Man hat's nicht leicht: das Lithium-Problem (II)

Dr. Ilka Petermann, Argelander-Institut Bonn

Es ist nach Wasserstoff und Helium das leichteste Element, doch was die offenen Fragen nach seinem ‚woher und wohin‘ angeht, ist das Leichtmetall ein echtes Schwergewicht.

Wikimedia Commons Lithium-6 eines von 2 stabilen Isotopen

Da wäre zuerst einmal das Urknall-Lithium-Problem. Die Theorie der ‚primordialen Nukleosynthese‘, welche die erste Entstehung der leichten Elemente kurz nach dem Urknall beschreibt, setzt zusammen mit Beobachtungsdaten sehr enge Grenzen bei der Vorhersage der Häufigkeiten. Für die beiden leichtesten Elemente, Wasserstoff und Helium, ist die Übereinstimmung von Theorie und Daten hervorragend. Für Lithium dagegen liegen die beobachteten Werte um einen Faktor 3-5 niedriger als die Berechnung. Woran könnte das liegen?

Es könnten Ungenauigkeiten bei der Beobachtung sein – die aber durch immer genauere Messungen minimiert werden. Die Daten, die das Planck-Weltraumteleskop1) geliefert hat, verfeinerten etwa unser Wissen, das von vergleichbaren früheren Projekten wie COBE2) und WMAP3) stammt. Ein anderes Puzzleteilchen zur Lösung könnte auch die Kernphysik liefern, die in Experimenten die Eigenschaften der mitspielenden Elemente immer präziser bestimmt. Oder aber an der zugrunde-liegenden Theorie gibt es noch Baustellen, an denen weiter gearbeitet werden muss.

So wird die Frage nach dem Lithium zum Blick ins astronomische Portemonnaie – theoretisch hätte doch mehr drin sein müssen! Oder aber (wenn wir mal annehmen, dass man doch recht genau wusste, wie viel am Anfang im Geldbeutel war) es bleibt die Frage wofür und wie wir schon wieder soviel ausgegeben haben…

Dreidimensionale Modelle metallarmer Sterne sind äußerst wichtig zur Ermittlung der relativen Häufigkeit der Lithium-Isotope Courtesy: Karin Lind, Davide De Martin


Bei letzterem denken die Astronomen an das stellare Lithium-Problem: Beobachtungen von Halo-Sternen mit einer sehr weiten Altersspanne zeigen für alle Sterne eine erstaunlich ähnliche Lithium-Häufigkeit mit nur sehr geringen Schwankungen. Macht man die vernünftige Annahme, dass diese Sterne aus einer beinahe identischen Anfangs-Rezeptur bestehen, müsste es einen Mechanismus geben, der Lithium effizient dabei aber extrem feinabgestimmt aufbraucht. Ein solcher Vorgang, der in allen Sternen trotz ihres unterschiedlichen inneren Aufbaus abläuft, konnte aber bis jetzt noch nicht eindeutig beschrieben werden. Genau hier aber kann die Beobachtung von Sonnenzwillingen helfen: Wenn man bestimmt, wie viel Lithium ‚früher‘ (unsere Sonne oder sogar 18 Scorpii) vorhanden war und wie viel ’später‘ (Sonnenzwilling HIP102152) noch da ist, besteht die Möglichkeit, dass man den Lithium-Verbrauch im Laufe eines Sternenlebens vorhersagen kann. Hierfür muss man nicht nur den Aufbau, sondern auch die Entwicklung und Dynamik der Sterne genau analysieren, denn das fragile Lithium kann durch verschiedene Prozesse im Sterninneren sehr schnell zerstört werden.

Und dann gibt es auch noch Sterne, die überhaupt nicht knapp bei Kasse sind. Es ist eine Handvoll Sterne bekannt, die eine (zu) hohe Häufigkeit an Lithium zeigen. Die Möglichkeiten zur erstaunli-chen Element-Vermehrung könnten eine Spende (Massentransfer von einem möglichen Nachbar-stern), ein Überfall (ein Planet wurde ‚verschluckt‘ und sein Lithium-Gehalt dem des Sterns hinzu-gefügt) oder doch ein kleiner Nebenjob (es gibt einen Mechanismus, der Lithium produzieren kann) sein. Da diese Sterne jedoch sehr selten sind, werden zumeist nur die zwei ersten Fragen zu den großen Lithium-Problemen gerechnet, letztere trägt nur noch etwas mehr Würze bei.

So wird es das Lithium auch weiterhin spannend machen – aber es bleibt die Hoffnung, dass eine Vergrößerung der Sonnenfamilie vielleicht ein Stückchen zu Lösung beitragen kann.

1) Planck: Eine Raumsonde der ESA zur Messung der kosmischen Hintergrundstrahlung

2) COBE (Cosmic Background Explorer): Ein Satellit der NASA, der 1989-1993 revolutionäre Ergebnisse bei der Messung der kosmischen Hintergrundstrahlung lieferte

3) WMAP (Wilkinson Microwave Anisotropy Probe): Eine 2001 gestartete US-amerikanische Raumsonde, die bis 2010 in Betrieb war

Die Originalveröffentlichungen (in Englisch) zu den beiden in dieser Ausgabe der Mitteilungen veröffentlichten Artikel I und II können kostenfrei abgerufen werden unter:

  1. arXiv:1209.0217v2 [astro-ph.SR]

M. Bazot et al.

The radius and mass of the close solar twin 18 Sco derived from asteroseismology and interferometry”

  1. arXiv:1308.5744v1 [astro-ph.SR]

TalaWanda R. Monroe et al.

High Precision Abundances of the Old Solar Twin HIP 102152: Insights on Li Depletion from the Oldest Sun”