Astronomie ohne Teleskop – Wie groß ist groß?

Von Steve Nerlich in Universe Today – Übersetzt von Harald Horneff

Dieser Größenvergleich zeigt eine Menge großer Sterne – aber man beachte, daß jenseits von Rigel (Einzelbild 5) nur noch Rote Riesen vorkommen. Wenn die Sonne das Stadium eines Roten Riesen erreicht, wird sie etwa die Größe von Arktur (Einzelbild 4) erreichen – könnte diese Art von Momentaufnahme irreführend sein? Quelle: Wikimedia

Sie haben vermutlich schon einmal einen dieser astronomischen Größenvergleiche gesehen, bei dem man von der Erde zum Jupiter, dann zur Sonne, von da zum Sirius gelangt – und Schritt für Schritt so weiter bis zum größten bekannten Stern, VY Canis Majoris. Allerdings sind die meisten Sterne am großen Ende der Skala an einem späten Zeitpunkt in ihrem stellaren Leben angelangt – sie verlassen die Hauptreihe, um rote Superriesen zu werden.

Die Sonne wird in ungefähr 5 Milliarden Jahren zu einem Roten Riesen werden – und einen neuen Radius von etwa einer Astronomischen Einheit erreichen, der dem durchschnittlichen Radius der Erdumlaufbahn entspricht (und die sich daraus ergebende Diskussion, ob die Erde von der Sonne verschluckt wird oder nicht, geht weiter). In jedem Fall wird die Sonne in ihrer Größe dem Arktur ziemlich nahekommen, der aber, obwohl vom Volumen her riesig, nur etwa 1.1 Sonnenmassen besitzt. Folglich kann der Vergleich von Sterngrößen ohne eine Beachtung ihrer unterschiedlichen stellaren Entwicklungsstufen nicht das ganze Bild wiedergeben.

Um die “Größe” von Sternen abzuschätzen, kann man auch einen anderen Weg gehen: man schätzt ihre Masse. In diesem Fall ist der am zuverlässigsten bestimmte, massereichste Stern NGC 3603-A1a – er bringt es auf 116 Sonnenmassen. Im Vergleich dazu liegt VY Canis Majoris mit 30 bis 40 Sonnenmassen im mittleren Massebereich der Sterne.

Noch massereicher, vielleicht der massereichste Stern überhaupt, könnte aber R136a1 sein. Der Stern soll, so wird geschätzt, mehr als 265 Sonnenmassen besitzen, obgleich der genaue Wert Gegenstand anhaltender Debatten ist, da seine Masse nur auf indirektem Weg hergeleitet werden kann. Trotzdem liegt seine Masse nahezu sicher über der bei 150 Sonnenmassen gesehenen, „theoretischen“ Massegrenze für Sterne. Diese theoretische Grenze beruht auf der mathematisch hergeleiteten Eddington-Grenze. Ab diesem Punkt wird die Leuchtkraft eines Sterns so kräftig, daß der nach außen gerichtete Strahlungsdruck seine eigene Schwerkraft übertrifft. Anders ausgedrückt: jenseits der Eddington-Grenze wird ein Stern keine weitere Materie mehr ansammeln aber beginnen, große Mengen seiner Masse in Form eines Sternwinds wegzublasen.

Man vermutet, daß sehr große Sterne vom Typ O bis zu 50 % ihrer Masse in den frühen Stadien ihres Lebenszyklus verlieren könnten. So könnte zum Beispiel R136a1, obwohl er vermutlich eine Masse von gegenwärtig beobachteten 265 Sonnenmassen hat, durchaus mehr als 320 Sonnenmassen besessen haben, als er am Anfang seines Daseins als Hauptreihenstern stand.

Darum ist es wohl besser davon auszugehen, daß die theoretische Massegrenze von 150 Sonnenmassen ein Punkt im Leben der Entwicklung eines massereichen Sterns darstellt, an dem ein gewisses Kräftegleichgewicht erreicht ist. Das heißt aber nicht, daß es keine Sterne mit mehr als 150 Sonnenmassen geben könnte – nur werden sie immer Masse in Richtung der 150 Sonnenmassengrenze verlieren.

Der Wolf-Rayet-Stern WR 124 und sein stellarer Wind (der die Bezeichnung M1-67 trägt). Die Masse von WR 124 wird auf bescheidene 20 Sonnenmassen geschätzt, doch ergibt sich dieser Wert, nachdem der Stern viel von seiner Ausgangsmasse verloren hat, um den Sternwind um sich herum zu erzeugen. Quelle: ESO

 

Nachdem sie einen erheblichen Teil ihrer anfänglichen Masse abgestoßen haben, könnten massereiche Sterne als Blaue Riesen unterhalb der Eddington-Grenze weiterexistieren, wenn ihnen weiterhin Wasserstoff zum verbrennen zur Verfügung steht. Wenn nicht, werden sie rote Superriesen – oder vergehen in Supernovae.

Vink et al. haben die Vorgänge in den Anfangsphasen sehr massereicher O-Sterne hergeleitet, um zu zeigen, daß es eine Verschiebung von optisch dünnen zu optisch dicken Sternwinden gibt, von wo ab diese massereichen Sterne als Wolf-Rayet-Sterne klassifiziert werden können. Die optische Dicke ist eine Folge des weggeblasenen Gases, welches sich als stellarer Wind um den Stern ansammelt – ein gemeinsames Erscheinungsbild der Wolf-Rayet-Sterne.

Sterne mit geringerer Masse entwickeln sich über verschiedene physikalische Prozesse in das Stadium des roten Superriesen – und da die ausgedehnte äußere Hülle eines solchen Sterns nicht sofort die Entweichgeschwindigkeit erreicht, wird sie weiterhin als Teil der Photosphäre des Sterns angesehen. Es gibt einen Punkt, jenseits dessen man keine noch größeren roten Superriesen erwarten sollte, da noch massereichere Vorläufersterne einem anderen evolutionären Weg folgen werden.

Diese noch massereicheren Sterne verbringen die meiste Zeit ihres Lebenszyklus damit, Masse über viel energiereichere Vorgänge wegzublasen und die wirklich großen Sterne werden zu Hypernovae oder sogar Paar-Instabilitäts-Supernovae, bevor sie auch nur annähernd in die Nähe des Zustands eines roten Superriesen gelangen.

Wieder einmal scheint es so, daß vielleicht Größe nicht alles ist.

Weiterführende Literatur (im Internet zu finden unter):

arXiv:1112.0936v1

Jorick S. Vink, J. M. Bestenlehner, G. Graefener, A. de Koter, N. Langer

Wind Models for Very Massive Stars in the Local Universe (2011)