Zeitgleiche Röntgen- und Infrarot-Beobachtungen des galaktischen Zentrums (Originalartikel vom 22.02.2019)

Weekly Science Update – Übersetzt von Harald Horneff

(Originalartikel unter www.cfa.harvard.edu)

Visualisierung einer simulierten Flare-Aktivität sowie Materiewolken um das supermassereiche Schwarze Loch im galaktischen Zentrum. Astronomen, welche diese Ereignisse gleichzeitig bei Röntgen- und Infrarot-Wellenlängen beobachten, legen Hinweise vor, daß, in Übereinstimmung mit einer Klasse theoretischer Modelle, die Röntgenstrahlung der Infrarotstrahlung oft zehn bis zwanzig Minuten vorausgeht. ESO, Gfycat

Das supermassereiche Schwarze Loch (supermassive black hole = SMBH) im Zentrum unserer Milchstraße, Sagittarius A*, ist mit Abstand das zu uns am nächsten gelegene derartige Objekt, nur ungefähr 25.000 Lichtjahre entfernt. Obwohl nicht annähernd so aktiv oder leuchtkräftig wie andere SMBHs, eröffnet seine relative Nähe Astronomen eine einzigartige Möglichkeit zu untersuchen, was nah am „Rand“ eines Schwarzen Lochs geschieht. Seit seiner Entdeckung im Radiolicht, und in jüngerer Zeit auch im Infrarot- und Röntgenlicht, überwacht, scheint Sgr A* Material in sehr geringer Rate, nur wenige Hundertstel Erdmassen pro Jahr, zu akkretieren. Die anhaltende Röntgenstrahlung stammt vermutlich von den schnellen Bewegungen der Elektronen in der heißen Akkretionsströmung, die mit dem Schwarzen Loch verbunden ist. Einmal am Tag erfolgen auch Strahlungsausbrüche, sogenannte Flares, die sehr stark variieren; sie treten öfter im infraroten als im Röntgenlicht auf. Einige Ausbrüche bei Submillimeter-Wellenlängen waren auch an die IR-Flares schwach gekoppelt, obwohl ihr zeitlicher Ablauf gegenüber den infraroten Geschehnissen verzögert scheint. Ungeachtet dieser intensiven Beobachtungsbemühungen sind die physikalischen Mechanismen, die hinter den Ausbrüchen um dieses Schwarze Loch stehen, bis jetzt unbekannt und Gegenstand angestrengter Entwicklung theoretischer Modelle.

Die CfA-Astronomen Steve Willner, Joe Hora, Giovanni Fazio und Howard Smith gehörten zu einer Arbeitsgruppe, die methodisch zeitgleiche Beobachtungen bei mehreren Wellenlängen von Flares bei Sgr A* mit dem Spitzer- und Chandra-Observatorium durchführte (bei einigen dieser Beobachtungsreihen wurde ferner das Submillimeter Array eingesetzt). In mehr als einhundert Stunden der Datengewinnung über vier Jahre hinweg (der über den längsten Zeitraum bis heute erhaltene derartige Datensatz) beobachtete das Team vier Ausbruchsereignisse im Röntgen- wie im Infrarotbereich, bei denen das Röntgengeschehen dem Infrarotereignis zehn bis zwanzig Minuten vorauszugehen scheint. Der Zusammenhang zwischen den beobachteten Signalspitzen legt nahe, daß es zwischen den Ereignissen eine physikalische Verbindung gibt und der geringe zeitliche Unterschied stimmt mit Modellen überein, welche die Ausbrüche als Folge magnetisch angetriebener Teilchenbeschleunigung und Schockwellen beschreiben. Ereignisse, die genau zeitgleich ablaufen, können jedoch nicht völlig ausgeschlossen werden, aber die Resultate sind trotzdem nicht mit einigen der exotischeren Modellen zu vereinbaren, die relativistische Bewegungen von Elektronen einbeziehen. Wenn zukünftig zeitgleiche Beobachtungen, die für den Sommer 2019 geplant sind, ebenfalls Ausbrüche beobachten, können sie neue Einschränkungen für die versetzten Flares und dazugehörige physikalische Modelle liefern.

Literatur:

„Simultaneous X-Ray and Infrared Observations of Sagittarius A*’s Variability“

H. Boyce, D. Haggard, G. Witzel, S. P. Willner, J. Neilsen, J. L. Hora, S. Markoff, G. Ponti, F. Baganoff, E. E. Becklin, G. G. Fazio, P. Lowrance, M. R. Morris, and H. A. Smith

The Astrophysical Journal 871, 161, 2019

oder

arXiv:1812.05764v1

[astro-ph.HE]

14 Dec 2018