Astronomie ohne Teleskop – Blasenlehre

Von Steve Nerlich in Universe Today – Übersetzt von Harald Horneff
Ein bestimmtes Modell eines hypothetischen Multiversums hat, vielleicht passenderweise, einige Ähnlichkeit mit einem Glas Bier. Man stelle sich ein ewig währendes falsches Vakuum vor – das ein wenig wie eine Flüssigkeit ist, aber doch nicht allzu sehr wie eine Flüssigkeit – denn das Fluid besitzt kein Volumen. Genau genommen hat es überhaupt keine räumlichen Dimensionen. Dann stelle man sich vor, daß sich dieses ewig währende falsche Vakuum ausdehnt.
Dies klingt zutiefst widersprüchlich, denn Ausdehnung besagt, es existieren räumliche Dimensionen. Aber ein String-Theoretiker wird versichern, daß dies alles auf einer Sub-Planck-Ebene abläuft, wo eine Menge nicht meßbarer und nicht erkennbarer Dinge sich ereignen können – und nach ein paar weiteren Schlückchen könnte man gewillt sein, dem Ganzen zuzustimmen.
Als nächstes führen wir Blasen in das falsche Vakuum ein. Die Blasen – im Grunde unabhängige Babyuniversen – sind echte Vakua und können sich in der Wirklichkeit unserer Wahrnehmung ausdehnen, denn sie besitzen vier offensichtliche Dimensionen der Raumzeit – obgleich sie die anderen, nicht meßbaren und nicht erkennbaren Dimensionen mit dem umgebenden falschen Vakuum gemeinsam haben können.
Die Blasen sind der Grund, warum es für das falsche Vakuum notwendig ist zu expandieren; ja es muß sich sogar schneller als die Blasen ausdehnen – denn sonst könnte ein expandierendes Blasenuniversum „durchbrechen“ und sich in dem alles umfassenden falschen Vakuum ausbreiten – so daß das Multiversum jetzt zum Universum werden würde.
Innerhalb solch eines ewig expandierenden Fluids können Blasenuniversen an zufälligen Punkten in Form von Kondensationskeimen entstehen. In der Sprache der Blasenlehre ist diese Keimbildung der Vorläufer der Inflation. Die Sub-Planck-Energie des dimensionslosen falschen Vakuums erfährt bisweilen eine Art „Schluckauf“ – vielleicht ein Quantentunnelereignis – der dazu führt, daß das Sub-Plancksche virtuelle Nichts beginnt, langsam einen Hügel potentieller Energie hinabzurollen (was auch immer das bedeuten soll).
An einem bestimmten Punkt auf diesem langsamen Hinabgleiten wechselt der Energiewert von einer Sub-Planck-Möglichkeit in ein Supra-Plank-Dasein. Diesen Wechsel von Sub-Planck zu Supra-Planck stellt man sich als eine Art Phasenübergang von etwas Flüchtigem zu einem neuen Grundzustand von etwas Dauerhaftem und Substantiellem vor – und dieser Phasenübergang setzt Wärme in der Art frei, wie der Phasenübergang von Wasser zu Eis latente (verborgene) Wärme freisetzt.
Und so ergibt sich die eigenartige Erzeugung eines gigantischen Betrags an Energie aus dem Nichts, das wir Bewohner unseres eigenen Blasenuniversums in unserer beschränkten Sichtweise den Urknall nennen. Diese Energie trieb die exponentielle kosmische Inflation unserer Blase an, eine exponentielle Inflation, die andauerte, bis die Energiedichte / Temperatur innerhalb der Blase so weit abgesunken war, daß sich Materie bilden konnte – in einer Weise, die E=mc2 entspricht. Und so bildete sich eine weitere Blase aus beständigem Irgendetwas innerhalb dem unendlichen Bier aus Nichts.
lichtkegel

Der Lichtkegel unseres Blasenuniversums zeigt die Abschnitte der die kosmische Inflation (Reheating) antreibenden Energiefreisetzung, zeigt die Oberfläche der letzten Streuung (Recombination) und die nachfolgende Auflösung des kosmischen Nebels (Reionisation) – dabei könnten die Photonen des kosmischen Mikrowellen-Hintergrunds von der Oberfläche der letzten Streuung Anzeichen für eine Kollision mit einem angrenzenden Blasenuniversum mit sich tragen. Quelle: Matthew Kleban

Eine tolle Geschichte, aber wo ist der Beweis? Gut, es gibt keinen, aber trotz der gängigen Kritik, die den String-Theoretikern vorgehalten wird, ohne überprüfbare Aussagen daher zu kommen, ist dies ein Gebiet, wo sie sich bemühen, überprüfbare Voraussagen anzubieten.
Innerhalb eines Multiversums sind ein oder mehrere Zusammenstöße mit anderen Blasenuniversen angesichts eines Zeitrahmens, der ewig währt, nahezu unausweichlich. Solch ein Ereignis kann noch in unserer Zukunft stattfinden, könnte aber gleichermaßen in unserer Vergangenheit geschehen sein – die Tatsache, daß wir hier und jetzt existieren, deutet darauf hin (anthropologisch), daß solch eine Kollision nicht so verhängnisvoll sein könnte.
Ein Zusammenstoß mit einer anderen Blase könnte unbemerkt ablaufen, wenn sie genau die gleiche kosmologische Konstante besitzt wie unsere Blase und ihre Bestandteile denen unserer Blase ebenfalls ziemlich gleich wären. Die Kollision der Blasenwand könnte als blauverschobener Kreis am Himmel auftreten – vielleicht wie der Kalte Punkt im  kosmischen Mikrowellen-Hintergrund, obwohl dieser höchstwahrscheinlich das Ergebnis einer Dichtefluktuation innerhalb unseres eigenen Universums ist.
Wir könnten in Schwierigkeiten geraten, wenn die Blasenwand eines benachbarten Universums sich in unserer Blase in Richtung Erde nach innen schiebt – und wenn sich die Blasenwand zudem noch mit Lichtgeschwindigkeit bewegen würde, dann würden wir sie bis zu dem Moment nicht sehen, an dem die Wand uns trifft. Auch wenn die Wandkollision harmlos war, könnten wir in Schwierigkeiten geraten; dann nämlich, wenn das benachbarte Universum mit Antimaterie gefüllt war. Es sind solche Faktoren, die bestimmen, was wir beobachten könnten – und ob wir solch ein, wenn auch hypothetisches, Ereignis überleben könnten.
 
Weiterführende Literatur (im Internet zu finden unter):
arXiv:1107.2593v1
Matthew Kleban
Cosmic Bubble Collisions (2011)