, A. Schmiedeke, L. Testi, D. Walker, A. Walsh, and Q. Zhang
Monthly Notices of the Royal Astronomical Society 457, 2675–2702 (2016)