Der nächstgelegene, möglicherweise bewohnbare Planet

Weekly Science Update – Übersetzt von Harald Horneff

Die meisten Exoplaneten sind mit der bei der Keplermission hier dargestellten und angewandten Transittechnik entdeckt worden. Eine neue Studie hat mit Kepler durchgeführte Beobachtungen von Exoplaneten-Transits um M-Zwergsterne, die geringere Masse besitzen, untersucht. Diese Sterne sind sehr viel zahlreicher als Sterne vom Typ der Sonne. Die Untersuchung kommt zu dem Schluß, daß der nächstgelegene, möglicherweise bewohnbare erdgroße Planet vermutlich ungefähr neun Lichtjahre entfernt ist. NASA / Kepler and planethunters.org


 
Die Keplermission hat bisher unglaubliche 4.696 mögliche Exoplaneten entdeckt; ungefähr ein Drittel davon, 1.030, sind bislang auch als Exoplaneten bestätigt worden. Ein kleiner Prozentsatz davon ist möglicherweise bewohnbar, worunter Astronomen üblicherweise verstehen, daß solche Exoplaneten Oberflächentemperaturen aufweisen, bei denen Wasser flüssig bleibt und nicht als Eis ausfriert oder in der Atmosphäre als Dampf vorliegt. Exoplaneten können um jede Art von Stern vorkommen, nicht nur um solche wie die Sonne. Sonnenähnliche Sterne sind vergleichsweise selten – die weniger massereichen Sterne (M-Zwerge) sind etwa zehnmal häufiger. Sie sind zudem kühler und lichtschwächer und so werden ihre bewohnbaren Zonen, anders als im Fall unseres Sonnensystems, näher an dem Stern liegen; doch sind Exoplaneten in diesen Zonen von großem Interesse, besonders felsige, erdgroße Planeten, die groß genug sind, eine Atmosphäre zu halten.
Die CfA-Astronomen Courtney Dressing und David Charbonneau haben den ganzen Datensatz der Keplermission erneut untersucht und ihre eigene Software zum Auffinden von transitierenden Planeten eingesetzt, um Exoplaneten, die M-Zwergsterne umkreisen, zu suchen. Sie nutzten sowohl Archivmaterial als auch neue Daten, um die Auswahl der Sterne und die Einzelheiten der Transits zu verfeinern, gingen ausdrücklich das Problem der Vollständigkeit der Datensätze an und arbeiteten eine differenziertere Betrachtung der bewohnbaren Zone um diese Sterne ein.
Nach Berücksichtigung von Auswahleffekten, die die Transitmessung beeinflussen (zum Beispiel die räumliche Orientierung der Sichtlinie zu dem Sternsystem), folgern die beiden Astronomen, daß erdgroße Planeten (Gesteinsplaneten in der Größe zwischen dem 1 bis 1.5-fachen der Erde) häufig vorkommen: wahrscheinlich findet sich ein solcher Exoplanet mit einer Umlaufzeit unter fünfzig Tagen bei jedem 1.8-ten frühen M-Zwergstern. Mit einer etwas größeren Bandbreite an Parametern, wozu die Vergrößerung auf vier Erdradien und eine Umlaufzeit von weniger als zweihundert Tagen zählt, erhält man im Durchschnitt überschlägig 2.5 erdähnliche Planeten für jeden M-Zwergstern. Auf diesen Statistiken aufbauend kommen die Astronomen zu dem Schluß, daß der nächstgelegene und möglicherweise bewohnbare erdgroße Planet vermutlich nur neun Lichtjahre entfernt ist.
Literatur:
„The Occurrence of Potentially Habitable Planets Orbiting M Dwarfs Estimated from the Full Kepler Dataset and an Empirical Measurement of the Detection Sensitivity“
Courtney D. Dressing and David Charbonneau
The Astrophysical Journal, 807:45 (23pp), 2015 July 1