Röntgendoppelsterne im galaktischen Zentrum (Originalartikel vom 25.05.2018)

Weekly Science Update – Übersetzt von Harald Horneff
(Originalartikel unter www.cfa.harvard.edu)

Die im Zentrum gelegenen, wenigen Lichtjahre unserer Milchstraße. Das mit Chandra erhaltene Röntgenbild zeigt die Orte einiger im Röntgenlicht strahlender Punktquellen, zu denen auch Röntgendoppelsterne (Kreise in cyan) gehören. Eine neue Untersuchung archivierter Chandra-Daten liefert den ersten aussagekräftigen Beleg für diesen vorausgesagten, dichten Haufen an Schwarzen Löchern. Chandra X-Ray Observatory/NASA, Hailey et al. 2018


 
Das Zentrum unserer Milchstraße liegt etwa fünfundzwanzigtausend Lichtjahre von der Erde entfernt in Richtung des Sternbilds Schütze. Im Kern der Galaxis befindet sich ein supermassereiches Schwarzes Loch mit ungefähr vier Millionen Sonnenmassen und um es herum, in einem Volumen mit einem Radius von gerade einmal ein paar Lichtjahren, kreisen Hunderte massereicher und wahrscheinlich Hunderttausende kleinerer, schwerer zu entdeckende Sterne. Die gesamte Region ist für uns im sichtbaren Licht nicht zu beobachten, da gewaltige Mengen an absorbierendem Staub zwischen Zentrum und uns liegen. Andere Wellenlängen hingegen, dazu gehört auch das infrarote, Radio- und energiereiche Röntgenlicht, können das verschleiernde Material durchdringen und ermöglichen es uns, diese einzigartige Umgebung zu untersuchen.
Man vermutet, daß das supermassereiche Schwarze Loch im Zentrum einer Galaxie nach und nach die es jetzt umgebenden vielen kleinen stellaren Schwarzen Löcher angesammelt hat. Im Fall unserer eigenen Galaxis könnten sich ungefähr 20.000 Schwarze Löcher in den im Zentrum gelegenen, wenigen Lichtjahren angehäuft haben. Doch ist bislang von einer solchen Dichtespitze nichts berichtet worden. Eine der besten Methoden, nach solchen Schwarzen Löchern zu fanden, ist die Suche nach Doppelsternen, in denen ein Mitglied ein stellares Schwarzes Loch ist, denn Akkretion um das Schwarze Loch würde messbare Röntgenstrahlen erzeugen.
CfA-Astronom Jaesub Hong war Mitglied eines aus sechs Personen bestehenden Teams, das mit dem Chandra-Röntgen-Observatorium nach solchen Binärsystemen suchte. Sie begutachteten archivierte Chandra-Beobachtungen, die über zwölf Jahre erhalten wurden und einer Dauer von mehreren Wochen entsprechen, in einer Fläche, die einem Volumen entspricht, das rund sechzig Lichtjahre um den galaktischen Kern umfaßt. In dieser Region sind Tausende Punktquellen zu sehen, die Röntgenlicht aussenden, das durch eine Reihe von Prozessen, darunter heißes Gas, Sternatmosphären, Doppelsternsysteme mit Weißen Zwergen, Neutronensternen und Schwarzen Löchern, erzeugt wird. Die innerste Region selbst, die ungefähr zwölf Lichtjahre umfaßt, zeigt Hunderte von Quellen. (Zum Vergleich: der zur Sonne nächstgelegene Stern ist vier Lichtjahre entfernt.) Die Energie der Röntgenstrahlung kann genutzt werden, um die Art der Quellen zu bestimmen, aber in diesem dichten, komplexen Durcheinander war dies eine Herausforderung. Um das Gewirr zu verringern, konzentrierte sich das Team auf ziemlich helle Quellen, ungefähr einhundert, und nutzte auch Simulationen als Realitätstest. Sie fanden, daß zwölf der Quellen im zentralen Dutzend Lichtjahre um das Zentrum relativ „weiche“ Röntgenspektren aufwiesen, das mit der Vorstellung im Einklang steht, daß diese Quellen Doppelsterne mit Schwarzen Löchern sind. Auch wenn einige alternative Erklärungen nicht ausgeschlossen werden können (etwa eine Klasse von Pulsaren), sind die beobachteten Röntgeneigenschaften dieser Quellen der erste überzeugende Beweis für die Existenz von Doppelsternsystemen mit Schwarzen Löchern, die sich gemäß der Voraussage nahe des galaktischen Zentrums angesammelt haben. Die Ergebnisse legen nahe, daß dort eine größere Zahl an (bis jetzt nicht entdeckten) allein existierenden Schwarzen Löchern vorkommt und sie unterstreichen nicht zuletzt die komplexe und faszinierende Natur dieses einzigartigen Ortes in unserer Galaxis.
Literatur:
„A Density Cusp of Quiescent X-Ray Binaries in the Central Parsec of the Galaxy“
Hailey, Mori, Bauer, Berkowitz, Hong, and Hord
Nature 556, 70, 2018