Aktive Galaktische Kerne und Sternbildung (Originalartikel vom 12.10.2018)

Weekly Science Update – Übersetzt von Harald Horneff
(Originalartikel unter www.cfa.harvard.edu)

Die Galaxie UGC 5101 beherbergt einen aktiven Kern (Active Galactic Nucleus = AGN), einen dicht gepackten Kern, der reichlich Strahlung abgibt und eventuell Sternbildung anregt. Der Gezeitenschweif links in dieser Hubble-Aufnahme legt nahe, daß die Galaxie in Wirklichkeit ein verschmelzendes Galaxienpaar ist. Astronomen, die studieren, wie AGN die Entwicklung ihrer Heimatgalaxie beeinflussen, kommen zu dem Schluß, daß beide zusammen zunehmen. NASA, ESA, the Hubble Heritage Team; STScI / AURA / ESA / Hubble Collaboration and A. Evans University of Virginia, Charlottesville / NRAO / Stony Brook University


 
Die meisten Galaxien beherbergen in ihrem Zentrum ein supermassereiches Schwarzes Loch (SMBH = supermassive Black Hole) (ein supermassereiches Schwarzen Loch hat eine Masse von mehr als einer Million Sonnenmassen). Eine wichtige, ungelöste Frage der Galaxienentstehung und -entwicklung ist die Rolle, die diese SMBHs bei der Ausformung ihrer Galaxien spielen. Die meisten Astronomen stimmen darin überein, daß es hier eine starke Verbindung auf Grund der beobachteten Wechselbeziehungen zwischen der Masse eines SMBH und der Leuchtkraft seiner Galaxie, deren stellaren Masse und den Sternbewegungen in der Galaxie geben muß. Die gegenseitigen Abhängigkeiten treffen auf lokale Galaxien als auch auf solche aus früheren kosmischen Epochen zu. Doch trotz des Fortschritts bei der Erforschung von SMBHs, ist die Art, wie sie ihre Heimatgalaxien beeinflussen, immer noch nicht verstanden. In einigen entworfenen Szenarien unterdrückt das SMBH die Sternentstehung in der Galaxie durch den Ausstoß von Material. In anderen, wie dem Verschmelzungsszenario, ist deren Effekt ins Gegenteil verkehrt: das SMBH treibt die Sternentstehung durch Unterstützung beim Aufwirbeln des interstellaren Mediums an. Man hat Computerberechnungen durchgeführt, um zu versuchen, diese Unterschiede beizulegen und die Berechnungen lassen die Tendenz erkennen, das aus dem intergalaktischen Medium einströmendes kaltes Gas sowohl dem SMBH als auch dem Galaxienwachstum als Nahrung dienen kann.
Sternbildung gehört zu den grundlegenden Erkennungszeichen des Galaxienwachstums. Durch Beobachtungen von Galaxien hat man versucht, die Sternbildung zu messen, indem man deren Sternbildungsrate mit ihrer intrinsischen Leuchtkraft in Beziehung gesetzt hat (Sternbildung wärmt den Staub, dessen infrarote Strahlung die Leuchtkraft dominieren kann). Die Strahlung aus dem Gebiet um ein supermassereiches Schwarzes Loch, das lebhaft Material verschlingt, ein aktiver galaktischer Kern (AGN), kann leicht mit der Strahlung als Folge der Sternentstehung verwechselt werden. Röntgenstrahlung oder die Strahlung von sehr stark ionisierten Ionen kann genutzt werden, um den Beitrag des AGN an Strahlung unabhängig zu ermitteln, aber diese Messungen können durch Abschwächung der Strahlung durch den auf dem Weg befindlichen Staub oder anderer Effekte erschwert werden. Darüber hinaus gibt es Hinweise, daß bei kleinen oder weniger leuchtkräftigen Galaxien oder bei solchen aus früheren kosmischen Epochen auch andere Faktoren, etwa Elementhäufigkeiten, die Entwicklung der Galaxie stark beeinflussen.
Die CfA-Astronominnen Belinda Wilkes und Joanna Kuraszkiewicz sowie fünf Kollegen haben 323 Galaxien untersucht, von denen bekannt ist, daß sie wegen ihrer starken Röntgenstrahlung (vom XMM-Newton Teleskop gemessen) einen AGN besitzen und außerdem verstärkte Sternentstehung, ermittelt durch Strahlung im fernen Infrarot (vom Herschel-Weltraum-Teleskop gemessen), abläuft. Die Galaxien befinden sich alle in einer Entfernung, daß ihr Licht zwischen ungefähr zwei und elf Milliarden Jahre unterwegs gewesen ist. Die statistische Auswertung der Stichprobe zeigt, daß im Durchschnitt der AGN ungefähr 20% zur Leuchtkraft im Infraroten beiträgt, obwohl es manchmal auch mehr als 90% sein kann. Das Team kommt zu der wichtigen Folgerung, daß es keinen Hinweis (zumindest in dieser Stichprobe an Objekten) auf eine starke gegenseitige Abhängigkeit zwischen AGN und Sternbildung gibt oder das AGN die Sternbildung unterdrücken. Es scheint so, daß in der Tat beide gemeinsam wachsen.
Literatur:
„Is There a Relationship Between AGN and Star Formation in IR-Bright AGNs?“
Y. Sophia Dai, Belinda J. Wilkes, Jacqueline Bergeron, Joanna Kuraszkiewicz, Alain Omont, Adam Atanas, and Harry I. Teplitz
Monthly Notices of the Royal Astronomical Society 478, 4238, 2018
oder
arXiv1511.06761v5 [astro-ph.GA] 31 May 2018