Weekly Science Update – Übersetzt von Harald Horneff
Die meisten Galaxien liegen in Clustern, Ansammlungen von einigen wenigen bis zu Tausenden Galaxien. Unsere Milchstraße selbst ist ein Mitglied der „Lokalen Gruppe“, eine Schar von etwa fünfzig Galaxien, deren anderes großes Mitglied die ungefähr 2.3 Millionen Lichtjahre entfernte Andromeda-Galaxie ist. Der zu uns nächstgelegene große Galaxiencluster ist der Virgo-Cluster, etwa 50 Millionen Lichtjahre entfernt und enthält rund 2.000 Mitgliedern. Astronomen blicken zurück in die kosmische Geschichte, untersuchen ferne Galaxien und versuchen, die Evolution des Universums nachzuvollziehen, doch entfernte Galaxien sind lichtschwach und schwierig zu entdecken. Die Untersuchung der Entwicklung von Galaxienclustern eröffnet einen Weg, diese Beschränkungen zu überwinden.
Etwa 380.000 Jahre nach dem Urknall verbanden sich die Kerne von Wasserstoffatomen mit freien Elektronen, um neutrales Gas zu bilden und es begann das sogenannte Dunkle Zeitalter (“dunkel” deshalb, weil kaltes, neutrales Gas kaum strahlt). Rund vierhundert Millionen Jahre später begann die Reionisierung dieses Gas durch ultraviolette Strahlung dank neuentstandener kosmischer Bewohner: Sterne. Jedoch gibt es bei unserem Verständnis über dieses Zeitalter eine große Lücke: dort scheint es damals nicht genug helle Galaxien und Sterne gegeben zu haben, um diese Aufgabe zu erledigen, zumindest gemäß Astronomen, die das Zeitalter der Reionisation nachstellen. Diese Astronomen folgern, daß lichtschwache Galaxien, solche die 100 bis 1.000-mal unterhalb der Meßgrenze heutiger Observatorien liegen, als Lieferanten für UV-Photonen nötig gewesen sein müssen. Eines der vorrangigsten Ziele des demnächst startenden James Webb Space Telescope (JWST) der NASA wird das Aufspüren dieser hypothetischen, lichtschwachen Galaxien sein.
Die CfA-Astronomen Benjamin Johnson und Charlie Conroy sowie vier weitere Kollegen legen dar, daß es sogar für das JWST unwahrscheinlich ist, die lichtschwächsten und zahlreichsten dieser Quellen zu entdecken. Vielmehr schlagen sie einen alternativen Weg vor, das Problem der fehlenden UV-Strahlung zu lösen: sie nutzen die Galaxien der Lokalen Gruppe, um mehr über die lichtschwächsten Galaxien in der Epoche der Reionisation zu lernen. Die Forscher wandten Modelle der Sternentwicklung an, um die Eigenschaften heutiger Galaxien auf das Zeitalter der Reionisation zurückzurechnen; diese Epoche reichte von ihrem Ende etwa eine Milliarde Jahre nach dem Urknall bis auf ein paar Hundert Millionen Jahre vorher. Die Astronomen konnten zeigen, daß viele der heutigen lichtschwächsten Galaxien in der Lokalen Gruppe einst nahezu genauso hell waren wie die fernsten Galaxien, die jetzt entdeckt worden sind und daß die beiden wichtigsten, die Milchstraße begleitenden Zwerggalaxien, die Große und Kleine Magellansche Wolke, damals ebenfalls wesentlich leuchtkräftiger waren. Die Gruppe schreibt, daß sogar die kleinen irregulären Galaxien in der Lokalen Gruppe damals erhebliche Beiträge zur kosmischen Reionisation geliefert haben müssen, obwohl sie trotzdem so lichtschwach waren, daß das JWST nicht in der Lage sein könnte, sie zu sehen.
Literatur:
“The Local Group as a time machine: studying the high-redshift Universe with nearby galaxies”
Michael Boylan-Kolchin, Daniel R. Weisz, Benjamin D. Johnson, James S. Bullock, Charlie Conroy, and Alex Fitts
Monthly Notices of the Royal Astronomical Society 453, 1503–1512 (2015)