Astronomie ohne Teleskop – Schluß jetzt mit all dem Dunklen

Von Steve Nerlich in Universe Today – Übersetzt von Harald Horneff
Die neuen Daten der „WiggleZ Galaxiendurchmusterung“ bestätigen erneut, daß sich das Universum mit gleichförmiger Beschleunigung ausdehnt. Dies hat zu vielen Schlagzeilen nach dem Motto geführt: „Astronomen bestätigen Dunkle Energie“.
Wie aber konnte der Begriff “Dunkle Energie” jemals eine Kurzform für „das Universum dehnt sich mit gleichförmiger Beschleunigung aus“ werden?
Solch “Dunkle Energie bestätigenden” Schlagzeilen gehen die Gefahr ein, eine verbreitete Ansicht zu fördern, daß das Universum eine Art Ballon ist, in den man Energie hineinpumpen muß, um ihn zum Ausdehnen zu bringen. Dies ist keine angemessene Interpretation der Vorstellung von der Dunklen Energie – die erst nach 1998 verbreitet Anwendung fand, als Daten über Supernovae vom Typ Ia veröffentlicht wurden, die ein sich beschleunigendes Universum nahe legten.
Schon lange vorher war weitgehend und allgemein anerkannt, daß sich das Universum ausdehnt. Die vorherrschende Auffassung vor 1998 war, daß die Expansion durch den nach außen gerichteten Impuls der Bestandteile des Universums angetrieben werden könnte – ein Impuls, der möglicherweise von der ursprünglichen kosmischen Inflation begründet wurde, welche dem Urknall folgte.
Gegenwärtige Überlegungen zur Expansion des Universums bringen seine Ausdehnung nicht mit dem Impuls seiner Bestandteile in Verbindung. Hingegen denkt man sich das Universum wie ein sich im Ofen ausdehnenden Rosinenteig – nicht weil die Rosinen den Teig nach außen drücken, sondern weil der Teig selbst sich ausdehnt und als Folge die Entfernung zwischen den Rosinen (bzw. den Galaxien) anwächst.
Es ist kein fehlerfreier Vergleich, denn die Raumzeit ist keine Substanz – und, bei Betrachtung des ganzen Universums, die Hitze des Ofens der Einspeisung von Energie aus dem Nichts entspricht und es sich um thermische und nicht um Dunkle Energie handelt.
Andererseits kann man das Universum als perfektes Fluid darstellen, wo man sich die Dunkle Energie als negativen Druck (ein positiver Druck würde das Fluid zusammenpressen) vorstellen kann. Ein negativer Druck benötigt offenbar keine zusätzlichen Bestandteile, die in das fluide Universum eingetragen werden müssen; gleichwohl ist die physikalische Natur eines „negativen Drucks“ in diesem Zusammenhang noch zu klären.
Die Forderung nach Dunkler Energie im Standardmodell der Kosmologie folgt aus dem Wunsch, die beobachtete flache Geometrie des Raums zu erhalten – die vermutlich durch den Masse/Energie-Inhalt des Universums aufrechterhalten wird. Zu viel Masse/Energie sollte dem Raum eine Kugelform geben, während zu wenig Masse/Energie dem Raum eine hyperbolische Form geben sollte.

Verschiedene, mögliche Formen des beobachtbaren Universums – in dem die Masse/Energie-Dichte zu hoch, zu niedrig oder gerade richtig (Omega = 1) ist, so daß die Geometrie euklidisch ist und die drei Winkel eines Dreiecks sich zu 180° summieren. Unser Universum scheint eine flache, euklidische Geometrie zu besitzen, aber es besitzt nicht genügend sichtbare Masse/Energie, die benötigt wird, um es flach zu machen. Daher vermutet man, daß es dort draußen eine ganze Menge dunkles Zeug geben muß.


 
Wenn also das Universum flach ist – und im Angesicht einer beschleunigten Ausdehnung flach bleibt, dann muß es eine beträchtliche „dunkle“ (d.h. nicht meßbare) Komponente geben. Und es scheint ein Bestandteil zu sein, der anwächst, um die flache Geometrie des Universums aufrecht zu erhalten, während sich sein Volumen vergrößert – zumindest in der heutigen Epoche des Universums.
Man nennt diesen heute nicht meßbaren Bestandteil “Energie”, da er gleichmäßig verteilt ist (d.h. er neigt nicht dazu, wie die Dunkle Materie zu verklumpen), aber dieser Bestandteil hat keine vergleichbaren Eigenschaften mit irgendeiner Form von Energie, die wir kennen.
So gesehen ist es bedeutsam, daß die ursprüngliche Forderung nach Dunkler Energie nicht ist, sie als Antrieb der Ausdehnung zu sehen, sondern sie ist als eine hypothetische Größe erforderlich, um die Flachheit des Raums im Angesicht der Expansion aufrecht zu erhalten. Diese Denkschule stellt sich dann die Frage, was denn jetzt genau die beschleunigte Ausdehnung des Universums antreibt. Und eine angemessene Antwort auf diese Frage ist – wir haben keine Ahnung.
Ein einleuchtender Mechanismus, der den Eintrag an Energie aus dem Nichts erklärt – und eine sinnvolle Energieform, die sowohl unsichtbar ist als auch irgendwie die Erzeugung von mehr Raumzeit-Volumen zu Wege bringt sind erforderlich, um die Auffassung zu stützen, daß die Dunkle Energie der universellen beschleunigten Expansion zu Grunde liegt.
Es ist nicht unmöglich, aber bis heute hat niemand bestätigt, daß Dunkle Energie tatsächlich existiert. Unser flaches Universum expandiert mit einer gleichförmigen Beschleunigung. Vorläufig ist das die Neuigkeit.
Weiterführende Literatur (im Internet zu finden unter):
arXiv:0911.4246v2
Michael J. Drinkwater et al.
The WiggleZ Dark Energy Survey: Survey Design and First Data Release (2009)
arXiv:1104.2948v1
Chris Blake et al.
The WiggleZ Dark Energy Survey: the growth rate of cosmic structure since redshift z = 0.9 (2011)
arXiv:1105.2862v1
Chris Blake et al.
The WiggleZ Dark Energy Survey:
testing the cosmological model with baryon acoustic oscillations at z = 0.6 (2011)